Ägyptens Präsident Sisi fährt zu seinem ersten Besuch in die USA. Mit der Vermittlung im Gaza-Krieg und der Beteiligung an der Koalition gegen die IS-Terrormiliz hat er die Rolle Ägyptens als unverzichtbare Regionalmacht zurückgewonnen. Die Kritik an den Zuständen im Innern ist weitgehend verstummt.
Ägypten stehe in der Frontline im Kampf gegen den Terrorismus, betonte US-Aussenminister John Kerry vor wenigen Tagen in Kairo, als er sich mit Präsident Abdelfattah al-Sisi traf, der jetzt seit 100 Tagen im Amt ist. Kerry meinte damit nicht nur die Zusicherung Kairos, sich im Kampf gegen die Terrormiliz des Islamischen Staates (IS) zu engagieren. Er sagte auch Unterstützung für Ägyptens eigenen Terrorkampf gegen militante Gruppierungen auf dem Sinai zu. Die haben nach den Worten von Aussenminister Sameh Shoukri dieselbe Ideologie wie IS, deshalb habe die internationale Gemeinschaft eine kollektive Verantwortung für deren Bekämpfung.
Kerry versprach, die USA würden die Lieferung von zehn Apache Helikoptern nun vorantreiben. Ägypten sei ein strategischer Partner der USA in zentralen regionalen Fragen. Nach der blutigen Entmachtung des demokratisch gewählten, islamistischen Präsidenten Mohammed Morsi im Sommer 2013 hatte die US-Regierung die Militärhilfe an Ägypten vorläufig eingefroren. Sisi reist nun am Samstag zum ersten Mal in die USA.
Ägypten geht auf Distanz zu USA
Ob am Rande der UN-Generalversammlung in New York ein Treffen mit US-Präsident Barack Obama zustande kommt, ist noch offen. Den russischen Präsidenten Wladimir Putin hat Sisi in den vergangenen Monaten bereits zweimal getroffen – einmal noch als Militärchef – und Kooperationen im Bereich von Wirtschaft und Militär in Milliardenhöhe vereinbart. Kommentatoren sahen darin ein klares Zeichen von mehr Eigenständigkeit der ägyptischen Aussenpolitik und einer gewissen Distanz zur den USA.
Die eigenen Interessen hat Ägypten auch im Gaza-Konflikt mit einer Doppelstrategie gewahrt. Kairos Haltung diente dem vorrangigen innenpolitischen Ziel der Zerschlagung der Muslimbrüder – ihre internationale Organisation eingeschlossen – und sollte helfen, die regionalen Bande mit Saudi-Arabien und den Arabischen Emiraten zu zementieren. Erst in einem zweiten Schritt wurden echte Vermittlungsbemühungen unter Einbeziehung von Hamas unternommen und so die Rolle als unverzichtbarer Mediator im israelisch-palästinensischen Konflikt zurückgewonnen. Die als Erfolg gefeierte Ausweisung Katars einer Gruppe hochrangiger Muslimbrüdern zeigt, wie sich die regionalen Balance zugunsten von Ägypten und Saudi-Arabien verschiebt.
Stabilität inmitten von Krisenherden
Sisi und damit Ägypten sind zurück auf der internationalen politischen Bühne. Die Kritik an der blutigen Entmachtung seines Vorgängers und den anhaltenden Menschenrechtsverletzungen ist praktisch verstummt oder wird auf die zuständigen Institutionen, wie den UN-Menschenrechtsrat beschränkt, wo die EU eben wahllose Verhaftungen, Folter und unverhältnismässige Strafen inklusive Todesurteile angeprangert hat.
Der Präsident hat eine ganze Reihe von Einladungen. Nicht alle sind wie die der deutschen Bundekanzlerin Angela Merkel an die Bedingung geknüpft, dass zuerst der politische Neuaufbau mit der Wahl eines Parlamentes abgeschlossen werden muss. Derzeit hat Sisi auch die legislative Gewalt und regiert mit Dekreten, von denen er schon über 80 erlassen hat. Einen Termin für Wahlen gibt es noch nicht.
Ägypten wirkt wie ein Fels in der Brandung in der Region.
Entscheidend für das wieder gewonnene Profil als unverzichtbare Regionalmacht ist die relative Stabilität im mit Abstand bevölkerungsreichsten Land der Region. Angesichts der vielen Krisenherde in der näheren Umgebung vom Bürgerkrieg in Syrien über die Terror-Gefahr durch die IS-Miliz, den israelisch-palästinensischen Konflikt und dem drohenden Zerfall Libyens wirkt Ägypten mit der von der Armee getragenen Sisi-Regierung wie ein Fels in der Brandung.
Schlüsselrolle in Libyen und Syrien
Kairo führt nicht nur die anstehenden Verhandlungen nach dem Waffenstillstand in Gaza, die ägyptische Armee hat auch ein Auge auf den bewaffneten Konflikt in Libyen. Vor wenigen Tagen wurde ein bisher geheimes Sicherheitsabkommen geschlossen, das Ägypten eine militärische Intervention im Nachbarland erlauben soll, wenn aus Libyen Gefahr für die eigene Sicherheit droht. Kairo unterstützt in Libyen ganz offen jene militärischen Kräfte, die sich dem Kampf gegen die Islamisten verschrieben haben.
Aus diplomatische Kreisen in der Region wurde dieser Tage auch bekannt, dass das ägyptische Aussenministerium derzeit Konsultationen führt, um eine neue politische Initiative in Syrien einzuleiten. Diese sieht Konzessionen vom Regime von Bashar al-Assad und der moderaten Opposition vor, um eine Verständigung zu erreichen, die die Einheit Syriens gewährleisten soll.