In Basel wird der Waldrand zum Mittelpunkt für Flüchtlinge

Vor acht Jahren beschlagnahmten Künstler einen leerstehenden Kiosk nahe dem Zoll Otterbach und nannten ihn bblackboxx. Seither begegnen sich dort Asylsuchende und Städter. Heute erlebt der Ort einen neuen Hype.

Die bblackboxx als Kunstort: die Waldlichtung ist ihre Bühne, die Menschen im Wald die Akteure.

(Bild: Ketty Bertossi)

Vor acht Jahren beschlagnahmten Künstler einen leerstehenden Kiosk nahe dem Zoll Otterbach und nannten ihn bblackboxx. Seither begegnen sich dort Asylsuchende und Städter. Heute erlebt der Ort einen neuen Hype.

Kurz vor dem Grenzübergang zu Deutschland zwischen dem Rauschen der Autos und dem Rascheln der Bäume begegnen sich Menschen auf einer Waldlichtung, für die keine Begegnung vorgesehen ist. Die einen erholen sich im Lange-Erle-Wald vom Trubel der Stadt, die anderen von ihrer Gefangenschaft im Bässlergut.

Das Ausschaffungsgefängnis und Empfangszentrum steht nur wenige Meter von der Waldlichtung entfernt. Grauer Klotz, Stacheldraht. Im Gefängnis sitzen Sans-Papiers oder Kleinkriminelle. Im Empfangszentrum nebenan die Flüchtlinge. Sie warten auf eine Registrierung, einen Befragungstermin oder einen Entscheid. Es ist ein Zwischenstop auf ihrer langen Reise. Nur wenige erhalten Asyl in der Schweiz, die meisten werden abgelehnt.



Das Gefängnis ist der Nachbar der bblackboxx – und der Grund, warum es sie gibt.

Das Gefängnis ist der Nachbar der bblackboxx – und der Grund, warum es sie gibt. (Bild: Ketty Bertossi)

Einige Stunden am Tag dürfen die Asylsuchenden hinaus, um 17 Uhr müssen sie wieder drin sein. Eine Fahrt in die Stadt lohnt sich nicht, sie haben kaum Geld und wer nicht pünktlich zurückkehrt, muss draussen schlafen. Also verbringen sie ihre Zeit im Wald rund um den Zoll Otterbach. Dort treffen sie unweigerlich auf Hündeler, Familien und Vita-Parcours-Läufer.

Ursprünglich wollte eine Gruppe von Künstlern dieses ungewöhnliche Zusammentreffen in einem einmaligen Theaterstück auffangen, in dem Asylsuchende und Parkbesucher die Hauptrollen spielen. Während den Proben bauten sie das leerstehende Kioskhaus bei der Waldlichtung in ein «No-Border-Café» um und stellten Heissgetränke zur Verfügung. Doch als die Performance zu Ende war, protestierten die Asylsuchenden: «Jetzt wollt ihr gehen? Wir sind kein Projekt.» Also blieben sie. Bis heute. Sie tauften den Ort auf den Namen bblackboxx.

Keine Grenzen, keine Lager, kein Hilfsprojekt



Sie kommt fast jeden Tag: Eine syrische Frau mit ihren Kindern.

Sie kommt fast jeden Tag: Eine syrische Frau mit ihren Kindern. (Bild: Ketty Bertossi)

Weil die bblackboxx mittlerweile von unterschiedlichen Künstlern und Aktivisten bespielt wird, will die Frau, die das Projekt ins Leben gerufen hat, nicht mehr mit ihrem Namen in der Öffentlichkeit auftreten. Die Kerngruppe hinter der bblackboxx nennt sich nun «No Border Academy». In diesem Artikel heissen sie «Aktivisten». Fast alle Angaben beruhen auf den Aussagen der Gründerin.

Etwas geheimnisvoll ist auch das Ziel der bblackboxx. Was sie will und tut, ist nirgends festgeschrieben. Die Aktivisten wissen vor allen Dingen, was sie nicht wollen: Grenzen, Lager. Und was sie nicht sind: Ein Hilfsprojekt. Vielmehr begreift sich die bblackboxx als Lernfeld. Ein Ort des Geschehenlassens, an dem Begegnung möglich ist. Im ehemaligen Kioskhaus lagern die Requisiten dazu: Bälle, Schaukeln, Tische, Stühle. Ein Boxsack. Und: Kaffee. Die Filterkaffee-Maschine bildet das Herzstück des Ortes.



Die bblackboxx wird von unterschiedlichen Menschen mit gestaltet. Nicht immer gefällt den Gründern alles.

