Ist da jemand?

Gross waren die Versprechungen der «Neuen Mitte» nach den Wahlen. Zaghaft sind nun die Annäherungsversuche.

Damals waren sie vage, heute sind sie es immer noch: Die Chefs von CVP und BDP präsentierten vor den Bundesratswahlen eine «Absichtserklärung». (Bild: Keystone)

Gross waren die Versprechungen der «Neuen Mitte» nach den Wahlen. Zaghaft sind nun die Annäherungsversuche.

Es soll tatsächlich schon ein Treffen stattgefunden haben. Und das ist mehr als viele erwartet hatten, als die Chefs der CVP und BDP kurz vor den Bundesratswahlen vor die Medien traten und eine an Schwammigkeit kaum zu überbietende «Absichtserklärung» präsentierten. In dieser gaben sich die beiden Parteien der ominösen «Neuen Mitte» ein halbes Jahr Zeit, um mögliche Formen der Kooperation zu prüfen.

Und tatsächlich: Vor zwei Wochen trafen sich die «Zusammenarbeits»-Delegierten der beiden Parteien zu einer Besprechung. Vonseiten der CVP nahmen Gerhard Pfister (NR, Zug) und Koni Graber (SR, Luzern) teil, von der BDP Martin Landolt (NR, Glarus) und Werner Luginbühl (SR, Bern). Was den Inhalt der Gespräche betrifft, haben die vier Parlamentarier Stillschweigen beschlossen. Sogar «absolutes» Stillschweigen, wie Gerhard Pfister auf Anfrage sagt. «Wir kommunizieren, wenn es etwas zu kommunizieren gibt.» Und das werde wohl nicht vor Ablauf der Halbjahresfrist sein, die sich die beiden Parteien selber gegeben haben.

Grunder spürt etwas

Etwas weniger genau mit dem «abso­luten» Schweigen nimmt es BDP-­Präsident Hans Grunder. Er nimmt selber nicht an den Gesprächen teil, plant aber schon eine Ausweitung der Mitte-Allianz. «Wir hatten bereits im Umfeld der Bundesratswahlen gute Gespräche mit den Grünliberalen. Ich spüre dort eine gewisse Bereitschaft. Und ich will natürlich die FDP nicht ausschliessen.»

Es ist verständlich, dass Grunder ziemlich entspannt über eine möglichst grosse «Neue Mitte» sprechen kann: Seit den Bundesratswahlen, seit der ­erfolgreichen Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf, ist der Druck weg von der BDP, Grunders Arbeit getan. Nun ist es an der CVP, im Hinblick auf den Rücktritt von Widmer-Schlumpf in vier Jahren die Mitte so aufzustellen, dass die CVP wieder einen zweiten Sitz im Bundesrat erhält. Eine selbst von der CVP offen deklarierte Ausgangslage. So sagte etwa CVP-Vize­präsidentin Ida Glanzmann im vergan­genen Dezember im «Bund»: «Je enger die Zusammenarbeit ist, desto einfacher wird es, den Sitz zu erben.» (online nicht verfügbar)

Alles offen bei der GLP

Es ist denn auch diese von Glanzmann erwähnte Zusammenarbeit, die heute, zu Beginn der Legislatur, im Fokus der Gespräche steht. Die erstarkten Grünliberalen stehen dabei etwas abseits. Anders als die CVP und die BDP muss sich die GLP-Fraktion erst noch «finden». «Die Fraktion muss sich daran gewöhnen, dass Herr Bäumle nicht immer das letzte Wort hat», sagt Ueli ­Leuenberger, abtretender Präsident der Grünen über den Präsidenten der Grünliberalen, Martin Bäumle.

Bäumle war in der abgelaufenen ­Legislatur die bestimmende Figur bei den Grünliberalen, er hielt alle Fäden in der Hand, nichts lief ohne seine Zustimmung. Eine derartige Einerherrschaft wird bei einer neu 14-köpfigen Fraktion schwierig umzusetzen sein. Der Ausgang dieses «Sich-Findens» (ein Ausdruck, den im Übrigen nicht nur Leuenberger verwendet) wird für die künftige Zusammenarbeit zwischen GLP und BDP von grosser Bedeutung sein. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich Hans Grunder und Martin Bäumle nicht besonders mögen: Sollte sich der Einfluss in der GLP-Fraktion besser verteilen, ist auch eine Annäherung an die BDP eher möglich.

Bis es so weit ist, besteht die «Neue Mitte» vorerst aus den zaghaften Annäherungsversuchen von CVP und BDP. Und den paar Themen, auf die sich die Mittepolitiker einigen können. Auf den Atomausstieg beispielsweise, oder auf die Grundsätze einer Familien-politik. Klar ist, dass sich die Gespräche der Viererdelegation vorwiegend um solche inhaltliche Fragen drehen werden. Eine Fusion der Parteien wurde von beiden Seiten von vornherein ausgeschlossen. Man konzentriere sich stattdessen auf eine möglichst enge Zusammenarbeit, hiess es.

Wie eine solche «enge Zusammenarbeit» etwa aussehen könnte, erleben die Parlamentarier in diesen Tagen, wenn sie sich zu den ersten Kommissionssitzungen der neuen Legislatur treffen. So wurde beispielsweise bei der ­Beratung des Tierschutzgesetzes in der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur überraschend eine schärfere Variante des Gesetzes durchgebracht. Dank den Stimmen der «Neuen Mitte».

Quellen

Mitteilung der WBK zur Revision des Tierschutz-Gesetzes.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.01.12

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