Eine Reise nach Poschiavo lohnt sich auch im Winter. Selbst dann, wenn gar kein Schnee liegt. Dank rauer Natur, klassizistischer Architektur und würziger Salametti.
Eigentlich wollen wir in Poschiavo den Winter erleben: Schneeschuhwandern am Berninapass, Skifahren auf der Diavolezza, Glühweintrinken an der selbstgebauten Schneebar.
So ungefähr sieht unser (Spiel-)Plan aus. Nur Frau Holle spielt nicht mit.
Doch eine winterliche Reise in den äussersten, italienischsprachigen Zipfel des Kantons Graubünden lohnt sich auch dann, wenn kein Schnee liegt.
Die sagenhafte Anreise mit der Bahn
Da wäre etwa die Anreise mit der Rhätischen Bahn, entlang der Albula- und Berninalinie: Das 65 Meter hohe Landwasserviadukt, die Kehrtunnels zwischen Bergün und Preda oder die Fahrt entlang des zugefrorenen Lago Bianco auf dem Berninapass machen diese Reise zum sagenhaften Erlebnis.
Schlittler auf dem Weg von Bergün nach Preda – dem Schneemangel zum Trotz. (Bild: Lukas Tschopp)
Im Wochenendlich-Beitrag zum italienischen Städtchen Tirano (etwas weiter südlich von Poschiavo gelegen) gibts ein Filmchen zur Fahrt auf dieser Strecke, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählt.
Poschiavo erwartet uns bei frühlingshaften 13 Grad. Die Wiesen sind grün, das Wetter leicht bewölkt. Ideale Bedingungen für einen Dorfrundgang also.
Blick von der am Fluss Poschiavino gelegenen Casa Surcà in Richtung Dorf. (Bild: Ivo Stani)
Der vornehm-elegante Dorfkern
Auf der Piazza, der Plaz da Camün, verleihen herrschaftliche Patrizierhäuser dem Dorfbild eine vornehme Eleganz. Die Häuser wirken mit ihren Balkonen, Bogenfenstern und ornamentreichen Fassaden fast schon kulissenhaft.
Blick auf die herrschaftlichen Patrizierhäuser im Dorfzentrum von Poschiavo. (Bild: Lukas Tschopp)
Noch schmucker wird’s an der Via di Palaz am Südrand von Poschiavo: Im 1000 Meter über Meer gelegenen Bergdorf wähnt man sich plötzlich in einer Seitengasse Barcelonas. «Spaniolenviertel» wird diese Strasse auch genannt, wo sich im klassizistischen Stil erbaute Palazzi aneinanderreihen.
Nicht von schlechten Zuckerbäckern
Mitte des 19. Jahrhunderts als Plansiedlung angelegt, stehen die Palazzi für einen zwischenzeitlichen Wirtschaftsaufschwung: Auf der Flucht vor Armut und Kälte versuchten sich einige Poschiaviner in Spanien als Zuckerbäcker und Cafetiers. Die Erfolgreichen unter ihnen kehrten wohlhabend nach Poschiavo zurück und liessen diese architektonischen Kunstwerke errichten.
Die Palazzi der Zuckerbäcker an der Via di Palaz. (Bild: Lukas Tschopp)
Auch in kulinarischer Hinsicht hat Poschiavo so einiges zu bieten: Pizzocheri etwa, ein schmackhafter Eintopf aus Buchweizennudeln, Gemüse, Kartoffeln, Käse und Salbei. Oder die Capunet, mit Käse angerichtete Spinatspätzli.
Wohlgenährt gehts am nächsten Tag auf einen Streifzug durchs grüne Tal, hinauf zum Weiler Cologna, hinunter zum Lago di Poschiavo, dann dem See entlang bis nach Miralago. Dort gibts im gleichnamigen Restaurant heisse Schokolade und Weihnachtsguetzli.
Eine heisse Schokolade in der Albergo Miralago wärmt auf – beim Trinken geniesst man erst noch Seesicht. (Bild: Lukas Tschopp)
Das Anisbrot und die frische Salametti
Unterwegs begegnet man immer mal wieder einem Crot: Eine runde, aus Trockenmauern zusammengebaute Steinkonstruktion, die als Kühlschrank zur Lagerung von Milch oder Gemüse dient.
Kühlschrank, made in Poschiavo: Das kuppelgewölbte Crot. (Bild: Lukas Tschopp)
Tipp: Als Proviant unbedingt eine Brasciadela (ein Poschiaviner Ringbrot mit Anis) und eine frische Salametti aus der Dorfmetzgerei in den Rucksack packen.
- Schlafen: Für grössere Gruppen empfiehlt sich das Ferienhaus Casa Surcà, für Gutbetuchte das Hotel Le Prese, weiter auch das Hotel Albrici an der Plaz da Camün.
- Essen: Selbstgemachte Capunet gibts etwa im Ristorante Motrice (am Vortag vorbestellen), Pizzocheri im Hotel Foppoli, Salametti in den Metzgereien Lardi oder Zanetti.
- Trinken: Als Zeitvertreib zwischen Wanderung und Abendessen bietet sich eine Weindegustation in der modern-rustikalen Weinbar Hostaria dal Borgo an.
Artikelgeschichte
Schlittler auf dem Weg von Bergün nach Preda – dem Schneemangel zum Trotz. (Bild: Lukas Tschopp)