Streitigkeiten zwischen benachbarten Einfamilienhausbesitzern sind besonders belastend, da keine der Parteien einfach wegziehen kann. Wer präventiv handelt, Probleme direkt anspricht und Toleranz walten lässt, schafft die Basis für ein gutes Zusammenleben mit den Nachbarn.
Rauch, Gelächter, Kinderlärm, Grillfeuer, Abfallsäcke am Strassenrand, falsch parkierte Autos – die Einsatzprotokolle der Kantonspolizei Basel-Stadt zeigen deutlich, worüber sich Nachbarn in Einfamilienhausquartieren so sehr ärgern, dass sie die Polizei einschalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einfachere Wohnquartiere wie das Bachletten handelt oder um gehobenere Wohnlagen wie im Bruderholz oder in Riehen.
Und meist ist die lärmige Grillparty nebenan nur der finale Auslöser: «Häufig sind es Kleinigkeiten, die sich kumulieren und jemanden veranlassen, die Polizei aufzubieten», sagt Wachtmeister Jean-Pierre Roubaty. Er arbeitet in der Polizeiwache Kannenfeld für den Bereich Community Policing und ist somit unter anderem auch bei nachbarschaftlichen Konflikten Ansprechpartner für Quartierbewohner. Nach Roubatys Beobachtung haben Nachbarschafts-Streitigkeiten in den letzten Jahren zwar nicht zugenommen. Aber der Umgang zwischen den Nachbarn habe sich verändert: «Nicht selten wird die Polizei gerufen, ohne dass die Leute je miteinander über das Problem gesprochen hätten.»
– Suchen Sie das Gespräch!
– Sprechen Sie Probleme offen an!
– Lassen Sie andere Sichtweisen zu!
– Seien Sie tolerant!
Beim Schlichten vor Ort sei die Polizeiarbeit zudem schwieriger geworden: «Viele pochen nur auf ihr Recht und sind zu keinen Kompromissen bereit», sagt Roubaty. Oft gehe es um mehr als bloss Lärm, falsch deponierte Kehrichtsäcke oder Grillrauch. Das beobachtet auch Karin Grütter, ausgebildete Mediatorin und Mitinhaberin von Bildbar – Mediation und Coaching in Basel: «Bei unseren Gesprächen zwischen zerstrittenen Nachbarn müssen wir oft erst herausfinden, welche Probleme wirklich dahinter stecken.»
Klare Regeln für Grünzeug
Eine weitere Quelle für Streit sind Büsche und Bäume. Gerade im Herbst, wenn das Laub von Nachbars Baum auf dem eigenen Rasen landet, macht mancher Einfamilienhausbesitzer die Faust im Sack oder würde am liebsten selbst zur Säge greifen.
Grundsätzlich gelten für das Grün im Garten klare Regeln. Man findet sie in den Einführungstexten zum jeweiligen kantonalen Zivilgesetzbuch und in den Planungs- und Baugesetzen (siehe Box unten). Dort ist etwa geregelt, wie hoch eine Hecke sein darf und welchen Abstand sie von der Grenzlinie haben muss. So legt das Planungs- und Baugesetz des Kantons Basel-Stadt beispielsweise fest, dass Umzäunungen (zu denen auch Hecken zählen) nicht höher als zwei Meter sein dürfen. Und der Kanton Basel-Landschaft schreibt vor, dass eine Hecke nicht näher als 60 Zentimeter an der Grenze stehen und ihre Höhe das Dreifache des Abstandes nicht überschreiten soll. Eine drei Meter hohe Hecke zum Beispiel muss demnach einen Mindestabstand von einem Meter zur Grundstücksgrenze haben.
Ein Recht auf Stutzen
In anderen gartenübergreifenden Fällen kann das sogenannte Kapprecht geltend gemacht werden. Wenn etwa Äste oder Wurzeln von Pflanzen des Nachbarn aufs eigene Grundstück wachsen, ist es nach Kapprecht erlaubt, sie zurückzuschneiden, sofern sie Schäden verursachen, viel Schatten werfen oder die Aussicht verwehren.
