Am Sonntag, 21. Mai, wählen die Baslerinnen und Basler ihren Bürgergemeinderat. Wenn sie denn auch wählen gingen, denn kaum jemand nimmt die Wahlen zur Kenntnis – oder den Rat.
Nicht wenige Baslerinnen und Basler haben sich wohl gewundert, als vor wenigen Wochen zwei an sie adressierte Abstimmungscouverts in den Briefkästen lagen. Das war kein Versehen, denn auf den zweiten Blick offenbarte sich, dass auf einem der beiden Couverts als Absender «Bürgergemeinde der Stadt Basel» angegeben war.
Es konnten sich allerdings nur volljährige Basler Bürgerinnen und Bürger, die in der Stadt wohnhaft sind, über diese Couverts wundern. Das sind immerhin knapp 50’000 an der Zahl. Grund genug für die Bürgergemeinde Basel, noch und noch zu betonen, dass sie die grösste in der ganzen Schweiz ist.
Das ist doch immerhin schon etwas.
Doch Grösse allein entscheidet nicht über Bedeutung. Öffentliche Aufmerksamkeit allein zwar auch nicht, aber diese kann zumindest Bedeutung suggerieren. Hier allerdings sieht es nicht gut aus. Wer in der Schweizer Mediendatenbank im Zeitraum des letzten halben Jahres nach den Basler Bürgergemeinderatswahlen sucht, stösst auf gerade mal sechs Einträge.
Die meisten davon drehen sich inhaltlich um das auch hier abgehandelte Thema der mangelnden Präsenz in den Basler Köpfen. Deshalb etwas Aufklärung – und Aufmerksamkeit.
Was ist denn nun die Bürgergemeinde Basel?
«Ein gutes Stück Basel», schreibt die Bürgergemeinde selber in ihrer Imagebroschüre. Und: «Die Bürgergemeinde der Stadt Basel erbringt mit ihren Institutionen Bürgerspital Basel und Bürgerliches Waisenhaus sowie mit über 1500 Mitarbeitenden vielfältige, überwiegend soziale und gemeinnützige Dienstleistungen für alle Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Basel.»
Das sagt nicht gerade viel aus. Im Grundsatz ist die Bürgergemeinde Basel die Körperschaft der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Basel. Sie unterhält eine Legislative: den 40-köpfigen Bürgergemeinderat, der wiederum die Mitglieder der siebenköpfigen Exekutive, Bürgerrat genannt, wählt. Der Bürgergemeinderat wird alle sechs Jahre von den Basler Bürgerinnen und Bürgern gewählt.
Was für Aufgaben erfüllt die Bürgergemeinde?
Im Image-Video auf der Website der Bürgergemeinde wird der Begriff «vielfältig» geradezu inflationär gebraucht. Das besagt nicht sonderlich viel. Aber wie schon aus der Imagebroschüre zu entnehmen ist, bilden die beiden Institutionen Bürgerspital und Bürgerliches Waisenhaus den absoluten Schwerpunkt, was sich bei der Anzahl der Mitarbeitenden deutlich abzeichnet. Fast alle von ihnen sind in einer Institution des Bürgerspitals, also in der Betreuung oder Rehabilitation von betagten und behinderten Menschen, beschäftigt. Das Waisenhaus beansprucht rund 80 Mitarbeitende. 17 Personen sind unter dem Stichwort «Zentrale Dienste» angefügt.
Darüber hinaus ist die Bürgergemeinde für die Pflege und Bewirtschaftung der «Waldungen» zuständig. Sie hat nach dem Migrationsamt des Kantons auch ein Wörtchen bei den Einbürgerungen mitzureden, und sie beaufsichtigt die Christoph Merian Stiftung und die Basler Zünfte, die in Basel keine privatrechtlichen Vereine sind, sondern den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts innehaben (und trotzdem zu einem grossen Teil Frauen ausschliessen können).
Früher, das heisst bis vor acht Jahren, war bei der Aufzählung nicht bereits hier Schluss: 2009 musste die Bürgergemeinde ihre wichtigste Aufgabe – die Sozialhilfe – an den Kanton abgeben. Bis 1973 war sogar das Universitätsspital noch Teil des Bürgerspitals. Der Rechtfertigungsdruck der Bürgergemeinde steigt also.
Wie sind Legislative und Exekutive zusammengesetzt?
Der Bürger- und der Bürgergemeinderat sind momentan etwas bürgerlicher zusammengesetzt als Grosser Rat und Regierungsrat des Kantons:
- In der siebenköpfigen Exekutive sind FDP, SVP, LDP, CVP und GLP mit je einem, die SP mit zwei Sitzen vertreten.
- Im 40-köpfigen Bürgergemeinderat stellt die SP mit 12 Sitzen mit Abstand am meisten Mitglieder, gefolgt von der CVP mit 6, der SVP und dem Grünen Bündnis mit 5, FDP und LDP mit 4, der GLP mit 3 und der EVP mit 1 Sitz.
In beiden Gremien sind übrigens viele bekannte Namen wiederzufinden. Das liegt aber nicht an ihrem Einsatz in der Bürgergemeinde selber. Viele Bürger- und Bürgergemeinderäte sind aktuell auch im Grossen Rat vertreten oder waren es einst. Auf den Listen der Kandidierenden finden sich nicht wenige Grossräte, die wegen der Amtszeitbeschränkung oder einer verpassten Wiederwahl aus dem kantonalen Parlament ausscheiden mussten.
Wählen den die Baslerinnen und Basler auch?
Die Bürgergemeinderatswahlen sorgen in der Öffentlichkeit nicht gerade für viel Wind. Dennoch kann man nicht zur Umwandlung des altbekannten und etwas strapazierten Spruches greifen: Stell dir vor, es sind Wahlen und keiner geht hin. Bei den letzten Wahlen gab es eine Wahlbeteilung von knapp 39 Prozent. Bei den letzten Grossratswahlen 2016 betrug sie im Vergleich hierzu knapp 42 Prozent.