Das Basler Integrationsleitbild zeigt Wirkung. Junge Migrantinnen und Migranten sind beruflich auf Aufstiegskurs.
Noch vor zehn Jahren waren die Lehrlinge der Handelsschule KV Basel zum überwiegenden Teil Schweizer. Nur selten sah man ein südländisches Gesicht in den Klassenräumen. Das hat sich geändert. Bunt zusammengewürfelt tummeln sich hier heute Schülerinnen und Schüler aus aller Herren Ländern.
Jugendliche, oft mit Schweizer Pass, aber mit Eltern aus der Türkei, Sri Lanka, dem ehemaligen Jugoslawien, Albanien und vereinzelt auch aus Deutschland sind mittlerweile in der Handelsschule auf allen Leistungsstufen stark vertreten. «Offensichtlich gibt es immer mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund, die nicht nur den Ehrgeiz, sondern auch die entsprechenden schulischen Leistungen mitbringen», sagt Andreas Schmidlin, Leiter Grundbildung.
Frühe Integration bringt Erfolge
Sind das die Folgen des Basler Integrationsleitbildes aus dem Jahr 2000, das auf die schulische und berufliche Chancengleichheit von jungen Migranten setzt? «Auf die Handelsschule KV Basel direkt bezogen nicht», so Schmidlin. «Aber das Integrationsleitbild kann auf die vorgelagerten Schulstufen einen Einfluss haben. Dort werden die Schülerinnen und Schüler fit gemacht, dass sie ab dem zehnten Schuljahr in unsere Schule gehen können.»
Die Handelsschule KV Basel habe diese Entwicklung jedoch nicht bewusst gefördert, meint Schmidlin. «Die Lernenden werden von den Lehrbetrieben angestellt und dann in unsere Schule geschickt.»
Auch schwächere Schüler hätten gute Chancen, weiterzukommen. «Wir stellen unter anderem für Jugendliche mit kleinem Schulsack ein niederschwelliges Angebot bereit.» Dies ist die zweijährige Ausbildung zum eidgenössischen Berufsattest. Zudem bietet die Handelsschule KV als Anschlusslösung ein verkürztes B-Profil in der Ausbildung an. Schmidlin: «Damit öffnen wir die Türe zur gesamten Bildungswelt.»
Eindrückliche Karrieren
Auch Schüler mit Lerndefiziten haben so die Möglichkeit zum erfolgreichen Berufseinstieg – und mit dem nötigen Leistungswillen auch zum Aufstieg. Und dieser kann ziemlich beeindruckend sein, wie etwa das Beispiel von Branko Sijakovic zeigt. Der junge Kroate hat es vom niederschwelligen Berufsattest über den üblichen Bildungsweg bis in die Höhere Fachschule Wirtschaft geschafft und arbeitet heute als Kadermitglied bei den Helvetia Versicherungen.
Besonders augenfällig ist die Entwicklung bei ausländischen Frauen.
Sijakovic ist kein Einzelfall. Bei der ausländischen Wohnbevölkerung in Basel stieg der Anteil der jungen Männer der Sekundarstufe zwei und Tertiärstufe von rund 60 Prozent im Jahr 2000 auf über 70 Prozent im Jahr 2010. Bei den Schweizer Männern blieb der Anteil der höher Ausgebildeten mit rund 90 Prozent ungefähr gleich hoch.
Besonders augenfällig ist die Entwicklung bei den ausländischen Frauen. Der Anteil der höheren Abschlüsse stieg von unter 50 auf ebenfalls rund 70 Prozent. Bei den Schweizer Frauen stieg der Anteil von zirka 75 auf knapp über 80 Prozent.
Mehr qualifizierte Menschen wandern ein
Laut Nicole von Jacobs, Leiterin Leiterin der Fachstelle Diversität und Integration, liegt das nicht allein an den Erfolgen des Integrationsleitbildes. Der höhere Anteil an Migrantinnen und Migranten mit überobligatorischer Schulausbildung liege zum Teil auch daran, dass mehr qualifizierte Menschen eingewandert seien. «Aber natürlich tut der Kanton auf verschiedensten Ebenen einiges, um Kindern mit Migrationshintergrund einen besseren Start ins Berufsleben zu ermöglichen.»
Das Basler Integrationsleitbild orientiert sich an erprobten Projekten in europäischen, US-amerikanischen, kanadischen und israelischen Städten. Im Zentrum des Leitbilds steht die Schaffung von konkreten Aufstiegsmöglichkeiten. Das Leitbild geht davon aus, dass die meisten sogenannten Ausländerprobleme durch intensive Ausbildung und Förderung in den Kindheits- und Jugendjahren verhindert werden können.
Frühdeutsch als Schlüssel
«Fördermassnahmen wie Frühdeutsch in Krippen sowie Spielgruppen verbessern schon einmal die Grundvoraussetzungen, um später in der Schule gar nicht erst mit einem Sprachdefizit anzutreten», sagt von Jacobs. «Dasselbe gilt für die Hausaufgabenförderung.»
Schulabgängern der obligatorischen Schulen soll das Projekt Gap (engl. für Spalt, Unterbruch) eine weiterführende Schulbildung, ein Brückenangebot oder eine Berufslehre ermöglichen. Der Kanton bietet als Arbeitgeber auch Attestlehrstellen an (früher Anlehre), die die Auszubildenden zur Teilnahme an Weiterbildungsangeboten motivieren sollen.
Das habe auch handfeste Vorteile für die Verwaltung, sagt Nicole von Jacobs: «In Ämtern ist es natürlich für alle von Vorteil, wenn das Personal möglichst durchmischt und mehrsprachig ist. Das spart nicht zuletzt teure Dolmetscher.»