Inside Stay Behind

Bislang unter Verschluss gehaltene Dokumente belegen: Die Luxemburger Geheimarmee «Stay Behind» war bei weitem kein schlafendes Netzwerk.

«Spy and Spy», der Comic war vor dreissig Jahren ein Renner im Satiremagazin «Mad». (Bild: Antonio Prohías)

Bislang unter Verschluss gehaltene Dokumente belegen: Die Luxemburger Geheimarmee «Stay Behind» war bei weitem kein schlafendes Netzwerk.

Eisenbahner, Handwerker, Staats- und Privatbeamte, ein Ingenieur, ein ehemaliger Lehrer, ein pensionierter Landwirt. Aus Clerf, Kayl, Fouhren, der Hauptstadt – die Mitglieder der Luxemburger Geheimarmee «Stay Behind» wohnten über das ganze Land verteilt. Sie waren stets verheiratet, meist mit Kindern und hatten unauffällige Berufe. In einem «Top Secret»-Dokument, das RTL Luxemburg – als eines von vielen –  veröffentlichte, ist die Struktur des SB in Luxemburg aufgelistet.

Anforderungen: Patriotismus und Hass

Geführt wurde die Truppe von zwei Instruktoren, die Geheimdienstmitglieder waren. Angeworben worden zu sein scheinen die Leute von drei «ex-organisateurs (chargés du recrutement des agents)». Die Berufe dieser Leute: ein Angestellter einer Treibstofffirma, bei dem vermerkt ist, dass er ein Bekannter von «M. Santer» sei (dem ehemaligen Premierminister), ein Versicherungsdirektor und … ein Pfarrer.

Wie aus weiteren Dokumenten hervorgeht, mussten sich die Leute verpflichten, sicherheitsrelevante Dokumente und Informationen niemals an Unbefugte weiterzugeben. Ansonsten drohe ihnen Strafverfolgung. Das ideale Profil der SB-Agenten wird wie folgt beschrieben: «Patriotisme, haine personnelle froide de l‘ennemi. Un agent travaillant pour de tels motifs est toujours excellent». Also: Patriotismus und kalter, persönlicher Hass auf den Feind.

Die Agenten mussten unbescholtene Luxemburger sein, diskret, was ihre Überzeugungen anbelangt und überhaupt so unauffällig wie möglich. Interessant ist auch, wie es zum Kontakt zwischen Agentenführer und potenziellen Mitarbeitern kam. Die Leute, deren Umfeld im Vorfeld eingehend geprüft wurde, wurden von einem «indicateur» zu einem Rendez-vous gebeten. Nach einem erklärenden Gespräch holte der Agentenführer ein «accord de principe» von dem Rekruten ein und gab ihm einige Bedenktage, um sich definitiv zu entscheiden.

Wer mit an Bord war, musste während ein bis zwei Jahren wöchentlich für ein Training zur Verfügung stehen. Auf dem Programm: «Organisation und Leitung eines geheimen Netzwerkes, individuelle und kollektive Sicherheit, konspiratives Verhalten, Kommunikation, technische Übermittlung, Kartenlektüre, Bewaffnung, praktische Übungen.» Unter «technisches Training» fallen auch «verdecktes Eindringen», «geheime Überwachung», «Alibis» und «Bewaffnung und Schiessen».

Internationale Übungen

Nach zwei Jahren gab es dann nur mehr «cours de rappel» (einen WK) alle zwei Monate. Und es gab Übungen. Davon reichlich. Dokumente belegen, dass es allein drei im Jahr 1985 gab, dem Jahr, in dem die «Bommeleeër» am aktivsten waren. Immer fanden die «Manöver» im Zusammenspiel mit anderen Geheimdiensten statt.

In dem wohl letzten Antrag von Ex-Geheimdienstchef Charles Hoffmann an Premier Jacques Santer für die Teilnahme des Luxemburger SB an einer internationalen Übung zwischen dem 1. und 14. Oktober 1990 heisst es etwa: «L’exercice se déroulera partiellement sur le territoire luxembourgeois et consistera en plusieurs opérations, à savoir: une infiltration de deux clients belges par la voie terrestre; divers transferts à l‘intérieur du Grand-Duché; un séjour clandestin dans une maison sûre; une exfiltration des deux clients par la voie aérienne» (Übersetzt: «Die Übung findet teilweise auf Luxemburger Boden statt und hat mehrere Teile, beispielsweise: Die Infiltration zweier Belgier auf dem Landweg, verschiedene Durchquerungen des Grossherzogstum, heimlicher Aufenhalt in einem sicheren Haus und die Ausschaffung zweier Belgier auf dem Luftweg.»).

Einen Monat später musste die Luxemburger Regierung die Existenz eines «Stay Behind» im Grossherzogtum zugeben. Premier Jacques Santer zeigte sich überrascht. Affaire à suivre.

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