Mit Steueranreizen in Millionenhöhe haben Mexikos Behörden Änderungen am Drehbuch des neuen Bond-Films «Spectre» durchgesetzt, die ein positiveres Bild des Landes zeigen. Den Produzenten sind die zusätzlichen Einnahmen willkommen. Woher das Geld genau stammt, ist allerdings unklar.
Bereits lange vor dem geplanten Kinostart im Herbst macht der neue James-Bond-Streifen «Spectre» Schlagzeilen. Mit geschätzten 300 Millionen US-Dollar Produktionskosten ist der von Regisseur Sam Mendes («American Beauty») gedrehte Film, in dem erneut Daniel Craig den Geheimagenten seiner Majestät mimt, eine der teuersten Bond-Produktionen aller Zeiten.
Da kommen 14 Millionen US-Dollar an Steuervergünstigungen nicht ungelegen. So viel sollen mexikanische Behörden den Produktionsfirmen Sony Pictures Entertainment und Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. (MGM) für Änderungen am Drehbuch mindestens geboten haben.
E-Mails gehackt
Den Deal öffentlich gemacht hat das auf Steuerthemen spezialisierte US-Webportal TaxAnalysts. Die Übereinkunft zwischen den mexikanischen Behörden und den Produzenten gehe aus E-Mails hervor, die bei einem Angriff von angeblich nordkoreanischen Hackern auf Firmencomputer von Sony Pictures Ende November 2014 erbeutet und ins Netz gestellt worden waren.
Demnach haben die Studiobosse von Sony und MGM auf Änderungen am Script gedrängt, um in den Genuss von Steueranreizen zu kommen. «Wir stehen derzeit vor einem Budget, das weit über dem liegt, was wir erwartet hatten, und sind unter enormem Druck, um die Zahl auf 250 Millionen abzüglich Rabatte und Anreize zu reduzieren», schrieb Jonathan Glickman, Präsident von MGM, in einem E-Mail an die Produzenten des Films.
Ein schönes Beispiel, wie Steuerpolitik Entscheidungen von grossen, börsennotierten Unternehmen verändern kann – und wie Filme von Regierungen für Image-Kampagnen genutzt werden.
Bond-Girl soll Mexikanerin sein
In einer frühen Drehbuch-Version des neuen Bond-Streifens, die sich unter den von den Hackern entwendeten Daten befinden soll, verfolgt 007 in der Anfangssequenz in Mexiko einen Auftragskiller namens Sciarra. Dieser soll den Bürgermeister von Mexiko-Stadt ermorden. Die mexikanischen Behörden sollen darauf bestanden haben, dass jener durch einen ausländischen Politiker ersetzt wird und der Auftragsmörder keinesfalls Mexikaner sein dürfe.
Eine weitere Forderung lautete: Die mexikanische Polizei dürfe in dem Streifen nicht auftauchen. Sie solle durch eine «Spezialeinheit» ersetzt werden. Zudem solle die Frau, aus deren Hotelzimmer heraus der Geheimagent seiner Majestät die Verfolgungsjad startet, von einer «bekannten mexikanischen Schauspielerin» dargestellt werden.
Teil des Deals: die 28-jährige mexikanische Schauspielerin Stephanie Sigman. (Bild: ALVARO BARRIENTOS)
Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, wird Stephanie Sigman das mexikanische Bond-Girl in «Spectre» spielen. Sigman war als Hauptdarstellerin in «Miss Bala» bekannt geworden, einer international erfolgreichen Produktion über die Geschichte einer von Drogenbossen gekidnappten Schönheitskönigin.
Schönste Seiten von Mexiko-Stadt
Die E-Mails deuten zudem darauf hin, dass die mexikanischen Behörden den zunächst geplanten Käfig-Kampf durch eine Verfolgungsjagd während Mexikos berühmter «Dia de los Muertos»-Feierlichkeiten sowie beeindruckende Luftaufnahmen der Skyline von Mexiko-Stadt ersetzen wollen.
Wenn Bond Sciarras Hubschrauber stiehlt und in den Himmel über Mexikos Hauptstadt abhebt, sollen die Luftaufnahmen vor allem moderne Gebäude zeigen und so ein besseres Image von Mexiko transportieren. Dafür wurden weitere 6 Millionen US-Dollar in Aussicht gestellt.
