In Birsfelden fehlen die Visionen

Birsfelden hat finanzielle Probleme – was die Gemeinde retten könnte, ist das Hafenareal. Aber der Kanton lässt dort lieber wertschöpfungsarme Industrie sich ausbreiten statt den exlusiven Standort für visionäre Projekte zu nutzen, sagt Christoph Meury. Der Leiter des Theater Roxy stellt seine Vision im Gastkommentar vor.

(Bild: Nils Fisch/Hans-Jörg Walter)

Birsfelden hat finanzielle Probleme – was die Gemeinde retten könnte, ist das Hafenareal. Aber der Kanton lässt dort lieber wertschöpfungsarme Industrie sich ausbreiten statt den exlusiven Standort für visionäre Projekte zu nutzen, sagt Christoph Meury. Der Leiter des Theater Roxy stellt seine Vision im Gastkommentar vor.

Die kommende Wahl des Gemeindepräsidenten in Birsfelden stellt mich vor ein grösseres Problem: Ich kenne zwar die beiden Protagonisten, habe aber keine Ahnung, für welche politischen Programme die beiden Herren stehen. Sie können mir auch keinesfalls aufzeigen, welche Ideen, Konzepte und Visionen sie für Birsfelden verfolgen. Man will einfach Gemeinderat oder -präsident werden und hofft, dass sich der Rest ergibt. Das ist mir zu wenig…

Hier meine Vision für ein Grossprojekt für Birsfelden. Der Text wurde in ähnlichem Wortlaut in der «Basellandschaftlichen Zeitung» vom 15. Dezember 2012 abgedruckt: «Blätzbums wird zum Konzert-Mekka oder Birsfelden erhält unverhofft einen Musik-Campus».

Endlich wieder einmal positiv denken. Endlich einen konstruktiven Kultur-Vorschlag machen. Mit kritischen Positionen machst du dich unbeliebt und wirst abgemahnt. Also! Die beiden Kantone Baselland und Basel-Stadt brauchen eine neue Konzerthalle. Sie brauchen entsprechend auch ein neues Musik-Mekka-Image. Die Stadt will schon lange das Stadtcasino ersetzen und schlägt sich aktuell immer noch mit dem Kollateralschaden des nicht realisierten Zaha Hadids-Baues respektive der gescheiterten Abstimmung herum und laviert zwischen einer Sanierung und einem Eventual-Neubau. Alternativ wollte ein kleiner Teil der Baselbieter Regierung eine Eventhalle in Muttenz realisieren. Machen wir also einen Schritt vorwärts und lösen den Problem-Stau mit einem gemeinsamen Projekt.

Ich schlage vor, eine neue Musikhalle, einen neuen Musikkomplex, im Stile des Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL), zu realisieren. Ich habe dafür einen exklusiven Standort «eruiert». Die Adresse klingt poetisch und vielversprechend: Sternenfeldstrasse – sie liegt in Birsfelden. Vermutlich eine ehemaligen Anrainerstrasse zum Sternenfeld-Flugfeld (früher der regionale Zeppelin-Landeplatz). Der potentielle Bauplatz für das grossartige Bauwerk liegt zwischen der Kraftwerk-Anlage, dem Hafenareal und der angrenzenden Jowa-Fabrik der Migros (die Bäckerei mit Leib und Seele…).

Das Areal liegt direkt am Rhein und korrespondiert symbolträchtig und offen mit dem Rhein und repräsentiert damit eine gewisse weltmännische Grandezza. Zudem liegt das Areal in der Verlängerung einer grossartigen, architektonisch und technisch interessanten Anlage, dem Kraftwerk Birsfelden.

Einer Anlage, welche Anfang der Fünfziger Jahre (1954) von Hans Hofmann geplant und realisiert wurde. Das gewaltige und architektonisch wertvolle Ensemble, welches eine wunderschöne Turbinenhalle, Schiff-Schleusen und Anlegestellen für Schiffe und diverse Annex-Gebäude für Verwaltung und Technik umfasst, ist in der Gesamtanlage, in seiner Grösse und in der Gesamtkonzeption einmalig und ein architektonisches Juwel. Die lichtdurchflutete Halle leuchtet weit nach Basel und ist als Riegel im Rhein ein wuchtiges und unverzichtbares Wahrzeichen von Basel-Stadt geworden.

