Sexualbildung und Familienplanung in Drittweltländern sind wichtige Themen, gerade im Kontext der anstehenden Volksabstimmung über die Ecopop-Initiative. Doch wie sieht die Präventionsarbeit vor Ort aus? Davon erzählt Sandra Dominguez aus Honduras im Interview.
Die Zahlen sind dramatisch: In ländlichen Gegenden von Honduras wie der Gemeinde Pespire war ein Viertel aller weiblichen Teenager zwischen 10 und 19 bereits einmal schwanger. Zwar konnte die Jugendfertilität bereits gesenkt werden, auch durch den Beitrag der Projekte des Roten Kreuzes, doch noch immer mangelt es an Aufklärung.
Sandra Dominguez ist Koordinatorin der Gesundheitsarbeit eines Projektes des Schweizerischen Roten Kreuzes im Süden von Honduras und hat in den letzten Jahren vor allem im Bereich der Sexualerziehung gearbeitet. Für das Symposium des Gesundheitsnetzwerks Medicus Mundi, das sich Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit widmete, kam sie nach Basel.
Frau Dominguez, worin besteht Ihre Arbeit genau?
Wir wollen die Bevölkerung in den ruralen Gebieten Honduras‘ sexuell bilden, vor allem die Jugendlichen. Es sind integrale Projekte – der Aspekt der Gesundheit steht zwar im Zentrum, wir arbeiten aber auch mit ganz anderen Komponenten der sozialen Realität. Den Jugendlichen werden Themen wie Selbstvertrauen, Werte, aber auch der eigene Körper und seine Funktionen nähergebracht. Unsere Fachpersonen und die mitarbeitenden Freiwilligen arbeiten mit sehr dynamischen Methoden und Spielen, die für die Jugendlichen attraktiv sind – auf traditionellen Frontalunterricht, wie sie es von der Schule kennen, verzichten wir.
Sandra Dominguez.
Weshalb sind Teenager-Schwangerschaften problematisch?
So junge Mädchen sind physisch, psychisch und emotional noch nicht auf eine Geburt vorbereitet. Dies erhöht für sie und das Kind das Risiko, bei der Geburt zu sterben. Zudem ist es ein radikaler Einschnitt in das Leben und die persönliche Entwicklung jugendlicher Eltern – die Bestrebungen und Pläne der Jugendlichen werden zunichte gemacht, vor allem Frauen müssen sich dann oft ganz ihrer Rolle als Mutter widmen.
Werden Teenagermütter von der Gesellschaft akzeptiert?
Da junge Mütter ein wichtiger, grosser Teil unserer Gesellschaft sind, werden sie toleriert, obwohl es eigentlich nicht als moralisch richtig gilt. Allerdings gibt es grosse Unterschiede bei der Unterstützung: Stillschweigende Akzeptanz heisst noch lange nicht, dass eine junge Frau auch unterstützt wird. Die Zahlen sind zwar rückläufig, aber trotzdem gibt es eine Kultur oder Tradition der jungen Mütter, die sich bewusst dafür entscheiden. Diese Frauen denken sich dann: Meine Grossmutter wurde mit 13 schwanger, meine Mutter ebenfalls, das heisst, ich auch. Zudem ist das Kinderhaben in Honduras allgemein sehr wichtig – der soziale Status definiert sich über die Anzahl Kinder.
Was für eine Rolle spielen die Männer?
Die Jungfräulichkeit hat für Männer in meinem Land einen sehr hohen Stellenwert. Ich habe einmal einen Mann auf den Land gefragt, weshalb er seine Familie ausgerechnet mit einem jungen Mädchen und nicht mit einer erwachsenen Frau gründete. Er sagte, je jünger die Frau, desto grösser sei die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch Jungfrau ist. Frauen sind von den Männern emotional und wirtschaftlich abhängig, sie können den Zeitpunkt, um Kinder zu haben, nicht alleine bestimmen. Die Männer sehen Frauen leider immer noch als ihren Besitz und verbieten ihnen, Verhütungsmittel zu nehmen. Bis vor ein paar Jahren war es sogar noch so, dass der Mann mitunterschreiben musste, wenn die Frau sich unterbinden lassen wollte. Heute ist das nicht mehr im Gesetz, aber eine soziale Norm, dass der Mann und manchmal sogar die Schwiegermutter mitbestimmt. Denn wenn die Frau ständig schwanger ist und sich um viele Kinder kümmern muss, hat sie weniger Zeit, mit anderen Männern ins Bett zu gehen und ist auch sexuell weniger attraktiv. Manche Frauen nehmen heimlich Verhütungsmittel und haben eine höllische Angst vor den Konsequenzen, wenn ihr Mann es herausfinden würde.
Am 30. November werden die Schweizer über die Ecopop-Initiative abstimmen – wäre ein solcher fixer Entwicklungsbeitrag für die Familienplanung Ihrer Meinung nach förderlich?
Ich habe mich ein bisschen damit auseinandergesetzt und muss sagen, dass sexuelle und reproduktive Gesundheit natürlich wichtig ist. Doch die Familienplanung isoliert von anderen Teilaspekten der Gesellschaft zu unterstützen, finde ich falsch, und das würde im Fall von Honduras auch wenig bewirken. Meine Erfahrung hat etwa gezeigt, dass man den Jugendlichen in erster Linie Alternativen bieten muss, wie sie ihr Leben gestalten können – erst dann werden sie darauf verzichten, so früh Familien zu gründen. Diese Möglichkeiten und Perspektiven haben nicht direkt etwas mit sexueller Gesundheit und Verhütung zu tun, sind aber damit eng verwoben. Deshalb sind integrale Projekte, wie das unsere, wichtig.