EasyJet wird immer pünktlicher und arbeitet am Image. In Ausnahmesituationen werden Passagiere oft alleine gelassen.
Mal eben kurz nach Marokko fliegen – dank EasyJet ist ein Kurztrip in das Königreich auch bei kleinem Budget erschwinglich. Ein Retourticket von Basel nach Marrakesch kostet bei rechtzeitiger Buchung weniger als 200 Franken. Dass die Billigfliegerei auch ihre Kehrseite hat, erlebten Mitte August die Passagiere des EasyJet-Flugs EZY9160. Wenige Minuten nach dem Start in Marrakesch begann das Flugzeug zu schwanken und kehrte wegen eines technischen Defekts zum Flughafen zurück. Nach mehrstündiger Wartezeit wurden die Passagiere in verschiedene Hotels verteilt. Der Ersatzflieger kam erst am kommenden Tag. Doch auch dieser brachte die Passagiere nicht in die Heimat. Abermals verhinderten technische Probleme den Rückflug.
Auf die Hitze, die fehlende Betreuung und Information reagierten einige Passagiere mit Panik und körperlichen Zusammenbrüchen. Kinder schrien, eine Diabetespatientin musste medizinisch betreut werden, und ein Passagier insistierte beim Bodenpersonal so lange, bis er verhaftet wurde. Mehr als 48 Stunden nach der geplanten Heimkehr kamen die Fluggäste schliesslich in Basel an.
Bis in die Abendnachrichten
Auf einem fremden Kontinent festzusitzen, bei drückender Hitze und fehlender Betreuung: für Fluggäste ein unangenehmes Szenario. In Frankreich schafften es die sitzen gelassenen Passagiere prominent bis in die Abendnachrichten des staatlichen Fernsehsenders.
In der Vergangenheit sorgte EasyJet auch in der Schweiz immer wieder für Negativschlagzeilen. Etwa vor zwei Jahren, als ein von London kommender Billigflieger die Passagiere aus Kostengründen in Lyon ablud, statt wie vorgesehen in Basel – wo das verspätete Flugzeug wegen des Nachtflugverbots nicht mehr hätte starten dürfen. Seit rund zwei Jahren ist es in den Schweizer Medien ruhiger geworden um die Fluggesellschaft.
Ein Blick auf die Facebook-Seite von EasyJet Basel deutet jedoch darauf hin, dass es punkto Kundenzufriedenheit auch heute noch nicht zum Besten steht. «Ich und meine Freundin sind zum letzten Mal mit EasyJet geflogen!», schreibt Monir Salihi am 21. August. Beim Rückflug von Barcelona seien seiner Freundin für das Handgepäck 50 Euro verrechnet worden, weil es in der Kabine keinen Platz mehr hatte.
Eine andere Passagierin beklagte sich am 12. August über eine sechsstündige Abflugsverspätung in Basel und den mangelhaften Service. «Dass ich an der Bar angeraunzt werde, weil ich mit dem Getränkegutschein ein Wasser statt Kaffee möchte, finde ich doch sehr frech; es zeugt von schlechter Mitarbeiterschulung und miserabler Kommunikation.»
Eine Beschwerde folgt auf die andere. «Irgendwie fehlen mir die Worte», schreibt ein Passagier, der vom Bodenpersonal darüber informiert wurde, dass am EuroAirport Gepäckschäden von allen Fluggesellschaften aufgenommen würden – ausser von EasyJet. «Where is the don’t like button when I really need it?????????», fragt eine andere Passagierin.
Der neue Musterknabe
Dabei lässt sich durchaus auch Positives über den Billiganbieter berichten. So gehört EasyJet in der Zwischenzeit zu den pünktlichsten Fluggesellschaften am EuroAirport. Die Pünktlichkeitsrate lag Anfang Jahr bei knapp 90 Prozent. Beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) bezeichnet der Medienverantwortliche Urs Holderegger den Billigflieger als «Musterknabe» bei der Wahrung der Fluggastrechte. «Wir haben in letzter Zeit zu EasyJet gutes Feedback erhalten und sehen die Bemühungen der Airline, aus den früheren Fehlern zu lernen», schreibt der Kommunikationschef. Über die Zahl der Beschwerden im laufenden Jahr schweigt sich das Bundesamt aus.
Verläuft der Flugverkehr nach Plan, ist EasyJet ein zuverlässiger Partner, wie Flughafenmitarbeiter und Rechtsberater bestätigen. Bei Zwischenfällen fehlt es der Airline allerdings an Personal oder am Willen. Die Fluggesellschaft richtet sich nach einem strikten Kostenplan. Sie gilt auch in Verhandlungen als äusserst hartnäckig.
Diese Geschäftspolitik bekommen auch die Journalisten zu spüren.
Die Medienstelle ist nur per Mail zu erreichen. Die Antwort auf die Anfrage lässt auf sich warten. Kurz vor Redaktionsschluss nimmt die Fluggesellschaft Stellung. Sie habe nach dem Flug EZY9160 von Marrakesch Untersuchungen eingeleitet, um die genauen Umstände dieses Zwischenfalls zu ermitteln. Die Untersuchungen seien noch am Laufen. Zur Entschädigung bot die Fluggesellschaft jedem Passagier 400 Euro an, wie es die EU-Verordnung vorsieht. Die Sicherheit und das Wohlergehen der Passagiere hätten bei der Fluggesellschaft oberste Priorität.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 30.08.13