Basel leidet unter Veloschwund, seit Anfang Oktober werden Plattformen für Vermisstenanzeigen mit Einträgen geflutet. Die Polizei kann dagegen wenig unternehmen. Dabei gäbe es eine elegante Methode, dem Übel entgegenzuwirken.
Eigentlich ist Basel ja ein prädestiniertes Pflaster für Veloliebhaber. Mit etwas Ehrgeiz ist jeder Ort in dieser Stadt auf zwei Rädern zu erreichen, und das meistens schneller als mit dem öffentlichen Verkehr. Unter einer Voraussetzung: Das Velo ist noch da, wenn man es braucht.
Viele Velofahrerinnen und Velofahrer mussten sich in den letzten Wochen allerdings vom Gegenteil überraschen lassen. So zumindest lässt sich das auf der Facebookgruppe «WANTED – Gestohlene Velos wiederfinden (Region Basel)» nachvollziehen. Die Anzahl Vermisstenmeldungen stieg hier seit Anfang Oktober sprungartig an, alleine zwischen dem 16. und 26. Oktober wurden über zehn Einträge registriert. Zum Vergleich: Noch im September wurden insgesamt sechs Velos als gestohlen gemeldet, ohne dass sich seither die Mitgliederzahlen der Gruppe stark verändert hätten. Zufall? Oder wurde die Region Basel Ziel organisierten Fahraddiebstahls?
Ob Diebstahl oder Entwendung: Das Velo ist weg
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt kann keine Angaben zu Anzeigen wegen Diebstahls machen und verweist auf die Halbjahresstatistik. Phasenweise Zunahmen von Delikten seien möglich, dass darum aber die Diebstahlsrate insgesamt ansteige sei unwahrscheinlich. Ausserdem sei zu unterscheiden zwischen Diebstahl und Entwendung.
Eine Differenzierung, die aus Sicht der betroffenen Personen erst einmal keinen Unterschied macht. Das Velo ist weg. Aber: Während gestohlene Velos für den Eigengebrauch oder Weiterverkauf geklaut werden, handelt es sich bei Entwendungen «lediglich» um eine vorübergehende Benutzung des Vehikels. «Oft werden Velos beispielsweise nach dem Ausgang entwendet und dann achtlos irgendwo liegen gelassen», sagt Polizeisprecher Martin Schütz. Rund 2000 Velos sammelt die Basel Polizei jährlich ein, rund ein Viertel davon wird von den Besitzern abgeholt. Der grösste Teil geht an humanitäre Einrichtungen.
Auch die Velobesitzer sind in der Pflicht
Nach einem Diebstahl finden Velos selten bis nie den Weg zurück zu ihren Besitzern, entwendete Räder können theoretisch gefunden und dem Besitzer wieder zurückgegeben werden. Und tatsächlich können einige solcher Fälle auf der beschriebenen Facebookgruppe verfolgt werden. «Danke für den Post. Ist mein Velo. Habe es zum Glück am selben Tag wieder gefunden», schreibt ein Nutzer unter das Bild eines rassigen Rennrads, das samt Schloss auf einer Wiese liegt.
Solche Glücksfälle gehören dennoch zu den Ausnahmen. Für Roland Chrétien, Geschäftsführer von Pro Velo beider Basel, könnten diese Ausnahmen zumindest im Fall von Entwendungen häufiger sein, gäbe es da nicht ein Problem: «Die Velos lassen sich meistens keinem Besitzer zuordnen, weil sie keine Kontaktdaten haben», sagt er. «Mit der Abschaffung der Vignette hat der Bund einen Teil seiner Verantwortung in Sachen Diebstahlprävention abgegeben.»
«Der Bund hat einen Teil seiner Verantwortung in Sachen Diebstahlprävention abgegeben.»
Pro Velo versucht diesem Problem entgegenzuwirken und verschenkt Velovignetten an sämtliche Mitglieder. Zur Diebstahlsprävention kann der Verein sonst aber wenig beitragen. Ein Teil der Verantwortung liege auch bei den Velobesitzern, die Räder müssten natürlich angemessen gesichert werden.
Im Verlustfall, so Chrétien, fehlen den Betroffenen oft die nötigen Angaben zu ihrem Velo. Und die Vielzahl an Velosuchdiensten erschwert eine effiziente nationale Suchorganisation. Viele (ehemalige) Velobesitzer resignieren bald – sie melden ihren Verlust der Versicherung.
Städte wie Basel sind besonders gefährdet
Laut einer Studie des deutschen Finanzportals Geld.de aus dem Jahr 2011 liegen mittelgrosse Städte ganz weit oben im Ranking der Velodiebstähle im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Und tatsächlich: Im gesamten deutschsprachigen Raum liegt Basel mit 1502 geklauten Velos pro 100’000 Einwohner an vierter Stelle im Städteranking. Aus der Schweiz ist nur Bern noch schlimmer betroffen. Hier wurden zur Zeit der Erhebung 1826 Velos pro 100’000 Einwohner und Jahr entwendet.
Wie schnell Velos geklaut werden können, wenn sie an neuralgischen Punkten herumstehen, lässt sich anhand eines Experiments der «Sonntagszeitung» nachvollziehen. Im Rahmen dieses Experiments wurden drei Mittelklassevelos mit GPS-Sendern ausgestattet und in den Städten Bern, Genf und Zürich an verschiedenen Orten abgestellt. In Bern dauerte es keinen Tag, bis das Velo verschoben wurde, in der zweiten Nacht wurde es bereits längerfristig entwendet. Auf einer StoryMap lässt sich der Weg der Velos über mehrere Tage hinweg verfolgen.
Lockvogelvelos sind keine Option für Basel
In Holland arbeitet die Polizei bereits seit einigen Jahre mit diesen sogenannten Lockvogelvelos, mit denen Fahrraddiebe in flagranti erwischt und festgenommen werden können. Auch in der Schweiz wurde der Einsatz präparierter Räder vor einigen Jahren diskutiert – in Winterthur. Doch das Projekt scheiterte an rechtlichen Hürden. Der Einsatz von GPS-Sendern stelle gesetzlich gesehen eine Überwachungsmassnahme dar, für deren Erlassung die Rechtsgrundlage fehle, hiess es von Seiten des Wintherturer Stadtrats.
Wäre es denn denkbar, in Basel solche präparierten Velos zum Einsatz zu bringen? Ein Einsatz von sogenannten Lockvogelvelos ist in Basel nicht geplant, heisst es auf Nachfrage bei der Basler Polizeibehörde.