In Paris wogt der Kampf um ein neues Wahrzeichen: Der Stadtrat zerstreitet sich mehr und mehr über das pharaonische «Dreiecksgebäude» der Architekten Herzog und de Meuron.
Die «Tour Triangle», auf Deutsch der Dreiecksturm, sollte ein neues Wahrzeichen von Paris werden und die Skyline der Lichterstadt ähnlich prägen wie der Eiffelturm oder die Tour Montparnasse. Seit 2008 hatten die Basler Stararchitekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron eine gläserne, 500 Millionen Euro teure Büropyramide für 5000 Angestellte entworfen. Am Montag sollte der Gemeinderat endgültig grünes Licht geben. Doch die Abstimmung endete im Chaos.
Die konservativen und grünen Gegner des Bauvorhabens gewannen die Abstimmung knapp. Die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo bestätigte aber am Dienstag, sie werde das Resultat juristisch anfechten. Einzelne bürgerliche Abgeordnete hatten ihren Stimmzettel vor den TV-Kameras demonstrativ vorgezeigt, obwohl Hidalgo zuvor eine geheime Abstimmung angeordnet hatte.
Lokalpolitischer Spielball
Damit wollte sie bürgerlichen Dissidenten die Möglichkeit geben, gegen die Parteidisziplin zu stimmen. Diese Taktik ging nicht auf, vereinigten die Befürworter doch fünf Stimmen weniger als die Gegner. Indem sie aber mit den Stimmzetteln in der Luft herumwedelten, verletzten sie die Prozedurregeln, weshalb Hidalgo gute Chancen hat, vor Verwaltungsgericht eine Neuansetzung der Abstimmung zu erwirken.
Das ehrgeizigste Pariser Bauvorhaben seit den Neunzigerjahren droht damit zu einem Spielball der Lokalpolitik zu verkommen. Als es der frühere sozialistische Bürgermeister Bertrand Delanoë vor sechs Jahren vorgestellt hatte, war die Rechtsopposition noch dafür gewesen.
Die bei den Gemeindewahlen im Frühjahr 2014 unterlegene Bürgerliche Nathalie Kosciusko-Morizet benützt nun aber die Gelegenheit, um sich an Hidalgo zu rächen. Sie wendet ein, das von der Immobiliengruppe Unibail finanzierte Gebäude enthalte nicht mehr das geplante Kongresszentrum, sondern nur noch Büros. Ausserdem stehe die 180 Meter hohe «Tour Triangle» am Südrand von Paris so einsam und isoliert in der Stadtlandschaft wie die Tour Montparnasse (209 Meter), die bei der Pariser Bevölkerung äusserst unbeliebt ist.
Von ausdrücklichen Ausnahmen wie dem Eiffelturm abgesehen, darf in Paris seit den Zeiten des Stadtplaners Baron Haussmann im 19. Jahrhundert nicht höher als 37 Meter gebaut werden. Paradoxerweise will nun die Linke dieses Verbot aufbrechen, um die Dynamik und das Wachstumspotenzial der Zehn-Millionen-Metropole zu unterstreichen, während die sonst wirtschaftsfreundliche Rechte plötzlich auf die Einhaltung des «gesunden Masses» pocht. Die Grünen sind aus stadtplanerischen Gründen dagegen; sie vermissen mit einem gewissen Recht urbanistische Begleitmassnahmen des Riesenbaus.
Noch nicht ganz vor dem Aus
Architekten bedauern das lokalpolitische Tauziehen. Eine Ausstellung in den Pariser Arsenal-Räumen zeigt die diversen, überraschend vielfältigen Perspektiven der «Tour Triangle»: Vom historischen Stadtzentrum aus betrachtet, bietet sie eine schmale Flanke dar und wirkt damit wie ein eleganter Turm; wer jedoch auf den Vorstadtautobahnen auf die Stadt zufährt, kommt die wuchtige Breitseite der Büropyramide zu sehen.
Noch imposanter wirkt aus dieser Sicht nur der Eiffelturm – doch der ist ohnehin konkurrenzlos. Vielleicht auch, damit das so bleibt, haben sich in einer Umfrage 62 Prozent der Pariserinnen und Pariser gegen die «Tour Triangle» ausgesprochen. Aber noch ist das letzte Wort in dieser Angelegenheit nicht gesprochen. Die erst seit März amtierende Bürgermeisterin Hidalgo wird alles daran setzen, ihr erstes grosses Projekt doch noch durchzubringen.