Neue Querelen schütteln die Leitung der BVB. Verwaltungsratspräsident Paul Blumenthal steht in der Kritik. Doch hinter den vermeintlichen Skandalen stecken handfeste, sehr persönliche Motive.
Die Spirale bei den Basler Verkehrsbetrieben dreht sich wieder. Unten fördert sie Dreck zutage, oben schleudert sie die Manager aus dem Betrieb. Zumindest hoffen das jene, welche wieder an der Eskalation schrauben. Zur Ruhe sind die BVB nie gekommen nach den Skandalen vor vier Jahren, als Millionenaufträge ohne Ausschreibung ans Licht kamen sowie Vetternwirtschaft, ungebührliche Privilegien, sexuelle Belästigung.
Doch war die Sachlage damals erschütternd und klar, so ist sie heute schwer zu fassen.
Die neuste Kontroverse findet auf dem privaten Blog von Grünen-Grossrat Michael Wüthrich statt. Dort liefert sich Wüthrich einen seltsam heftigen Schlagabtausch mit dem Verwaltungsratspräsidenten der BVB, mit Paul Blumenthal. Im Kern der komplizierten Geschichte geht es um angeblich falsch abgerechnete Mehrwertsteuer auf Blumenthals Honorar. Darüber schrieb die «Basler Zeitung» vor ein paar Tagen.
Schwere Vorwürfe
Wüthrich wirft nun Blumenthal öffentlich vor, er habe damit Steuern optimiert und er habe die BVB geschröpft. Er fragt: «Ist er überhaupt noch zu halten?»
Der Angeschuldigte erklärt sich in einer bemerkenswerten per Mail eingereichten Replik und droht dem Grünen-Politiker mit rechtlichen Schritten wegen Verleumdung. Das Dossier Wüthrich, erklärt der BVB-Präsident auf Anfrage, liege bei seinem privaten Anwalt zur Prüfung.
Vordergründig geht es in der Affäre um finanztechnische Details, um wenig bis nichts. Tatsächlich aber stecken ein langer Konflikt dahinter, erlittene Kränkungen und offene Rechnungen. Wüthrich ist nur einer der Akteure in dieser Geschichte, die anderen heissen Nadine Gautschi, vom Grossen Rat in den Verwaltungsrat delegierte FDP-Politikerin, und José Gonzalez, Chef-Controller beim Bau- und Verkehrsdepartement.
Lange Fehde
Bei Wüthrich aber ist der Konflikt mit Blumenthal und mit Bau- und Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels am ausgeprägtesten. Als Präsident der Umwelt- und Verkehrskommission sollte er eigentlich Zurückhaltung zeigen, die BVB zählen zu den wichtigsten Geschäften seiner Kommission. Doch seit seiner Ausbootung nach den Skandalen von 2013, als er sein Amt als Verwaltungsrat abgeben musste, führt er eine Dauerfehde.
Vordergründig verständlich. Wüthrich hatte massgeblich dazu beigetragen, dass damals die Skandale an die Öffentlichkeit gelangten. Er versteht sich heute als Whistleblower, als Königsmörder, der von Wessels für seine Taten bestraft wurde. So kann man die Sache sehen, aber auch ganz anders: Michael Wüthrich sass seit der Auslagerung der BVB aus der Verwaltung 2006 im Verwaltungsrat. Unter seiner Aufsicht ging sehr vieles schief, folgerichtig musste er abtreten.
Vermutlich sind beide Deutungen irgendwo richtig, sicher haben die Ereignisse spürbare Verletzungen zurückgelassen.
Jahrelang festgewachsene Missstände
Um erlittene Kränkung geht es auch bei José Gonzalez, dem bisherigen Vertreter des Eigners, also des Kantons, bei den BVB. Gonzalez ist eine zentrale Figur der jüngsten BaZ-Berichterstattung über die BVB.
Gonzalez wechselte 2013 nach eindrucksvoller Karriere in der Pharmaindustrie ins BVD und wurde Finanzchef des riesigen Departements. Er erarbeitete sich bald den Ruf eines knochenharten, unbeirrbaren Controllers. Sinnigerweise setzte ihn Wessels auf die BVB an, um dort die jahrelang festgewachsenen Missstände zu untersuchen und zu beheben.
Bei der Mehrwertsteuer-Sache nun war Gonzalez erneut Ankläger. Er kritisierte Blumenthals Praxis als rechtswidrig, sie wurde geändert – und Monate später tauchte die Info in der BaZ auf. Im Verwaltungsrat, heisst es im Gremium, hält man nicht viel von Gonzalez, man vermutet ihn auf einem Feldzug gegen Blumenthal.
Vielleicht ist er aber auch einfach der besonders kritische Aufpasser, der er immer schon war?
Als Finanzchef abgeblitzt
Die BVB und Gonzalez begegneten sich auch schon auf andere Weise. Als der ÖV-Betrieb 2014 einen neuen Finanzchef suchte, bewarb sich Gonzalez um die Stelle. Er kam in die engere Auswahl, doch am Schluss zog man ihm Stefan Popp vor, den man vom staatsnahen Energieversorger IWB holte. Verwaltungsratspräsident Blumenthal besiegelte die Anstellung von Popp, und bei Gonzalez, so schildert das ein Verwaltungsrat der BVB, blieben ungute Gefühle zurück.
