Kampf um die Heimat

Das neue Raumplanungsgesetz ist der letzte Versuch zu retten, was noch zu retten ist.

So sieht die Schweiz aus. Eindrücke einer Zugfahrt von Genf nach St.Gallen. (Bild: Stefan Bohrer)

Das neue Raumplanungsgesetz ist der letzte Versuch zu retten, was noch zu retten ist.

Max Frisch hat es schon vor über fünfzig Jahren gewusst:

«Und also wuchern unsere Städte, wie’s halt kommt, geschwürartig, dabei sehr hygienisch; man fährt eine halbe Stunde lang mit einem blanken Trolleybus und sieht das Erstaunliche, dass die Vergrösserung unserer Städte zwar unaufhaltsam stattfindet, aber keineswegs zum Ausdruck kommt. Es geht einfach weiter, Serie um Serie, wie die Vergrösserung einer Kaninchenfarm. Fährt man weiter, zeigt sich, dass das schweizerische Mittelland aufgehört hat, eine Landschaft zu sein; es ist nicht Stadt, auch nicht Dorf. Es ist ein Jammer und ein Werk unserer Generation.»

Es war «Die Zeit», die den Aufsatz von Max Frisch «Achtung: die Schweiz» vor ein paar Wochen ausgrub und in den Kontext der wohl wichtigsten Schweizer Abstimmung der letzten zwanzig Jahre stellte. Ja, die Abzocker-Initiative ist emotionaler, ja, die Familien-Initiative heftiger umkämpft. Und ja, die Abstimmung über das revidierte Raumplanungsgesetz (RPG) ist nicht, was wir «aufregend» nennen würden.

Aber im Gegensatz zur Abzocker-Initiative, die nicht über ihren symbolhaften Gehalt hinaus kommt, und zum Familienartikel, dessen Kon­sequenzen nach einem Ja erst noch definiert werden müssen, ist das neue Raumplanungsgesetz ein letzter Versuch zu retten, was noch zu retten ist, und dort Einfluss zu nehmen, wo uns souve­­rä­nitätsverblendeten Schweizern überhaupt noch Einfluss bleibt: bei der Gestaltung unseres kleinen Lebensraums.

Wir sind zugebaut

Frisch, der seinen Aufsatz gemeinsam mit Lucius Burckhardt, Markus Kutter und den Architekten Rolf Gutmann und Theo Manz herausgab, diagnostizierte die Haltung des gemeinen Schweizers bereits 1955: «Also überzieht sich das Land weiterhin mit ­Industriebauten und Siedlungen, als hätten wir ja Land genug.»

Doch sein Aufruf zur Tat verhallte im Baulärm der Bau-Industrie. Fährt man heute entlang der ­beiden Hauptachsen durch die Schweiz, ist der Blick aus dem Fenster schwer auszuhalten. Von St. Gallen bis nach Genf, von Basel bis ins Tessin: Wir haben unser Land zugebaut. Und dazu muss man nicht einmal das vielzitierte Bild vom Walensee be­mühen, dessen Fläche einmal pro Jahr in der Schweiz verbaut wird. Es reicht, wenn man aus dem Zugfenster schaut und die Kamera laufen lässt, so wie das unser Fotograf Stefan Bohrer gemacht hat. Er hat die Schweiz einmal von links nach rechts und einmal von oben nach unten durchquert.

Zersiedelte Schweiz from TagesWoche on Vimeo.

Einen ersten Versuch, die Schweiz vor sich selber zu retten, unternahmen die Behörden Ende der 1970er-Jahre, als das erste Raumplanungsgesetz in Kraft gesetzt wurde. Damals schon wurde fest­gelegt, dass Bauzonen den Bedarf der nächsten 15 Jahre nicht übersteigen sollten. Nur hielten sich leider nicht alle daran: In den Kantonen wird das Bauland sehr unterschiedlich bewirtschaftet.

Heute verfügt die Schweiz über Bauzonen in ­einer Grösse von rund 230’000 Hektaren. Davon ist ein Fünftel nicht genutzt. In gewissen Teilen des Landes (vor allem touristischen und ländlichen ­Gebieten) existieren brachliegende Bauzonen für die nächsten 50 Jahre. In anderen Teilen des Landes (vor allem in städtischen Gebieten) hat man heute schon zu wenig Land.

