Der Kanton, die SBB und eine Zürcher Anlagestiftung stritten jahrelang um ein Neubau-Projekt an der Hochstrasse. Nun gibt das Baudepartement grünes Licht. Aber dieser Entscheid birgt in mehrfacher Hinsicht Konfliktpotenzial.
Vor wenigen Tagen erhielten die Mieterinnen und Mieter an der Hochstrasse 4 bis 10 die Kündigung ihrer Wohnungen. Sie waren als Zwischennutzer eingezogen. Bis September 2017 müssen sie nun wieder ausziehen.
Die Zürcher Anlagestiftung Turidomus hatte als Besitzerin ein Baugesuch für einen Neubau eingereicht. Das war 2009. Sieben Jahre später hat der Kanton das Gesuch bewilligt.
Was war passiert? Das Projekt von Turidomus konnte nicht bewilligt werden, weil die SBB Einsprache einreichten. Dies, weil der geplante Neubau auf einer sogenannten Interessenlinie der SBB liegen wird. Das heisst: Die SBB könnten Interesse an jenem Areal anmelden, wenn sie ihre Umbaupläne des Bahnhofs verwirklichen.
Hochstrasse müsste höher liegen
Denn die SBB wollen auf der Gundeldinger Seite des Bahnhofs zwei neue Gleise bauen. Bis vor Kurzem gingen die SBB und der Kanton davon aus, dass dafür die dortige Peter-Merian-Brücke neu gebaut werden müsste. Das hätte zur Folge gehabt, dass die Hochstrasse an dieser Stelle hätte erhöht werden müssen.
Jetzt gehen die SBB und der Kanton offenbar davon aus, dass die Brücke so bleiben kann. Klar ist: Wenn der Neubau 2019 steht, kann die Strasse schlecht erhöht werden.
So sieht das Neubau-Projekt aus, das die Zürcher Architektin Zita Cotti entwarf. (Bild: Zita Cotti Architekten AG)
Damit schaffe der Kanton ein «fait accompli», sagt der CVP-Grossrat Oswald Inglin, der sich seit Jahren mit dem Bahnhofsumbau beschäftigt. Der Handlungsspielraum sei für andere Projekte am Bahnhof eingeschränkt. Zum Beispiel für eine Fussgänger-Unterführung, die von der Hochstrasse in Richtung Innenstadt führen könnte.
Kanton schaut nicht voraus
Marc Keller, Mediensprecher des Bau- und Verkehrsdepartements (BVD), sagt, es sei noch unklar, wie und wann die SBB auf dieser Seite die Gleise ausbauen wollten. «Unsere Planung stellt sicher, dass am Ende alle beteiligten Parteien aneinander vorbeikommen.»
Die Frage nach einer Fussgänger-Unterführung in diesem Bereich stelle sich noch nicht, so Keller, «weil noch kein Projekt zur Gleiserweiterung vorliegt».
Inglin sieht darin eines der Probleme: Der Kanton denke städtebaulich nicht vorausschauend, sondern segne fortschreitend einzelne Projekte ab, die die Quartierbevölkerung vor vollendete Tatsachen stellen.
Günstiger Wohnraum verschwindet
Gerade diskutiert Inglin in einem Beirat des BVD mit Experten, was im Gundeldingerquartier in Zukunft wichtig ist. «Alle Experten weisen darauf hin, dass eine Fussgänger-Querung im Bereich Peter-Merian-Brücke wichtig sei», sagt Inglin. Doch mit dem Neubau von Turidomus seien bestimmte Pläne für die Unterführung gar nicht mehr möglich.
Neben dem Interessenkonflikt mit den SBB stellt der Entscheid auch die Mieterinnen und Mieter vor ein konkretes Problem: Sie werden im Quartier kaum mehr eine so günstige Wohnung finden, wie sie bislang hatten.
Studentin Anna Oechslin, die in einer solchen Wohnung wohnt, hofft auf eine Verlängerung der Zwischennutzung. Mit ihren Mitbewohnern prüft sie, wie man gegen die Kündigungen vorgehen kann.
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Die SBB konnten innerhalb von 24 Stunden zur Anfrage der TagesWoche keine Stellung nehmen.