An diesem spannenden Ort könnte die neue Konzerthalle als singulärer Bau, als Architekturskulptur mit grosser Ausstrahlung, gebaut werden. Das Areal ist prädestiniert, den Damen und Herren Zaha Hadid, Norman Forster, Frank O’Gehry, Renzo Piano, Herzog & de Meuron, neu auch: Boltshauser Architekten aus Zürich («Seacliff») für architektonisch Grossartiges zu dienen. Hier könnten sie ein richtig heftiges Architektur-Signal setzen. Ein Tourismusmagnet der Sonderklasse.

Die offene Umgebung lässt es zu, dass dieser Bau genügend Luft und Raum zum Atmen hätte. Ein Gebäude, welches sich, sowohl architektonisch, wie auch musikalisch in voller und majestätischer Grösse entfalten könnte.

Das ehemalige Sternfeld als Flugplatz steht leider nicht mehr zur Verfügung. Die Musikerinnen und Musiker hätten sonst mit dem Zeppelin direkt vor der Haustür landen können. Aber dieser Pionier-Geist, welcher eng mit dem ehemaligen Zeppelin-Landeplatz verbunden ist, schwebt in unmittelbarer Umgebung, quasi im Ätherraum und würde diesem Projekt ebenfalls Bedeutung einhauchen. Das Areal, ausserhalb der Stadt, hat Vorteile, welche in der Stadt (warum muss Basel eigentlich alle seine Kulturbauvorhaben in der engen Altstadt abhandeln?) nie zu finden sind: Die Sternenfeld-Strasse ist unmittelbar an die Autobahn angeschlossen und damit können die Cars mit den anreisenden Gästen direkt vorfahren, die Tram Nr. 3 müsste adäquat so verlegt werden, dass sie an diesem neuen Gebäude vorbeiführen würde, der neue Konzertsaal könnte ebenfalls exklusiv (direkt ab der «Schifflände») mit dem Schiff erschlossen werden, auch mit dem Velo kann man das neue Kulturzentrum, die «Sternenfeld-Music Hall», ebenfalls in lockerer Fahrt dem Rhein entlang erreichen.

Das Projekt könnte ein klassisches Aufbruch-Projekt zwischen Basel-Stadt und dem Kanton Baselland werden. Die Chancen sind einmalig. Baselland stellt das Land sowie die notwenigen Zonenänderungen und der infrastrukturellen Entwicklung (Tramverlängerung, etc.) zur Verfügung (die Baselbieter haben ja jetzt für einen markanteren kulturellen Einsatz kein Geld mehr, nachdem sie über 550 Millionen in die H2 – Hochleistungsstrasse zur Umfahrung der Rheinstrasse zwischen Pratteln und Liestal –  gesteckt haben) und die Stadt erstellt somit den Bau des neuen Konzerthauses. Damit könnten die beiden Kantone eine gemeinsame Musikhalle als Architektur-Juwel realisieren.

Das Quartier um das Sternenfeld und die Birsfelder Hafenanlagen würden dabei massiv und nachhaltig aufgewertet. Die Architekten hätten einen einmaligen, stadtnahen Standort, auf dem sie ihre volle Architektur-Kunst ausleben könnten. Hier könnte der Bau (im Gegensatz zum Barfüsserplatz) gewinnbringend atmen und er würde eine Ausstrahlung entwickeln, welche einmalig und exklusiv wäre.

Besuchen Sie das am Rhein liegende Gelände bei einem nächsten Sonntagsausflug. Mein selbstherrlich definiertes Frei-Gelände liegt direkt am Wasser (-> Schleusenweg). In ihrer Fantasie wird das neue Gebäude (nehmen Sie das Modell von Zaha Hadid mental als Vorlage) in völlig neuem Licht und Glanze aufsteigen. Wir könnten endlich ein gemeinsames urbanes BL/BS-Projekt realisieren. Ein Partnerschaftsprojekt, welches nicht nur in einen schlappen und ungeliebten Geldtransfer mündet, sondern ein richtiges und heftiges Architektur-Kunstwerk generieren könnte.

Christoph Meury hat das «kleinkarierte, politische Geplänkel» in Birsfelden bereits bei unserem ersten Artikel zur Gemeindewahl kommentiert: «Eine Gemeinde in Aufruhr».

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