Mit dem Segelschiff «Beluga II» geht Greenpeace auf einen Rhein-Törn, um vor den Gefahren veralteter AKWs zu warnen. Die Umweltaktivisten machen auch Halt an der Basler Schifflände.
«Es ist höchste Zeit, die überalterten Atomkraftwerke in der Schweiz stillzulegen», sagte Atomkraft-Experte Stefan Füglister am Montagmorgen an der Basler Schifflände, wo das Greenpeace-Segelschiff «Beluga II» angelegt hatte. Zwei Tage nach dem Jahrestag der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl wird die Stilllegung der AKWs für Experten und Aktivisten aus dem Umfeld von Greenpeace von Tag zu Tag dringender.
«28 Jahre nach Tschernobyl müssen wir uns bewusst sein, dass alte Atomkraftwerke alle Europäer gefährden», sagte Susanne Neubronner, Anti-Atom-Campaignerin von Greenpeace Deutschland. Je älter die Kernkraftwerke würden, desto anfälliger seien sie auf technische Probleme. In der Schweiz sei die Situation umso drastischer, da hier die ältesten Atomkraftwerke der Welt in dicht besiedelten Gebieten stünden.
Das Undenkbare denken
SP-Grossrat Rudolf Rechsteiner nutzte den Besuch der «Beluga II», um seine enge Verbundenheit mit Greenpeace auszudrücken. «Die Beluga hier im Rhein, das ist von starker symbolischer Qualität, denn der Rhein ist eine der Lebensadern Europas», sagte er. «Auch heute beziehen Millionen Menschen ihr Trinkwasser direkt aus dem Rhein, auch die Stadt Basel.» Die Katastrophe von Schweizerhalle habe gezeigt, wie verletzlich die Grund- und Trinkwasserversorgung sei. In Tschernobyl sei fast 30 Jahre nach der Katastrophe an kein Leben mehr zu denken.
«Anstatt den Gripen zu posten, sollten wir das Geld lieber in alternative Energiequellen wie die Windkraft investieren.»
«Die Spezialisten, die den GAU auf minderwertige Sowjet-Reaktoren zurückführten, waren nach der Atomkatastrophe von Fukushima ungläubig entsetzt», sagte Füglister. Die Reaktoren amerikanischer Herkunft, in denen die Kernschmelzen geschahen, sind dieselben wie jene in Mühleberg. Füglister fragte rhetorisch: «Hat man etwas daraus gelernt?» Statt dass die Spezialisten ab sofort und wie angekündigt «das Undenkbare denken», wolle das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) lieber ökonomisch Machbares machen und Kompromisse eingehen. «Kompromisse haben in der Sicherheit aber nichts zu suchen», sagte Füglister.
Dem ENSI fehlt jede Distanz zur Atomlobby
Das ENSI spiele lieber auf Zeit, kritiserte Rechsteiner. «Auch im Jahr vier nach Fukushima ist bisher nichts geschehen, was die Risikolage verbessern würde.» Das ENSI sei ungeeignet, die Sicherheitsüberprüfung unabhängig durchzuführen. «Es fehlt jede Distanz zur AKW-Lobby, das ENSI steht immer aufseiten der Betreiber, und sein Chef, Hans Wanner, verbreitet gezielt Unsinn.» Dieser sei nicht einfach bloss Mitläufer der Atomlobby, sondern aktiver Teil davon. Rechsteiner forderte Direktor Hans Wanner, Georg Schwarz, Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke, sowie Präsidentin Anne Eckhart zum Rücktritt auf. «Ihre fahrlässige Grundhaltung gefährdet unser Land.»
Der Basler Grossrat holte noch weiter aus: «Anstatt den Gripen zu posten, sollten wir das Geld lieber in die Schliessung der AKWs und in alternative Energiequellen wie die Windkraft investieren.»
Einen Schritt in die von Greenpeace gewünschte Richtung können am 18. Mai die Stimmberechtigten in Bern machen. Dann stimmen sie kantonal über die Volksinitiative «Mühleberg vom Netz» ab. Das 44-jährige Kernkraftwerk hatte im letzten Jahr 77 Störfälle. «Die Hälfte davon sind wegen des hohen Alters entstanden», meinte Atom-Experte Stefan Füglister. Bis nach Bern kommt die «Beluga II» nicht – aus nautischen Gründen. Greenpeace werde dort aber vor Ort nochmals Informationsarbeit leisten, um die Stimmbürger zu informieren, sagte Füglister.
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«Open Boat Days» auf dem Greenpeace-Schiff «Beluga II» mit öffentlichen Führungen: Schifflände Basel. Freitag, 2. Mai, 10 bis 18 Uhr; Samstag, 3. Mai, 10 bis 18 Uhr; Sonntag, 4. Mai, 14 bis 18 Uhr. An Bord gibt es eine Ausstellung zu überalterten AKWs und verschiedene Aktivitäten zum Mitmachen.