In den Fängen der Heimatschützer

Die Welt ist komplex, darum wenden wir uns ab von ihr – doch Abschottungsinitiativen schaden der Schweiz mehr, als sie nützen.

Uferschwalbe, Ufer-Schwalbe (Riparia riparia), Einflug im Fangnetz, Litauen, Windenburg [BLWS108676.jpg [ (c) blickwinkel/M. Henning Tel. +49 (0)2302-2793220, E-mail: info@blickwinkel.de, Internet: www.blickwinkel.de; Veroeffentlichung nur gegen Honorar, Urhebervermerk und Belegexemplar; Konto: Sparkasse Witten, BLZ 452 500 35, Konto-Nr. 140 357 60 ]] (Bild: M. Henning)

Die Welt ist komplex, darum wenden wir uns ab von ihr – doch Abschottungsinitiativen schaden der Schweiz mehr, als sie nützen.

Immer mehr Menschen in der Schweiz bangen um ihre Heimat. Es ist ein diffuses Gefühl des Ausgeliefertseins. Eine Angst vor Verlust der Selbstbestimmung, Verlust des Wohlstands. Politische Vorstösse, die versprechen, die «schöne Schweiz» zu schützen und zu bewahren, haben derzeit gute Chancen, Mehrheiten zu finden. Besonders dann, wenn sie einen Sündenbock präsentieren, den man mit seinem Votum an der Urne abwehren und aussperren kann.

Das Land wird immer weiter zu­betoniert und trotzdem gibt es in der Stadt wenig freie Wohnungen. Wer «Dichtestress» erleben will, muss sich nur zur Rushhour auf die Passerelle im Bahnhof SBB begeben.

Ein Zeichen setzen

Vor diesem Hintergrund stimmten viele für die Masseneinwanderungsinitiative. Das gleiche Gefühl wird auch der Ecopop-Initiative Stimmen bringen. Das Votum gegen die Einwan­derung lautet: «Jetzt reichts!» Viele wollen ein Zeichen setzen gegen das fort­währende Wachstum. Es fliessen verschiedene Strömungen zusammen: Fremdenfeindlichkeit, Umweltschutz und Wachstumskritik finden in der Initiative einen gemeinsamen Nenner.

Überfordert von der Komplexität der Welt, wenden viele sich ab von ihr. Das hat im Moment der Stimmabgabe befreiende Wirkung, führt in der Folge aber zu neuen Problemen und Sachzwängen. Denn die vermeintliche Lösung schadet oft mehr, als sie nützt. Die Wirtschaft und gerade kleinere Unternehmen leiden unter der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative. Wer damals Ja sagte, wollte damit bestimmt nicht das Geschäft der Bühlmann Laboratories in Schönenbuch sabotieren. Doch genau das gehört zu den Folgen von politischen Entscheiden, die aus Angst oder Frust gefällt werden, statt nach sachlichem Abwägen mit klarem Verstand.

Wir diskutieren, wie viele Menschen die Schweiz fassen kann und ob eine Beschränkung der Zuwanderung Wohlstand und Landschaft bewahren kann. Doch Lebensqualität lässt sich nicht hinter Schutzwällen erhalten. Der Gang der Dinge macht nicht vor Grenzen halt. Eigentlich sollte es gerade den ­Naturschützern von Ecopop ein­leuchten: Den Lauf der Welt kann das Schweizer Stimmvolk so wenig steuern wie den Flug der Zugvögel. Der Mensch spannt Netze und will so in die Natur eingreifen. Die Zugvögel fliegen jedoch nicht einfach blind in die Falle, sondern finden neue Routen, um ihrer Freiheit zu folgen.

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