Das weiss man schon länger. Aber es brauchte «Galmiz» und eine Drohgebärde der Umweltschutzverbände in Form der Landschafts-Initiative, um die eidgenössischen Behörden zum Handeln zu bewegen. Die Initiative hätte die Gesamtfläche der Schweizer Bauzonen für die nächsten 20 Jahre eingefroren – und sie wäre nicht ­chancenlos gewesen. Das ist spätestens seit der überraschenden Annahme der Zweitwohnungs-­Initiative auch dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) klar geworden.

Also wurde ein strenger indirekter Gegenentwurf zur Landschafts-Initiative geschaffen; so streng, dass die Initianten zu einem «bedingten Rückzug» ihrer Vorlage bewegt werden konnten. Heisst: Über die Initiative wird nur bei einem Nein zur Revision abgestimmt.

Ist es schon zu spät?

Aber: Reicht das? Ist es nicht schon zu spät? Besuch bei Daniel Wachter in Ittigen bei Bern. Das Büro des Leiters für Nachhaltige Entwicklung im Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) befindet sich in einem imposanten Verwaltungsbau des Uvek. Wie ein zu gross geratenes Schiff aus Holz und Stahl thront das Gebäude neben der Pendlerlinie nach Bern und neben einem ausgesprochen hässlichen Wohnbau aus den 1970er-Jahren.

Ob es schon zu spät ist, will Wachter, knapp 50, runde Brille, wenig Haare, schlauer Blick, nicht ­sagen. Aber: «Wenn wir so weitermachen wie bisher, bekommt die Schweiz ein zunehmend grösseres Problem.» Austariert sei die Vorlage, «fachlich, rechtlich und politisch», sagt Wachter. Von einem «Diktat aus Bern», wie das die Gegner immer wieder behaupteten, könne keine Rede sein. Es stimme zwar schon, dass die Aufsichts- und Kontrollkompetenzen des Bundes gestärkt würden, aber die Kernkompetenz – wo was gebaut wird – bleibe auf der Stufe der Kantone und Gemeinden.

Bei einem Nein zur Vorlage würde man auf dem bestehenden Gesetz sitzen bleiben – auf «jenem Gesetz, das die Zersiedelung nicht genügend bremsen konnte», ergänzt Daniel Wachter. Ein Nein zur Vor­lage hätte aber nicht nur Auswirkungen auf den ­Umgang mit dem Boden. Schlimmer noch wäre das politische Signal. Ein Nein zum revidierten Raumplanungsgesetz wäre ein Ja zum Status quo, ein Ja zu «weiter wie bisher».

Eine aktive Rolle

Wachter verweist auf positive Entwicklungen wie in Schlieren, wo ein bis vor Kurzem wenig attraktiver Raum «ganz im Sinne des neuen Gesetzes» in den letzten Jahren nachhaltig aufgewertet wurde. Verdichtet, besser geplant, attraktiver gebaut. Und er verweist auf tiefere Kosten für den Steuerzahler, wenn nicht jede noch so peripher gelegene Bauzone von der öffentlichen Hand erschlossen werden muss.

Wachters Rolle in diesem Abstimmungskampf wird von der Gegenseite nicht goutiert. «Der Sonntag» titelte: «Bundesbeamter ‹stört› Pressekonferenz: Gewerbeverband wendet sich empört an Bundesrätin Leuthard». Es war in der Tat kein gewöhnlicher ­Auftritt von Wachter am 10. Januar, dem Start der Gegenkampagne des Schweizerischen Gewerbe­verbands, der das Referendum gegen das Gesetz ergriffen hatte.

Geschlagene 45 Minuten mühten sich die sechs Vertreter auf dem Podium durch ihre mehr oder minder identischen Redetexte. Brandmarkten das «Diktat aus Bern», die «Horrormieten», die linken Vorstellungen eines richtigen Lebens, die latente Autofeindlichkeit, die «staatlichen Enteignungen», die Utopie des verdichteten Bauens, die «Regulierungsflut», das Ende des Föderalismus «as we know it» und die angeblich unvermeidlichen Steuererhöhungen, die ein Ja zum revidierten Raumplanungsgesetz am 3. März zur Folge hätten.

