Wochenendlich auf Mallorca: Jenseits der Schinkenstrasse

Der Deutschen liebste Insel im Spätherbst? Wer die Hotelburgen der Bumm-Bumm-Strände grosszügig umfährt, kann sich Mallorcas Reizen nur schwer entziehen.

(Bild: Rebekka Basler)

Ferien auf Malle: «Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle?», rutscht es mir beim Blick in die Mündung eines Ballermann-Urlaubs spontan heraus. 

Meine Frau beschwichtigt: So schlimm wird die Insel abseits der touristischen Hotspots schon nicht sein, und auch sonst hören wir nur Aufmunterndes – zwar selten Erfahrungen aus erster Hand, aber doch zumindest Eingeständnisse, dass man selber schon mit Reiseplänen geliebäugelt oder zumindest eine anmächelige Dokumentation über das Hinterland gesehen habe.

So schweben wir also zu Beginn der Herbstferien in Palma ein, passieren die Oktoberfest-Signalisation am Flughafen und setzen uns in ein Mietauto, Kurs auf die Innenstadt, wo wir die erste Übernachtung gebucht haben.

In deutscher Hand

Auf der sechsspurigen Ringstrasse, die exakt dem Verlauf der ehemaligen Stadtmauer folgt, wird uns erstmals bewusst, dass Mallorca tatsächlich mehr als die infame Schinkenstrasse von S’Arenal zu bieten hat. Der Blick von der Dachterrasse des Hotels geht über die Lichter der 400’000 Einwohner zählenden Grossstadt – fast die Hälfte der Bevölkerung der Balearen lebt in Palma.

Da wir aber, wie alle Touristen, das Meer sehen wollen, fahren wir am nächsten Tag Richtung Norden, an Olivenhainen und Golfanlagen vorbei: Eine gute Stunde dauert die kurze Reise, um die Insel zu durchqueren.

Im verschlafen wirkenden Städtchen Capdepera, das von einer imposanten Festung überragt wird, finden wir Unterkunft in einer ehemaligen Knabenschule, die zu loftartigen Ferienwohnungen umgebaut wurde. Von hier aus dauert es nur wenige Minuten zur malerischen Küste, die ebenfalls fest in deutscher Hand ist: Menükarten und sogar einzelne Verbotsschilder lassen sich auch ohne Spanischkenntnisse lesen. 

Da es mit rund 25 Grad noch immer tüchtig warm ist, lockt das türkisfarbene Wasser. Wir kaufen einen Sonnenschirm und wählen eine der etwas abgelegeneren Buchten, die auch zu dieser Jahreszeit noch gut besucht sind. Da kann der Sand noch so fein durch die Zehen rieseln, hier bleibt die Sommerzeit stehen …


Hier zieht was auf, aber sonst war es sonnig, ehrlich! (Bild: Rebekka Basler)

Statistisch gesehen ist der Oktober allerdings auch der regenreichste Monat des Jahres auf Mallorca, und so gibt uns ein trüber Tag Gelegenheit, die nähere Umgebung zu erkunden. An den Coves del Drac, den Drachenhöhlen bei Porto Cristo, schreckt höchstens die lange Schlange am Eingang ab, die Tropfsteinhöhle selbst ist bezaubernd.

Auch die nördlichste Spitze der Insel, das windumtoste Cap Formentor, lohnt einen Besuch. Hier fällt der Ausläufer des Gebirgszuges der Serra de Tramuntana dramatisch ins Meer ab, der Ausblick von der engen Passstrasse, auf der unzählige Velofahrer strampeln, ist atemberaubend. Auf dem Rückweg machen wir in Alcúdia halt, einer wehrhaften Mittelalterstadt, die zum Schlendern lädt.

Von allem und für alle etwas

Den Real Deal in Sachen Flanieren aber erleben wir in Palma, wo wir vor der Rückreise einen Tag verbringen. Die Innenstadt ist weitgehend vom Autoverkehr befreit, und wo es Laufkundschaft gibt, kann von Lädelisterben keine Rede sein: Von den unvermeidlichen Mallorquinische-Perlen-Shops über Haushaltsgeschäfte, Boutiquen und geschmackvolle Designerläden bis zum Schwemmholz-Ethno-Kitsch-Tempel lässt sich hier alles finden.

Vor allem aber ist Palma mit seinen verwinkelten Gässchen und grosszügigen Alleen, den gotischen Kathedralen und luftigen Plätzen, den gelassenen Menschen und seiner metropolitanen Geschäftigkeit schon allein eine Reise nach Mallorca wert. Und wir verfluchen unsere Ignoranz, die uns «Zehn nackte Friseusen» in «Ein Bett im Kornfeld» gelegt hat, aber keinen anständigen Reiseführer ins Handgepäck.

Es sei ihm unbegreiflich, warum ausserhalb der Sommersaison nicht mehr Touristen nach Mallorca reisten, sagt der Taxifahrer auf dem Weg zum Flugplatz: Die Temperaturen sinken hier nie unter null Grad. Und: «Es ist doch auch im Winter noch alles da.»

Weihnachten in Palma – bei dem Gedanken wird uns ganz warm um die Seele.


Rebekka Basler
So farbig wie die Fassade ist auch die Speisekarte der Bar Coto.

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