Die Auslegung des Kapprechts kann aber schnell zu Zwist führen. So gelten beispielsweise Früchte und Blätter, die von den herübergewachsenen Ästen fallen, nicht als Grund zum Kappen. Was runterfällt, muss per Gesetz toleriert werden. Beschädigen die Wurzeln aber ein Gebäude oder versperren die Äste eine Durchfahrt, kann das Kapprecht angewendet werden. Einfach abhauen darf man die Wurzeln und Äste trotzdem nicht. Zuerst muss man dem Nachbarn eine Frist setzen, bis wann er das störende Grün zurückstutzen soll. Erst wenn diese Frist verstrichen ist, darf man selbst zu Schere oder Säge greifen.
Reden, reden, reden
Um den nachbarschaftlichen Frieden zu wahren, empfiehlt sich – wie bei allen Problemen – ein besonnenes Vorgehen. Und das beginnt stets mit einem Gespräch. Dabei sollte man das strittige Thema konkret ansprechen (siehe Tipps). «Häufig lassen sich so Probleme einfach beseitigen», sagt Jean-Pierre Roubaty vom Community Policing.
Noch besser ist es, mit den Nachbarn zu sprechen, bevor Probleme überhaupt entstehen können, etwa wenn man einen Umbau plant oder eine grosse Gartenparty veranstaltet. So lässt sich etwa im Voraus klären, wo die Handwerker parkieren, wann es lärmig wird und wie lange die Arbeiten dauern. Vorinformiert wird kaum ein Nachbar die Polizei aufbieten. Gleiches gilt, wenn die angekündigte Gartenparty auch nach zehn Uhr noch gut zu hören ist.
Umgekehrt sollte man gegenüber den Nachbarn dieselbe Toleranz walten lassen, die man sich von ihm wünscht. Und sollte einmal Laub aus dem eigenen Garten in den des Nachbarn fallen, schadet es sicher nicht, wenn man ihm anbietet, die Blätter selbst wegzuräumen – auch wenn man rechtlich nicht dazu verpflichtet wäre.
Mediation statt Gericht
Wenn alles Reden nicht mehr hilft, ist der Weg zum Anwalt selten die richtige Lösung. «Gerichtsfälle kennen Sieger und Verlierer, entsprechend schlecht sind die Voraussetzungen für das weitere Zusammenleben», sagt Mediatorin Karin Grütter. Gerade in Einfamilienhausquartieren, wo keiner der betroffenen Nachbarn einfach wegziehen kann, sei das ein grosses Problem.
Eine Mediation ist deshalb oft die bessere und wesentlich günstigere Variante: «Wir versuchen immer eine Win-Win-Situation zu ermöglichen, so dass die Anliegen beider Seiten berücksichtigt werden.» Wer in der Stadt Basel wohnt, kann bei Streitigkeiten auch die Beamten vom Community Policing um Hilfe bitten – vorausgesetzt beide zerstrittenen Nachbarn sind damit einverstanden. «Wir berufen jeweils einen runden Tisch ein, um den Fall zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen», sagt Jean-Pierre Roubaty. Eine gute Lösung, sowohl für die beteiligten Parteien als auch für die Polizei: «Wenn wir nachbarschaftliche Probleme friedlich im Gespräch lösen können, haben unsere Streifenwagenbesatzungen Zeit, sich um die wirklich wichtigen Probleme zu kümmern.»
– Community Policing der Kantonspolizei Basel-Stadt
– Ausländerberatung GGG: Vermittelt insbesondere bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, die ihre Ursache in Konflikten zwischen verschiedenen Kulturen haben
– Mediationsvermittlung Region Basel
– Schweizerischer Dachverband Mediation
– Koordination Mediation Schweiz
– Alle Gesetzestexte rund um den Garten für sämtliche Kantone im Überblick
– Literatur: «Bäume und Sträucher im Nachbarrecht», erhältlich bei Jardin Suisse (Fr. 40.–)