Jean-François Rime gab sich besonders fest Mühe. Der Sägereibesitzer aus Bulle, SVP-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands, kämpfte sich auf Deutsch durch sein Referat (man wird so halt besser gehört im Medienzentrum des Bundeshauses) und beantwortete auch die ersten Fragen der Journalisten tapfer auf Deutsch.

Bis ganz zum Ende der Präsentation. Dann hatte Rime genug. Explosionsartig und ziemlich erbost liess er einen Schwall Französisch auf Daniel Wachter niedergehen, der aus der eher trockenen Veranstaltung zum Auftakt der Abstimmungskampagne der RPG-Gegner einen lebhaften Schlagabtausch gemacht hatte. «Sie liefern uns keine Zahlen! Das ist doch keine Kommunikation!», rief Rime. Wachter wiederholte darauf sein Statement ein zweites Mal: «Sie operieren mit Zahlen, die fälschlicherweise dem ARE zugeordnet werden, aber nicht von uns stammen. Und ich bitte Sie, die falsch vermerkte Karte mit diesen Zahlen nicht zu verwenden.» Einen Teufel werde er tun, sagte Rime sinngemäss und erteilte das Wort wieder den Journalisten. «Das hier ist kein Ort für politische Debatten!»

Eine Richtigstellung

Die Folge des Intermezzos war der angesprochene Brief an Doris Leuthard. Auf deren Reaktion an­gesprochen, sagt Wachter, dass die Intervention nicht politisch gewesen, sondern zur Klärung des Sachverhaltes erfolgt sei. «Mir ging es nur darum, fälsch­licherweise uns zugeschriebene Zahlen richtig zu verorten.»

Nötig geworden war die Richtigstellung aus dem Blickwinkel von Wachter und seinen Leuten im ARE wegen einer Karte, die der Walliser Gewerbeverband erstellt hatte und die den Journalisten an der Me­dienkonferenz abgegeben wurde. Auf der Karte wurde mit Berufung auf Zahlen des ARE eine Fläche von 18’800 Hektaren Bauland ausgewiesen, die nach ­einem Ja zum RPG ausgezont werden müssten. Der Gewerbeverband rechnete diese 18’800 Hektaren auf die verschiedenen Kantone hoch und wollte damit zeigen, wie teuer das RPG die Kantone zu stehen kommen könnte: rund 37 Milliarden Franken, wie Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler sagte.

«Das sind keine plausiblen Zahlen», entgegnet das ARE und weist darauf hin, dass ein Kanton nach dem anderen die Zahlen als falsch zurückgewiesen habe. Eine vom ARE in Auftrag gegebene Studie von 2007 gibt grobe Anhaltspunkte zum Auszonungs­bedarf. Da seither weiter Land verbaut wurde und die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung und damit zum künftigen Bedarf kräftig nach oben korrigiert wurden, dürften daraus keine voreiligen Schlüsse gezogen werden, heisst es beim ARE.

Die parzellengenaue Festlegung des Auszonungsbedarfs kann erst erfolgen – so will es das neue ­Gesetz –, sobald Bund und Kantone technische Richtlinien für die Bauzonenbemessung er­arbeitet und die Kantone ihre Richtpläne angepasst haben (das ist eine Schwäche der Vorlage, wie auch «Die Zeit» festgestellt hat). Von Auszonungen werden voraussichtlich vier bis sechs Kantone be­troffen sein, schreibt das ARE, «keineswegs aber stark wachsende Kantone wie Genf oder Zürich, wie die Gegner wider besseren Wissens behaupten».

Es geht um Milliarden

Die nicht näher absehbaren Kosten sind nicht die einzigen Argumente, die die Gegner gegen das revidierte RPG anführen. Sie befürchten eine Erhöhung der Mieten, sie befürchten ein «Diktat aus Bern», sie befürchten eine Staatsintervention, wo keine Staatsintervention nötig sei. Die Revision sei «missraten», «komplex» und «unanwendbar».

«Alles Märchen!», sagt Jacqueline Badran. Nein, sie ruft es eher. Die SP-Nationalrätin ist ernsthaft ­erbost über den Gewerbeverband und seine Taktik im Abstimmungskampf. Badran sitzt in einem Büro im Mediencenter des Bundeshauses, trinkt einen Kaffee, raucht eine Muratti.

