Kritiker befürchten, die Krise der Bank Monte dei Paschi sei nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben. Manche wünschen sich die Mittelfinger-Skulptur des Künstlers Maurizio Cattelan vor der Börse in Mailand zurück, wenn sie von den aktuellen Problemen im Banken- und Börsenwesen lesen.
Wenn wie am Dienstag die Kurse der italienischen Banken abstürzen und so schwanken, dass sie teilweise ausgesetzt werden müssen, dann sind das die Resultate einer Entwicklung, die die Fachwelt zuletzt wochenlang in Atem gehalten hat. Für den italienischen Normalbürger sind sie indessen nur schwer nachvollziehbar. Die Sorge der vergangenen Wochen war, eine Bankenpleite in Italien könne die gesamte Eurozone in eine neue, tiefe Krise stürzen und damit eine Rezession und – unter anderem – den Verlust von Arbeitsplätzen verursachen.
Es war nur ein Test, der die jüngsten Kursstürze in Mailand auslöste. Die Europäische Bankenaufsicht hatte 53 europäische Geldinstitute auf ihre Stabilität hin überprüft und die Ergebnisse am Freitag bekanntgegeben. Besonders im Rampenlicht standen die italienischen Banken, vor allem das älteste Kreditinstitut Europas, die Banca Monte dei Paschi di Siena, das am schlechtesten von allen abschnitt. «Monte», also Berg, nennen die Seneser ihre Hausbank schlicht, deren Sitz wie eine uneinnehmbare Festung auf einem Hügel mitten in der Stadt steht.
Faule Institute, faule Kredite
Während andere Staaten ihre Institute bald nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 sanierten, verliess man sich in Italien auf das Funktionieren des traditionellen Systems. Viele der über 600 Banken in Italien sind in ein undurchsichtiges Netz aus Lokalpolitik und Wirtschaft gebettet. Die 1472 gegründete Monte dei Paschi ist dafür das beste Beispiel. Reichtum und Gefälligkeiten wurden über die Jahre so selbstverständlich, dass der Blick für die Realität getrübt wurde. Auf dem «Monte» wurden nach der Jahrtausendwende 15 Milliarden Euro mit zweifelhaften Geschäften verbrannt.
Auch viele andere italienische Banken vergaben leichtfertig Kredite, deren Sicherheit nicht gewährleistet war. Bis zu 360 Milliarden Euro betrug deren Wert zuletzt italienweit, das entspricht einem Fünftel des italienischen Bruttoinlandprodukts. Die Wirtschaftsflaute blähte das Volumen dieser faulen Kredite zusätzlich auf. Die Branche rätselt deshalb nach wie vor, wie es etwa Unicredit, der einzigen italienischen Bank von Weltbedeutung, geht. Der Kursfall am Montag von mehr als acht Prozent sorgte für Unruhe. Auch wenn die Grossbank im Stresstest nicht schlecht abschnitt, steht demnächst offenbar eine Kapitalerhöhung von bis zu zehn Milliarden Euro bevor. Italiens Banken verfügen laut Experten über zu wenig Kapital.
Ohne massive finanzielle Unterstützung von aussen drohte der «Monte» die Pleite, mit unvorhersehbaren Folgen für die Wirtschaft des Kontinents.
Stattdessen sind in ihren Büchern überdurchschnittlich viele faule, also vom Ausfall bedrohte Kredite notiert. Allein bei Monte dei Paschi fallen Rückzahlungen von bis zu 27 Milliarden Euro aus. Derart grosse Löcher sind ein Grund für Börsenspekulanten, gegen die am Aktienmarkt gehandelte Bank zu wetten. Ohne massive finanzielle Unterstützung von aussen drohte dem Institut die Pleite, mit unvorhersehbaren Folgen für die Wirtschaft des Kontinents.
Renzis Rettungsplan und die Kurseinbrüche
Die italienische Regierung mit Premier Matteo Renzi versuchte deshalb lange, einen staatlich finanzierten Rettungsplan durchzusetzen, den die EU-Kommission in Brüssel aber untersagte. Nach den seit Anfang des Jahres geltenden neuen EU-Regeln zur Bankenrettung sind staatliche Hilfen nicht mehr möglich, im Notfall sollen die Gläubiger der Banken selbst an den Kosten beteiligt werden. An Monte dei Paschi entwickelte sich ein politisches Armdrücken: Brüssel und Berlin bestanden auf der Einhaltung der neuen Regeln.
Renzi versuchte, Zehntausende Kleinanleger von Monte dei Paschi zu schützen. Deren Voten benötigt er im Herbst, wenn die Italiener über eine Verfassungsreform abstimmen, an deren Ausgang der Premier seine politische Zukunft geknüpft hat. Als Ergebnis wurde am Freitag ein Rettungsplan vorgelegt, demzufolge die nicht bedienbaren Kredite in einen Fonds ausgelagert werden. Anschliessend soll eine Kapitalerhöhung von rund fünf Milliarden Euro folgen. Die Branche reagierte zunächst beruhigt, Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan lobte die «effektiven und nachhaltigen Marktlösungen».
Dann folgten die Kurseinbrüche. Kritiker hegen Zweifel an Effektivität und Durchführbarkeit der Massnahmen. Unklar sei etwa, ob sich überhaupt genügend Interessenten für die Kapitalerhöhung bei Monte di Paschi finden. Vielleicht, sagen Skeptiker, wurde das Problem schlicht vertagt.