Der ehemalige Hello-Finanzchef soll den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung mit geschönten Zahlen getäuscht haben, behauptet der CEO der Fluggesellschaft. Doch die Indizien zeigen ein anderes Bild.
Nicht wie erwartet ein paar Millionen Franken, sondern praktisch gar kein Geld sei noch auf den Bankkonten der Fluggesellschaft vorhanden gewesen. Doch der Verwaltungsrat der Fluggesellschaft habe dies erst gemerkt, nachdem er eigene Untersuchungen eingeleitet habe, fasst der «Tages-Anzeiger» (Artikel online nicht verfügbar) Robert Somers Aussagen zusammen, CEO der Airline Hello, die seit Sonntagabend gegroundet ist. Somers wirft seinem ehemaligen Finanzchef vor, Zahlen manipuliert und geschönt zu haben. Gegenüber der «Basler Zeitung» bekräftigte CEO Somers seinen Vorwurf: Es sei eine Tatsache, dass der Finanzchef Zahlen «gefälscht» habe.
Der Angeschuldigte selbst erklärte bereits gestern Dienstag der TagesWoche: «Ich möchte klar festhalten, dass ich den Vorwurf der betrügerischen Machenschaften, inklusive der persönlichen Bereicherung, mit aller Entschiedenheit von mir weise. Zu den schwerwiegenden und pauschalen Anschuldigungen gegenüber meiner Person kann ich nicht und bin ich im Moment nicht in der Lage, inhaltlich Stellung zu nehmen.» Und dies hat einen simplen Grund: Was ihm der CEO genau vorwirft, weiss er bis heute nicht. Von den Vorwürfen erfahren hat er erst aus den Medien.
Trotz schwerer Vorwürfe keine Anzeige
Angenommen der Vorwurf trifft zu – weshalb reichte dann die Fluggesellschaft gegen ihren ehemaligen Finanzchef keine Strafanzeige ein? Wenn er tatsächlich mit geschönten Zahlen den Niedergang der Hello beschleunigte, hätte ihn die Fluggesellschaft doch anzeigen müssen, um ihn auch in die Pflicht nehmen zu können. Somers sagte der TagesWoche, die Firma habe deshalb mit einer Anzeige zugewartet, weil sie sich zuerst einen Überblick über die Situation verschaffen und den Angeschuldigten mit den Vorwürfen konfrontieren wollte. Zuerst konfrontieren? Da stellt der CEO seinen ehemaligen Finanzchef öffentlich an den Pranger und will ihn dann, nachdem der Schaden angerichtet ist, noch mit den Vorwürfen konfrontieren?
Inzwischen ist das auch gar nicht mehr nötig, denn die Staatsanwaltschaft ist bereits in die Bresche gesprungen. Aufgeschreckt durch die zahlreichen Presseberichte, leitete sie ein polizeiliches Ermittlungsverfahren ein. Denn besteht der Verdacht betrügerischer Machenschaften, muss die Untersuchungsbehörde – wie bei jedem Offizialdelikt – von sich aus ermitteln. Die Untersuchung richtet sich ausdrücklich nicht nur gegen den ehemaligen Finanzchef, sondern gegen «alle damit befassten Personen», wie René Gsell, Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft ausführt.
Empfohlen von Suter und Somers
Das ist nicht die einzige Ungereimtheit in dieser Geschichte: Gewählt hat der Verwaltungsrat den Finanzchef vor gut drei Jahren auf die ausdrückliche Empfehlung von CEO Robert Somers und Verwaltungsratspräsident Moritz Suter, wie dem Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 8. Januar 2009 zu entnehmen ist. Zuvor war der Finanzchef jahrelang in verschiedenen leitenden Positionen für eine Firma in der Region Basel tätig. Kadermitarbeiter aus dieser Zeit erinnern sich an einen integren und korrekten Chef. Keine Spur von kreativer Buchhaltung. Bereits am Montag berichtete der «Tages-Anzeiger» zudem, der ehemalige Finanzchef habe gegenüber den Mitarbeitern nichts beschönigt, sondern im Gegenteil bereits vor einem Jahr vor Einnahmeausfällen von 19 Prozent und einem schwierigen Geschäftsgang gewarnt.
Gegenwärtig spricht einiges dafür, dass der Verwaltungsrat im ehemaligen Finanzchef einen Südenbock gefunden hat und nur weniges dagegen.