Die indigenen Völker Alaskas und Hawaiis wollen über ihre Selbstbestimmung abstimmen. Das soll im Rahmen des Dekolonisationsverfahrens der Uno organisiert werden. Einen ersten Schritt dazu erzielten sie nun in Genf.
Die indigenen Völker Alaskas und Hawaiis fordern von den Uno-Mitgliedstaaten, die Abhaltung eines Referendums über ihre Selbstbestimmung zu beschliessen. Dies soll im Rahmen des Uno-Dekolonisationsverfahrens stattfinden. Dazu wollen sie wieder auf die Uno-Liste der nicht-selbst-regierten Territorien gesetzt werden, also der Kolonien.
Ihre Forderung nach Selbstbestimmung konnte die Alaska-Hawaii-Allianz nun erstmals in die periodische Prüfung der Menschenrechtslage der USA einbringen, die am Montag am Uno-Sitz in Genf stattfand.
Manipulierte Abstimmungen
Alaska und Hawaii wurden nach Volksabstimmungen 1959 als Bundesstaaten in die USA aufgenommen. Danach strich die Uno-Vollversammlung Alaska und Hawaii von der Liste der nicht-selbst-regierten Territorien, die unter Uno-Supervision stehen. Diese Streichung sei von den USA durch Betrug erzielt worden, denn an den Volksabstimmungen hätten vor allem US-Soldaten und -Bürger teilgenommen, macht die Allianz geltend: «Den indigenen Völkern wurde dabei das Recht auf Selbstbestimmung verweigert.»
Aufgrund der Uno-Charta (Artikel 73) und entsprechender Resolutionen müssen Völker in nicht-selbst-regierten Territorien die Möglichkeit haben, die Selbstbestimmung zu verlangen, sei es durch Unabhängigkeit, freie Assoziierung oder Integration. «Die ersten beiden Optionen haben die Völker Alaskas und Hawaiis nicht gehabt», betonte die Allianz, für die Alaska und Hawaii nie rechtmässige US-Territorien waren. Die USA hätten sie völkerrechtswidrig erworben.
«Hawaii war damals ein Königreich und ist es immer noch.»
Sowohl in Alaska als auch in Hawaii habe es eigene Regierungen gegeben, die Kontakt mit dem Ausland hatten. Als die USA Alaska 1867 von Russland abkauften, stellte der Vertrag laut der Allianz keine Übertragung der Souveränität Alaskas an die USA dar. «Frankreich und Grossbritannien etwa haben weiter direkt mit Alaskas indigenen Völkern verhandelt», sagt Ronald Barnes, Botschafter der indigenen Völker Alaskas in Genf.
Und mit der Invasion von Hawaii 1893 verletzten die USA die souveräne Integrität eines völkerrechtlich anerkannten Staates. «Hawaii war damals ein Königreich und ist es immer noch», sagt dessen Aussenminister Leon Kaulahao Siu. Das Königreich Hawaii hatte Verträge mit 46 andern Staaten abgeschlossen, darunter mit der Schweiz, die weiterhin gültig seien. Heute bestehen Verträge mit insgesamt 173 Staaten, da einige frühere Kolonien inzwischen unabhängig wurden.
Die fehlende Selbstbestimmung hatte direkte Auswirkungen für die Bevölkerung. «Nach der Besetzung Hawaiis unterdrückten die USA unsere Sprache, Musik, Tänze – ausser für den Tourismus», sagte Siu. «Dies ermöglichte es uns schliesslich, unsere Kultur seit den 1960er-Jahren wieder aufzubauen.» Die Selbstbestimmung der Hawaiianer wird laut Siu auch durch die Militärbasis von Pearl Harbour beeinträchtigt, der zweitgrössten ökonomischen Aktivität auf der Insel nach dem Tourismus. «Wir wollen nicht Teil dieser Waffenmaschinerie sein», sagt Siu.
«Eine Prüfung der Situation von Hawaii und Alaska unter Völkerrecht wird zeigen, dass beide unabhängige Staaten von Völkern sind.»
Leon Kaulahao Siu
In Alaska beabsichtigen die USA und internationale Konzerne noch mehr Öl und Gold zu fördern, wobei nach den Worten von Barnes das Grundwasser verschmutzt wird. Seit bald 30 Jahren setzt sich das Gwich’in-Volk im Norden Alaskas bisher erfolgreich dafür ein, dass in der Küstenebene des riesigen Tierschutzgebietes Arctic National Wildlife Refuge in der Tundra kein Öl gefördert wird.
In dieser Küstenebene kalben jeweils Tausende Karibus. «Das Tierschutzgebiet ist eine Art nördliche Serengeti», sagte Sarah James vom Gwinch’in Steering Committee. Auch Tausende Zugvögel lassen sich dort jeweils nieder. Der Kampf für den Naturschutz ist jedoch noch nicht ausgefochten.
Auf dem Verhandlungstisch
Am Montag empfahl Pakistan den USA während der Debatte über deren Menschenrechtslage, dem Vorschlag von Alfred-Maurice de Zayas, dem unabhängigen Uno-Experten für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, zu entsprechen. Dieser hatte sich 2013 dafür ausgesprochen, dass sich das Dekolonisationskomitee der Uno-Vollversammlung mit dem Kolonialismus in den Fällen von Alaska und Hawaii (sowie auch den Lakota (Sioux)-Nationen) befasst. Damit würde die Forderung nach Selbstbestimmung unter Völkerrecht geprüft und nicht unter nationalem Recht, wie das die USA verlangen.
«Wir sind erfreut, dass ein Staat, Pakistan, unsere Anliegen auf den Tisch brachte», sagte Barnes. «Eine Prüfung der Situation von Hawaii und Alaska unter Völkerrecht wird zeigen, dass beide unabhängige Staaten von Völkern sind», ergänzte Siu.
Die Uno-Generalversammlung kann die Frage des Status eines Territoriums erneut aufwerfen. So beschloss sie etwa 1986, Neukaledonien gegen den Willen Frankreichs wieder auf die Liste der nicht-selbst-regierten Territorien zu setzen. Im Jahr 2013 folgte Französisch-Polynesien. Bis Hawaii und Alaska Thema werden, dürfte es allerdings noch weitere Lobbyarbeit benötigen.