«Hier geht es um die Seele der Schweiz. Unser Land, unseren Boden, unsere Heimat.» – Jacqueline Badran

Es ist die Woche nach dem vielgelobten Porträt im «Magazin» des «Tages-Anzeigers», und Badran oszilliert irgendwo zwischen der Verwunderung über ihr mediales Ich (und die vielen Reaktionen darauf) und ihrem Ärger über den Gewerbeverband. Sie kommt von der Medienkonferenz des Pro-Komitees, wo sie vorgerechnet hat, was ihrer Meinung nach der wahre Grund für das Referendum ist: Geld. «Mit dem Gesetz werden in den nächsten Jahren zwei Milliarden Franken für Erschlies­sungskosten ausgegeben. Ohne Gesetz werden es fünf Milliarden sein. Die Tiefbau-Industrie kämpft um die drei Milliarden Differenz.»

Walliser Sonderlösung

Badran argumentiert aber nicht nur mit Zahlen (die sie aus einer älteren Studie von Pro Natura hat), sie argumentiert auch mit dem Herz. «Hier geht es um die Seele der Schweiz. Unser Land, unseren Boden, unsere Heimat.» Wenn man jetzt nicht eine Trendwende einleite, sei es zu spät. Unverschämt findet sie, wie der Gewerbeverband die Angst vor hohen Mieten missbrauche, um die Bauwirtschaft zu protegieren.

Unverschämt findet sie auch das Wallis, jener Kanton, in dem in den vergangenen 30 Jahren am meisten Schindluder mit dem bestehenden Raumplanungsgesetz betrieben und am meisten zusätz­liches Bauland eingezont wurde. Wobei – unverschämt ist das falsche Wort. «Das Wallis wird einmal mehr eine Sonderlösung erhalten. Und wissen Sie was: Es ist mir wurscht. Sollen Sie doch am Ast sägen, auf dem sie sitzen. Sollen sie doch alles zupflastern und zuschauen, wie das Bündnerland floriert. Schaut euch doch Verbier an. Da geht doch kein Reicher mehr hin! Das ist eine zweit-, eine drittklassige Destination!»

Ennet dem Lötschberg

Vieles dreht sich in diesem Abstimmungskampf um das Wallis. Kein anderer Kanton wehrt sich hartnäckiger und geschlossener gegen das neue ­Gesetz. Selbst die SP hat die Nein-Parole gefasst.

Im Bahnhofsbuffet von Brig sitzt Brigitte Wolf und muss lachen. So sei es nun mal hier, nichts ­Neues hinter dem Lötschberg. Wolf ist die Präsidentin der Grünen Oberwallis und damit Präsi­dentin der einzigen Partei im Wallis (die Grünen Unter­wallis sind da mitgedacht), die sich für das neue Raumplanungsgesetz einsetzt. «Alles andere wäre nicht glaubwürdig», sagt Wolf und dann, zur SP, «es stehen halt Wahlen an. Die SP hat etwas zu verlieren. Wir als junge Partei mit nur wenigen Sitzen im Parlament nicht. Wir können nur gewinnen: an Profil!» Aus der ganzen Deutschschweiz habe sie schon Anrufe erhalten, die Aufmerksamkeit sei enorm.

Ihr Kampf ist im Wallis ein aussichtsloser, das weiss Wolf. «Aber jemand muss der schweigenden Minderheit eine Stimme geben. Und diese Minderheit gibt es.» 20, vielleicht sogar 30 Prozent werden am 3. März Ja stimmen.

Das auch öffentlich zu sagen, trauen sich nur die wenigsten. Wolf hat neun Walliserinnen und Walliser in Inseraten des «Walliser Boten» gefunden, die für ein Ja zum Raumplanungsgesetz werben. Es seien aber die üblichen Verdächtigen, Oppositiönler seit Jahren. Keine neuen Gesichter.

«Jemand muss der schweigenden Mehrheit eine Stimme geben.» – Brigitte Wolf

Für neuen Widerstand ist die Situation im Wallis einfach zu verkachelt. Verschiedene Faktoren haben dazu geführt, dass hier über die Jahre so viel Bauland eingezont wurde wie in keinem anderen Kanton (pro Kopf gibt es 572 Quadratmeter Bauzone, gegenüber 309 Quadratmetern im Schweizer Durchschnitt): der Tourismusboom in den 1960er- und 1970er-Jahren beispielsweise, das spezielle Erbrecht und die Tradition des Bodeneigentums.