MGM-Boss Glickman schien damit zufrieden zu sein. «Sie haben einen tollen Job gemacht, uns die mexikanischen Vergünstigungen zu sichern. Lassen Sie uns weiterschauen, welche Wege uns zur Verfügung stehen, diese Anreize zu maximieren», schrieb er an die Produzenten. In einem anderen Mail schlug die frühere Co-Vorsitzende von Sony Pictures, Amy Pascal, vor, dass Reisefilm-Material zusätzliche Mittel einbringen könnte.
Herkunft des Geldes ist unklar
Unklar ist, welche mexikanischen Behörden konkret beteiligt sind. Das Mexikanische Filminstitut Imcine (Instituto Mexicano de Cinematografía), offiziell für die Förderung von Mexikos Filmindustrie zuständig, hat jedenfalls erklärt, nichts mit der Sache zu tun zu haben. «Imcine ist in das Thema nicht involviert», erklärte ein Sprecher.
«Es gibt keine Anreize, die von unserer Seite gemacht wurden.» Und Luis Miguel Aguilar, Sprecher der Filmkommission von Mexiko-Stadt, erklärte gegenüber lokalen Medien, die kolportierten Informationen seien «unglaubwürdig».
Unsicher ist ebenfalls, aus welchen Töpfen die Gelder stammen. Für staatliche Filmförderprogramme, wie Fidecine (Convocatoria del Fondo de Inversión y Estímulos al Cine) erfüllt «Spectre» die Auflagen nicht; andere wie Foprocine (Fondo para la Producción Cinematográfica de Calidad) und Eficine (Estímulo Fiscal a Proyectos de Inversión en la Producción y Distribución Cinematográfica Nacional) würden nur einen Bruchteil der aufgerufenen Beträge abdecken.
Infrage käme Proav (Fondo Proaudiovisual), ein Programm, das Steuervergünstigungen von bis zu 7,5 Prozent auf in Mexiko entstandene Kosten bietet, insofern die Investitionssumme 40 Millionen Pesos (rund 2,5 Millionen US-Dollar) übersteigt. Um auf 14 Millionen US-Dollar zu kommen, müssten die Produktionskosten in Mexiko allerdings bei utopischen 187 Millionen US-Dollar liegen. Eine andere Möglichkeit ist die Freistellung von der Zahlung der Mehrwertsteuer für Produktionen in Mexiko, die im Ausland kommerzialisiert werden.
Gekaufte Imagepflege
Klar ist: Generell ist es durchaus gängige Praxis, mit Steuervergünstigungen grosse Filmproduktionen anzulocken. Das macht nicht nur Mexiko. Ungewöhnlich aber ist die Höhe der genannten Summen.
Denn insgesamt spielen nur rund vier Minuten zu Beginn des Bond-Films in Mexikos Hauptstadt. Die Szenen werden ab der kommenden Woche gedreht. Für die Dreharbeiten hat unter anderem der Senat das frühere Parlamentsgebäude, die Xicoténcatl-Villa im historischen Stadtzentrum, kostenlos zur Verfügung gestellt. Das berichtet die mexikanische Tageszeitung «La Jornada». Ein Umstand, der zu Kontroversen geführt hat.
Vor allem Oppositionspolitiker kritisierten die Entscheidung. Die Vorsitzende der Kulturkommission des Senats, Blanca Alcalá Ruíz von der regierenden PRI (Partido Revolucionario Institucional), hält sie dagegen für richtig. «Wie viele Streifen haben wir gesehen, die in Frankreich gedreht wurden?» Auch werde das historische Senatsgebäude für den Film nicht umgebaut; vielmehr werde es Bilder geben, die «die Schönheit des historischen Stadtzentrums bekräftigen».
Heikle Eingriffe
Die Image-Kampagne ist im Kontext der Bemühungen der Regierung Enrique Peña Nieto (PRI) zu sehen, die schwere Krise der öffentlichen Sicherheit herunterzuspielen. Im Drogenkrieg sind seit 2006 in Mexiko über 120’000 Menschen umgekommen.
«Es ist nicht ungewöhnlich, dass Anreize mit einer Reihe von Vertragsklauseln versehen werden», schreibt «TaxAnalysts», «aber die Veränderungen bei ‹Spectre› scheinen viel weiter zu gehen, da die Studios den mexikanischen Behörden erlauben, Casting-Entscheidungen oder die Staatsangehörigkeit der Charaktere zu diktieren.»
Das wiederum werfe andere heikle Fragen über die Möglichkeiten künstlerischer und inhaltlicher Einflussnahme durch Regierungen auf, so «TaxAnalysts»: «Wenn man für 14 Millionen einen neuen Anfang kaufen kann, wie viel würde es kosten, das Ende zu ändern?»