Die bblackboxx wird von unterschiedlichen Menschen mit gestaltet. Nicht immer gefällt den Gründern alles. (Bild: Ketty Bertossi)

Um 13 Uhr an Freitagen und Samstagen öffnet die bblackboxx die Luke. Die Aktivisten tragen die Requisiten heraus und warten ab, was geschieht. Kurz darauf kommen Asylsuchende in kleinen Gruppen aus dem Zentrum. Manche, die neu sind, beobachten das Schauspiel erst von Weitem. Andere wissen bereits, wie es geht. Man holt sich eine Tasse Tee und setzt sich auf die bereitgestellten Bänke oder an das Feuer. Zurzeit sind auch hier vor allem Menschen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan. Familien mit Kindern, viele junge Männer.

Wässriger Tee und Makkaroni

Die Asylsuchenden schätzen es, dass sie hier nicht betreut werden, sagen die Aktivisten. Sie schätzen aber auch den Tee mit Zucker, sagen ein Iraker und ein Syrer. Im «Gefängnis», wie selbst das Empfangszentrum von vielen genannt wird, gäbe es nur wässrigen, ungesüssten Tee. Und Makkaroni ohne Sauce. Tagein, tagaus. «Ich liebte Pasta, aber nun hasse ich Makkaroni», sagt der Iraker. Er ist enttäuscht von der Schweiz. In Österreich habe er weitaus mehr Solidarität erlebt. Er will, so schnell es geht, nach Wien zurück. Auf die Frage, was er sich wünsche, sagt er: «A good face.» Menschen, die Herz zeigen.



Interaktion: Schülerinnen und Asylsuchende beim Fussballspiel.

Interaktion: Schülerinnen und Asylsuchende beim Fussballspiel. (Bild: Ketty Bertossi)

Nicht alle sehen das so. Viele haben mit der Ankunft in der Schweiz ihr lang ersehntes Ziel erreicht. Über die unbequeme Lage im Zentrum verlieren sie kaum Worte, lieber loben sie das schöne Land, von dem sie noch sehr wenig wissen. Oder versuchen die Gelegenheit zu nutzen, um von den Anwesenden deutsche Wörter zu lernen: Baum, Sonne, Wasser, Berge.

Lange hat die bblackboxx wenig Beachtung bekommen. Seit die Medien voll sind mit Bildern von Menschenmassen, die sich an Zäune drängen und an Bahnhöfen stranden, regt sich die Bevölkerung auch hierzulande und hält Ausschau nach den Flüchtlingen. Noch nie erhielt die bblackboxx so viele Anfragen wie in den vergangenen Wochen: von Künstlerinnen, Schülerinnen, Lehrerinnen.



Manchmal backen Freiwillige Kuchen, ein Fest für die Besucher.

Manchmal backen Freiwillige Kuchen, ein Fest für die Besucher. (Bild: Ketty Bertossi)

Kürzlich kamen Künstler aus Calais für eine Ausstellung. Sie haben zum Abschied die eine Fassade des Kioskhauses gestaltet. «Care for Refugees» und «Peace for all Nations» steht nun in farbigen Lettern auf der Wand. Zum Unmut der Aktivisten. Denn die bblackboxx will sich vom Fürsorge-Gedanken abgrenzen, weil er das Opferbild zementiere. Der «Mal- und Springseilgroove» passe nicht zu ihnen. Ihre Arbeit nennen sie «einmischende Solidarität».

Der Ort will vor allem auch auf Missstände hinweisen. Zum Beispiel mit den «No-Lager-Rundgängen», eine Führung um das Bässlergut. Auch die sind gefragter denn je. Zuletzt kamen Studenten der Hochschule für Gestaltung und Kunst, um herauszufinden, wie man sich künstlerisch diesem Thema nähern kann.

Am wenigsten Gedanken über den Zweck dieses Ortes machen sich wohl die Asylsuchenden selbst. Für sie ist die bblackboxx eine willkommene Abwechslung in der Wartezeit. Ein Ort mit warmen Getränken und warmen Menschen. Genau das, was sie im Zentrum vermissen. Manchmal sieht die Waldlichtung aus wie ein grosser Festplatz: Mit Trommelmusik, spielenden Kinder, arabischen Gesängen und Tänzen. Begegnung könne sehr einfach sein, sagen die Aktivisten der bblackboxx. Sie brauche nur Zeit. Und eine Filterkaffee-Maschine.



Die Trommeln sind eine begehrte Requisite: an guten Tagen gibt es Musik, Tanz und Gesang.

Die Trommeln sind eine begehrte Requisite: an guten Tagen gibt es Musik, Tanz und Gesang. (Bild: Ketty Bertossi)

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www.bblackboxx.ch, Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel. Geöffnet freitags und samstags und unter der Woche unregelmässig.

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