Er tut es tatsächlich: Elia Rediger, streitbarer Kopf der Basler Band The bianca Story, will im Herbst gegen den amtierenden Stadtpräsidenten Guy Morin antreten. Im Interview mit der TagesWoche erklärt der Künstler warum.
Am Anfang stand eine Diskussion auf Facebook: Von Bekannten wurde Elia Rediger vor einigen Tagen spontan dazu aufgefordert, doch als Stadtpräsident zu kandidieren. Und siehe da: Nun tut er es («nach reiflicher Überlegung») tatsächlich. Zurzeit weilt der Künstler und Sänger der Basler Band The bianca Story noch im Spanien-Urlaub – bald nach seiner Rückkehr sollen aber seine Kampagne und das Wahlkampfteam vorgestellt werden. Die TagesWoche hat den polarisierenden Basler Kulturschaffenden vorab exklusiv zu seinen politischen Plänen befragt.
Elia Rediger, Ausgangspunkt ihrer Kampagne war eine Facebook-Page. Im Video, wo Sie ankündigen, dass Sie gegen Stapi Guy Morin antreten werden, tanzen Sie zur Musik Ihrer Band The bianca Story (siehe unten). Wie ernst darf man Ihre Kandidatur da überhaupt nehmen?
Bestimmt sehr ernst! Auf verschiedenen Ebenen: Wir sind uns bewusst, dass der Wahlerfolg bei Quereinsteigern deutlich kleiner ist. Nichtsdestotrotz: Es geht uns auch darum, das Thema Politik zu entkrampfen. Ich trete an mit dem Ziel zu gewinnen, sonst hätte ich ja gar nicht zugesagt!
Ist Ihre Aktion also mehr als ein PR-Gag im Sommerloch?
Auf jeden Fall. Zurzeit kann ich leider noch wenig Konkretes sagen, weil ich und mein Wahlkampfbüro am Konzept der Kampagne arbeiten. Aber wir stellen uns auf einen sehr spannenden Wahlherbst ein.
Die Kandidatur wurde an Sie herangetragen: Sie haben sich zunächst aber skeptisch gezeigt. Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie nun tatsächlich eingewilligt haben, sich zur Wahl zu stellen?
Das hat zwei wichtige Gründe: Erstens liegt mir sehr viel an meiner Heimatstadt, ich lebe nach wie vor in Basel und dies auch gerne. Gerade deshalb ist mir wichtig, dass Basel nicht einschläft, dass man wichtige Weichen für die Zukunft stellt und die Stadtentwicklung nicht einfach dem hitzigen politischen Klima überlässt. Zweitens sehe ich für mich als totalen Exoten und Quereinsteiger die Chance, neuen Schwung in den Wahlkampf und die Kulturpolitik der Stadt zu bringen.
Nach dem RFV-Sprecher Chrigel Fisch sind Sie bereits der zweite «Sprengkandidat» aus Basels Musikszene, der via Facebook verkündet, dass er die Wahlen aufmischen will. Wie stehen Sie zu seiner Kandidatur?
Ich weiss nicht, wie ernst es Chrigel mit seiner Kandidatur ist. Auch wenn er unkonventionell und ironisch argumentiert, haben seine Anliegen aber durchaus einen ernsten Hintergrund. Wenn wir beide aus dem Urlaub zurück sind, müssen wir uns unbedingt beieinander melden, um zusammenzusitzen und zu schauen, welche Kooperationen möglich sind.
Dann sehen Sie ihn nicht als Konkurrenz?
Nein, im Gegenteil! Es ist doch spannend, wenn sich Leute aus dem kulturellen Umfeld politisch engagieren und für Ämter kandidieren.
Es ist aber auch ein Anzeichen, dass in der Kulturstadt Basel Unzufriedenheit über den derzeitigen Kurs der Regierung und des Präsidialdepartements herrscht. Was macht Guy Morin falsch?
Guy Morin macht so einiges richtig! Ich habe mir vorgenommen, im Wahlkampf nicht mit dem «blaming finger», dem drohenden oder moralischen Zeigefinger auf andere zu zeigen, oder Sündenböcke zu suchen. Ich möchte mit positiven Vibes zeigen, dass zukünftige Politik auch lustvoll sein kann. Ich denke aber, man kann eindeutig sagen, dass zurzeit noch zu wenig passiert, dass zu wenig neue Ideen umgesetzt werden. In dieser Stadt wäre viel mehr möglich, muss viel mehr möglich sein. Dieses kreative Potential wird längst nicht ausgeschöpft.
Was würden Sie anders machen?