«Im ländlichen Wallis hat jede Familie ein bisschen Land. Da haben die Gemeindeversammlungen und die Gemeinderäte schon geschaut, dass der Boden der richtigen Leute eingezont und damit zum Bauland wurde.»

Als 1980 das erste Raumplanungsgesetz in Kraft gesetzt wurde, reagierten die Walliser wie sie oft ­reagieren: bockig. In Graubünden, wo vor Inkrafttreten des Gesetzes ähnliche Bautendenzen zu beobachten waren, handelten die Behörden. «Sie setzten das Gesetz um. Die Bündner haben die Bauzonen in den letzten zehn Jahren um 1000 Hektaren verkleinert. Ihnen bereitet das neue Gesetz deshalb kaum Probleme», sagt Wolf, die bis 1995 in Chur lebte und danach der Liebe wegen ins Wallis zügelte (eine Zugezogene!).

Zu viel steht auf dem Spiel

Das Wallis hingegen beharrt auf seinem teuren Boden. Zu viele Familien sind abhängig von ihrem Erbe, zu viele Hypotheken wären ohne teures Bauland nicht mehr zu halten, zu viel Geld steht auf dem Spiel. Darum getrauen sich nur wenige, sich gegen die erdrückende Mehrheit zu stellen. Befeuert wird diese Mehrheit auch von höchster Stelle: Die Regierung orientierte nicht nur die Medien in corpore, sie gibt im Abstimmungskampf auch Steuergelder aus.

Letzte Woche erschien im «Walliser Boten» eine ganze Inserateseite, auf welcher der Staatsrat vor der Revision warnte, die «verwirrend», «komplex» und «unanwendbar» sei. Die Grünen haben scharf dagegen protestiert. Wolf erzählt das un­gläubig lachend, gelöst. Und dann zieht auch sie noch einmal den grossen Bogen. Sie hatte ihr naturschützerisches Erweckungserlebnis als rund Zehnjährige.

Es war Ende der 1970er-Jahre, der Aufsatz von Max Frisch war auch schon über 20 Jahre alt, als sie in einem «WWF-Magazin» las, dass in der Schweiz pro Sekunde ein Quadratmeter Boden ­verbaut ­werde. «Heute ist es immer noch so», sagt Wolf, «aber ich habe die berechtigte Hoffnung, dass ich es noch erlebe, wenn es nur noch ein halber Quadratmeter ist.»

Das will das Gesetz
Die Revision des Raumplanungsgesetzes umfasst drei Kernelemente:
• Die Kantone werden weiterhin ­verpflichtet, ihre Bauland-Reserven am Bedarf für die kommenden 15 Jahre auszurichten. Neu wird aber ein Richtplan nicht mehr genehmigt, wenn er über die 15 Jahre hinausgeht.

• Neue Bauzonen sind immer noch möglich. Die Besitzer von neu eingezontem Land müssen bei einem Verkauf oder einer Überbauung aber mindestens 20 Prozent ihres Gewinns als Mehrwertabgabe wieder abliefern. Diese wird mit der Grundstückgewinnsteuer verrechnet, ist also kostenneutral.

• Mit dieser Mehrwertabgabe (die die Kantone Basel-Stadt und Neuenburg ­bereits kennen) werden unter anderem Landbesitzer entschädigt, die ihr Bauland wegen einer Aus­zonung verlieren und darum finanzielle Einbussen erleiden.Nach der Abstimmung haben die ­Kantone fünf Jahre Zeit, um ihre Richtpläne an das neue Gesetz anzupassen. Bis zur Genehmigung des neuen Richtplans dürfen die Bauzonen nicht vergrössert werden. Danach werden die Nutzungspläne der Gemeinden bereinigt, und erst dann findet eine Auszonung des überschüs­sigen Baulandes statt. Der Bundesrat rechnet mit einer Dauer des Prozesses von rund 20 Jahren.

Quellen

 

Artikel zum Thema in der «Zeit».

Dossier zur Abstimmung des UVEK.

Zusammenfassung der parlamentarischen Debatte.

Die Abstimmungsseite des Bundes.

Die Website der Befürworter und der Gegner der Revision.

Bundespräsident Ueli Maurer stellt sich gegen seine Partei.

Der «Tages-Anzeiger» über einen Bauboom in den Bergkantonen, der durch die Revision ausgelöst wurde.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 22.02.13

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