Keine Energiewende ohne Wasserkraft, sagen die Stromversorger. Und fordern schon nach der ersten grossen Energiedebatte Bundesunterstützung für bestehende Wasserkraftwerke.
Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft der nationalen Energieversorgung. Worum der Nationalrat bis heute kämpfte, ist nicht nur die Frage, ob die Schweiz aus der Atomkraft aussteigt. Es geht um die viel wichtigere Frage: Was kommt danach?
Klar ist jetzt: Der Nationalrat will aus der Atomkraft aussteigen. Doch das Parlament setzt keinen Zeithorizont und hat sich heute Dienstag gegen die Ausstiegsinitiative der Grünen ausgesprochen. Diese fordert, die Atomkraftwerke nach 45 Jahren Laufzeit vom Netz zu nehmen.
Der Nationalrat will nur den ältesten AKW eine Beschränkung geben: Beznau I und II sollen spätestens nach 60 Jahren vom Netz gehen (2029 bzw. 2031). Die übrigen sollen so lange laufen, wie sie die Atomaufsichtsbehörde noch als sicher einstuft.
Die zentrale Quelle
Seit vergangener Woche hat der Nationalrat um das erste grosse Massnahmenpaket zur Schweizer Energiezukunft gerungen. «In bemerkenswerter Disziplin», wie Urs Steiner sagt, Direktor der Elektra Baselland. Steiner hat die Debatte gut beobachtet. Denn am Schluss sind es auch die Energieversorger, die diese Energiestrategie 2050 des Bundes umsetzen müssen – und nicht nur die Kantone, die ihrerseits Leitlinien vorgeben.
Neben dem Ausstieg aus der Atomkraft geht es um den Einsatz und die Förderung erneuerbarer Energien und begleitend um die Senkung des Energieverbrauchs in der Bevölkerung. In diesem «Strommix der Zukunft», von dem die Versorger reden, ist eine Stromquelle zentral: die Wasserkraft. Schon heute besteht die Stromversorgung der Schweiz zu rund 60 Prozent aus heimischen Wasserkraftwerken des «Wasserschlosses Schweiz».
Und darin sind sich sämtliche Versorger der Region einig: ohne Wasserkraft keine Energiewende. «Das ist die grösste Sorge», sagt Steiner. Auf dem freien Strommarkt seien CO2-intensive Energiequellen wie Kohle und Gas derzeit günstig – günstiger als die heimische Wasserkraft. «Wenn wir das nicht auffangen, sehe ich unsere Wasserkraft und damit die Wende in Gefahr.»
Das sehen auch die Industriellen Werke Basel so. Die IWB sind bereits heute der einzige Versorger, der ausschliesslich erneuerbare Energien aus eigenen Kraftwerken verkauft. Neben den grossen Unternehmen Alpiq, Axpo und BKW zählen die IWB mit ihren Kraftwerken und Beteiligungen zu den sechs grossen Schweizer Stromproduzenten.
Ausgleich zu den Marktpreisen
«Die Wasserkraft ist für die erfolgreiche Umsetzung der Energiestrategie 2050 eine Schlüsselressource», sagt IWB-Sprecher Lars Knuchel. «Ohne diese schon bestehende Wirbelsäule zu sichern, schafft die Schweiz keine Energiewende.» Tatsache ist: Bleibt der Strom aus CO2-intensiver Produktion billiger, sind die eigenen Wasserkraftwerke auf lange Zeit nicht mehr rentabel.
Und genau deshalb fordern die Versorger eine staatliche Unterstützung: «Es braucht eine zeitlich befristete Überbrückungslösung, die die notwendigen Investitionen in den bestehenden Betrieb sicherstellt», so Knuchel. Klar bräuchten Sonne und Wind nach wie vor eine Anschubfinanzierung in Form der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV).
«Aber die heutigen 60 Prozent der Stromversorgung müssen sichergestellt sein», sagt Knuchel. Denn: «Als einzige erneuerbare Energiequelle ist die Wasserkraft mit Abgaben von über 40 Prozent so stark belastet, dass sie vor dem Hintergrund der tiefen CO2-Preise nicht mehr rentieren kann.»
Damit kommen die regionalen Versorger der Argumentation von Hans E. Schweickardt nach, dem Verwaltungsratspräsidenten des grössten Schweizer Stromproduzenten Alpiq. In dessen Verwaltungsrat sitzen auch die regionalen Vertreter – als Teilhaber nehmen sie im Gremium Einsitz.
Schweickardt kritisiert im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» zwar grundsätzlich Subventionen wegen deren «marktverzerrender Wirkung», fordert aber gleichwohl, dass alle gleichberechtigt behandelt werden – also auch die Wasserkraft.
Verkehrte Welt
Auch Conrad Ammann, Direktor der Elektra Birseck-Münchenstein, sitzt im Alpiq-Verwaltungsrat. «Es ist eine verkehrte Welt: Während Abgaben auf die Wasserkraft steigen, bestimmen die CO2-intensiven Energiequellen den Preis.» Bei vielen Kraftwerken stünden Erneuerungen an und natürlich sei es gut, dass der Nationalrat sich für die Förderung weiterer neuer Grosswasserkraftwerke ausgesprochen habe. «Aber die Erneuerungsinvestitionen in bestehende Wasserkraftwerke dürfen auf keinen Fall vergessen werden.» Obwohl er «kein Freund von Subventionen» sei, müsse der Ausgleich sichergestellt sein.
Immerhin: «Die Debatte geht in die richtige Richtung», sagt EBL-Direktor Urs Steiner: «Ich meine zum Zeithorizont immer noch, dass wir bis etwa 2050 auf die Kernenergie angewiesen sind.» Ziel müsse es also sein, nicht nur die erneuerbaren Energiequellen zu fördern, sondern auch die 60 Prozent der bestehenden Wasserkraft zu sichern.
Die Debatte im Nationalrat ist nun beendet. Voraussichtlich im Sommer 2015 wird sich der Ständerat mit dem Paket beschäftigen. Und dann setzen die Energieversorger alles daran, dass die kleine Kammer insbesondere die staatliche Unterstützung bestehender Wasserkraft bevorzugt behandelt – was der Nationalrat bislang nicht machte.