Es gäbe unzählige einzelne Beispiele – aber grob gesagt bin ich überzeugt, dass in Basel ein neuer Geist der Ermöglichung herrschen soll. Nach dem Motto: «In Basel ist das möglich!» Wer in Basel etwas bewegen will, stösst zurzeit noch meist auf Skepsis, Hürden oder Ablehnung. Denken Sie etwa an die vielen Leute, die den Traum haben, sich selbständig zu machen, mit kleinen Betrieben wie Cafés, Läden, Kneipen oder Kulturorten. Statt dass man dies unterstützt, werden einem unzählige Reglementierungen, administrative Hindernisse und Bürokratie in den Weg gestellt. Das führt dazu, dass die Verwaltung viel zu viel Macht hat: Alles wird auf den Staat abgewälzt, statt dass man auf Eigeninitiative oder Selbstregulierung setzt. Dieser ganzen Panikmacherei will ich etwas Gegensteuer geben.
Ein klassisch liberales Postulat! Dabei hätten viele Sie als Künstler und Kulturschaffender sicherlich für einen SP-Sympathisanten gehalten. Können Sie sich überhaupt ins gängige Links-Rechts-Schema der Parteienlandschaft einordnen?
Nein. Solche Kategorien sind mir sehr fremd, ich glaube, die sind auch schlicht nicht mehr zeitgemäss. Ich sage immer, ich bin nicht rechts oder links, ich bin oben! (lacht)
In letzter Zeit sind bereits einige neue Bewegungen jenseits der etablierten Parteien entstanden: Die Piraten-Partei, in Basel die lose Gruppe Freistaat Unteres Kleinbasel um den Theaterpädagogen Christian Müller und vor einigen Tagen in Zürich die Party-Partei von Cabaret Voltaire-Direktor Philipp Meier. Stehen Sie diesen anarchistisch angehauchten Gruppen näher?
Auf jeden Fall sicher näher als den klassischen Parteien. Es gibt in vielen Parteien gute Leute, aber an Parteidoktrin und dem ganzen Geplänkel habe ich überhaupt kein Interesse. Diese neuen Bewegungen finde ich dagegen interessant, ich kann mir gut vorstellen, mit ihnen auf die eine oder andere Weise zusammenzuarbeiten oder zu kooperieren.
In einem Video-Blog sprechen Sie sich für die drei Begriffe Lockerheit, Mut und Chaos aus. Können Sie das erläutern?
Es geht um einen Lebensstil, um das Lebensgefühl, das ich habe und teilen will: Es braucht mehr Mut zur Lockerheit, Mut zum Chaos, aber auch schlicht mehr Mut, Mut zu haben. Mir ist wichtig, nicht ausgrenzend zu denken sondern überall Anschlüsse zu ermöglichen. Ich bin überzeugt, dass man im Leben und der Gesellschaft einfach nicht alles im Griff haben kann. Das ist aber weder ein Aufruf zum Drogenabsturz noch zum Hooliganismus, und auch nicht anarchistisch oder dadaistisch gemeint. Es geht vielmehr um die Einsicht, dass man nicht alles planen und absichern kann, sondern dass man diese Ungewissheit auch als Chance für Neues und Unvorhergesehenes sieht. Ich glaube, diese Perspektive könnte Basel prägen und bewegen, und der Stadt auch helfen, international an Profil zu gewinnen, nicht nur kulturell, auch wirtschaftlich.
Ihre Band startet zurzeit gerade in Deutschland durch, und steht dort in den Top Ten der Clubcharts. Was passiert, wenn Sie gewählt werden?
Wir haben dies bereits durchgesprochen. Ganz klar: Ich würde die Wahl annehmen, und dafür auf mich nehmen, dass ich bei The bianca Story und als Künstler kürzer treten muss.
Ganz ehrlich: Wie gross schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Gute Frage. Ehrlicherweise sehe ich zurzeit kaum eine Chance. Aber wer weiss, was wir noch alles bewegen können, wenn die Kampagne plötzlich in Fahrt kommt? Eines ist sicher: Ich werde statt auf grosse Slogans schlicht auf Menschlichkeit, Transparenz und Ehrlichkeit setzen. Bei mir soll man wissen, woran man ist, etwa indem man meine Statements direkt auf Blogs oder sozialen Netzwerken nachverfolgen kann. Ich glaube, mehr Menschlichkeit und Offenheit würde der Politik gut tun. Damit sie wieder näher bei den Leuten ist.
Mit diesem Youtube-Video gab Elia Rediger seine Kandidatur am Sonntag gewohnt unkonventionell bekannt:
The bianca Story stehen mit dem Jan Blomqvist-Remix von «Dancing People Are Never Wrong» zurzeit auf Platz 7 der deutschen Clubcharts – hier sehen sie den aktuellen Videoclip:
Quellen
Artikelgeschichte
Das Interview mit Elia Rediger wurde während seines Urlaubs telefonisch geführt.