Wessels hat ihn jedenfalls von den BVB abgezogen, auch darüber schrieb die BaZ und mutmasste eine Strafaktion von Wessels, um seinen Vertrauten Blumenthal zu schützen. Das klingt durchaus plausibel, aber es gibt auch eine zweite, weniger spektakuläre Erklärung. Die grössten Altlasten, die derzeit im Verwaltungsrat angegangen werden, sind personalrechtliche Probleme. Es geht um alte Privilegien der Trämmler wie das generöse Ausbezahlen von Überzeit, die im Konflikt mit dem Personalrecht des Kantons stehen. Um diese komplizierten Fragen zu klären, ersetzte Wessels Gonzalez mit seinem Personalchef Peter Erismann.
Der Ruf von Gonzalez bei den BVB, aber auch im Bau- und Verkehrsdepartement hat gelitten. Intern vermutet man ihn als Quelle diverser Indiskretionen an die Medien. 2015 wurde er wegen des Vorwurfs der Amtsgeheimnisverletzung sogar vor Gericht gestellt, die Staatsanwaltschaft glaubte, er stecke hinter der Affäre ums Schwedenreisli. Gonzalez wurde freigesprochen, doch das Misstrauen wurde er nie mehr los.
Neue Ermittlungen
Seit Anfang Jahr ermittelt die Staatsanwaltschaft wieder wegen Amtsgeheimnisverletzung, allerdings vornehmlich in der Führungsriege der BVB. Es geht um Geheimnisverrat im Kontext der Verlängerung der Tramlinie 3 nach Frankreich. Resultate liegen laut Staatsanwaltschaft noch keine vor, ob es je welche geben wird, ist unklar.
Im Fokus der laufenden Untersuchung steht ein internes Dossier der BVB, welches von der privaten Detektei Nodon im Auftrag der BVB-Leitung angefertigt wurde. Diese ermittelte erst auf eigene Faust gegen die Maulwürfe, bevor sie die Stawa einsetzte. Auf eine Person richtete sich besonders viel Aufmerksamkeit der privaten Schnüffler: Verwaltungsrätin Nadine Gautschi. Die FDP-Frau wurde vom Grossen Rat in den Verwaltungsrat geschickt.
Sie verteidigt sich vehement gegen den Vorwurf, Informationen weitergegeben zu haben:
«Im Moment läuft dazu eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft, der ich auch sehr entspannt entgegensehe. Schon bei der Nodon-Untersuchung wurde klar, dass die meisten der angeblich unrechtmässig veröffentlichten Informationen mir auch erst durch die Medien bekannt wurden.»
Den Vorwurf, sie würde im Verborgenen gegen die BVB-Leitung arbeiten, weist sie «entschieden» zurück. Sie glaubt, BVB-Präsident Blumenthal habe es auf sie abgesehen. Sie schreibt:
«Dass insbesondere Herr Blumenthal nun Konspiration durch FDP-Kreise (also mich) vermutet, ist nicht weiter erstaunlich, nachdem er die Skandale der vorherigen BVB-Führung auf eine Konspiration aus SVP-Kreisen zurückführte. In beiden Fällen eine absurde Theorie, meines Erachtens.»
Widerstand der Kollegen
Im Verwaltungsrat hat Nadine Gautschi einen schweren Stand. Die Rechnungsprüferin gilt im guten wie im schlechten Sinn als pedantisch. Es heisst, sie decke Geschäftsleitung und Verwaltung mit Aufträgen wegen Kleinigkeiten ein, scheitere damit zunehmend aber am Widerstand ihrer Kollegen im Gremium.
Ihre Tage im Verwaltungsrat dürften gezählt sein. Nicht wegen ihrer grundkritischen Haltung – wegen fehlender Qualifikationen und falschem Parteibuch. Im Herbst wird der Verwaltungsrat der BVB neu bestellt, Gautschi wird dann kein Thema mehr sein. Derzeit prüft die Regierung Kandidaten, auch in diesem Licht sind die jüngsten Enthüllungen zu sehen
Ob Blumenthal dann nochmals will oder nochmals darf, ist unklar. Wessels hält grosse Stücke auf den Walliser, doch dieser behält sich im Moment alles offen. Er sagt bloss: «Ich bin keiner, der davonläuft, wenn es Probleme gibt.»
Ausgezeichneter Ruf
Im Verwaltungsrat geniesst Blumenthal entgegen so mancher Darstellung einen ausgezeichneten Ruf. Er sei ein hervorragender Präsident, betreibe einen Riesenaufwand, um alle Verwaltungsräte einzubeziehen. Er habe Fachausschüsse gegründet, versorge alle Mitglieder mit Informationen. Wie Tag und Nacht sei die Arbeit im Verwaltungsrat im Vergleich zu früher. Es sei Blumenthal gelungen, in kurzer Zeit gewaltige Altlasten wie die Probleme mit der nie sanierten Infrastruktur wegzuräumen.
Ob das etwas zählt, wenn bald der Bericht der Geschäftsprüfungskommission erscheint, die sich wieder einmal die BVB vorgeknöpft hat? Erwartet wird harsche Kritik und entsprechende Berichterstattung in den Medien. Der Druck auf die Regierung dürfte steigen, Blumenthal abzusetzen. Wer in der BVB-Dauerkrise gewinnt, ob Schein oder Sein, ist vollkommen offen.