Mehr Gewerkschafter sollen in die Politik, fordern SPler. Nur so könne man den Bürgerlichen Paroli bieten.
Daniel Münger ist Vollblut-Gewerkschafter. Der Klassenkampf liege wahrscheinlich in seinen Genen, sagt er. «Einem Land, in dem der Reichtum möglichst breit verteilt ist, geht es am besten.»
Von 2003 bis 2013 war er Präsident des Gewerkschaftsbunds Baselland. Gleich lange politisierte er für die SP im Landrat. Nach seiner Schlappe bei den Regierungsratswahlen Anfang des Jahres zog er sich aus der Politik zurück. Heute ist Münger Zentralsekretär bei der Gewerkschaft Syndicom – und nur noch Lobbyist, wie er sagt.
Politiker und Gewerkschafter in einer Person – das ist ein Modell, das viele SPler anstreben. «Wenn SP und Gewerkschaften nicht enger zusammenarbeiten, haben wir kein Brot gegen die Bürgerlichen», sagt die SP-Grossrätin Kerstin Wenk, die selbst in der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (VPOD) in Basel-Stadt sitzt. In der SP Basel-Stadt gibt es mit Wenk, Pascal Pfister und Toya Krummenacher heute drei aktive Gewerkschafter, die im Grossen Rat sitzen.
Gewerkschaft und SP gehen gemeinsam auf die Strasse
Das ist kein Zufall. Die Präsidentin der SP Basel-Stadt sagt, es sei eines ihrer Ziele, mehr Gewerkschafter in die SP zu holen, Gewerkschaften und Politik insgesamt besser zu verschränken. Finanzielle Vorteile haben bei dieser Überlegung keine Rolle gespielt, es gehe um eine «inhaltliche Verschränkung».
Dabei ist bekannt, dass Gewerkschaften mit ihren Geldern im Abstimmungs- und Wahlkampf kräftig die Werbetrommel rühren. Ein Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen SP und Gewerkschaften auf nationaler Ebene ist die Mindestlohninitiative. 2014 gingen die SP und der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) Hand in Hand für einen flächendeckenden Mindestlohn von 4000 Franken auf die Strasse.
Die Bevölkerung schmetterte die Vorlage ab, einige Arbeitgeber erhöhten aufgrund des öffentlichen Drucks jedoch die Löhne ihrer Angestellten. Die Kampagne war trotz herber Niederlage an der Urne ein Erfolg für die Gewerkschaften.
Unia ist nur noch «Kampagnen-Organisation»
Die Unia, die grösste Gewerkschaft in der Schweiz, sei zu einer «Kampagnen-Organisation» geworden, sagt Hans Furer, langjähriger Landrat (Grünliberale) und ehemaliges Vorstandsmitglied bei Travail Suisse. Die Kampagnen bereiteten den Acker vor, auf dem die Gewerkschaften anschliessend die besseren Bedingungen für Arbeitnehmer ernten.
Früher hätten Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände in vertraulichen Gesprächen Lösungen entwickelt, heute werden Referenden, Initiativen und Kampagnen für Gewerkschaften immer wichtiger, schreibt der Politologe Manuel Fischer im Buch «Wer regiert die Schweiz?». Paul Rechsteiner (SP), der Gewerkschafter-Dino im Ständerat, meint gar: «Wir sind in den letzten 15 Jahren zur stärksten Referendumskraft geworden.»
Im Bundeshaus sind Gewerkschaften gut vertreten. Mit Rechsteiner, Christian Levrat und Corrado Pardini – um nur drei zu nennen – üben Gewerkschafter in der SP durchaus politische Mandate aus. Und neben den Parlamentariern gehen eine Reihe an Lobbyisten für Arbeitnehmer im Bundeshaus ein und aus.
Portion Idealismus gehört dazu
Bei den registrierten Zutrittskarten zum Bundeshaus halten sich Gewerkschafter und Vertreter von Wirtschaftsverbänden ungefähr die Waage. Einige Nationalräte vergeben ihre Zutrittskarten nicht direkt an Interessenvertreter, sondern an Kommunikationsagenturen. Ausserdem kommen viele Lobbyisten – wie Daniel Münger – nicht über die offiziellen Zutrittskarten ins Bundeshaus, sondern über persönliche Einladungen von Parlamentariern.
Es ist deshalb schwer zu sagen, wer die Oberhand in Bundesbern hat. Münger meint: «Wenn ich ins Bundeshaus gehe, sehe ich deutlich weniger Gewerkschafter als Wirtschaftsvertreter – Zutrittskarte hin oder her.»
Auch Furer sieht ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern. «Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse haben eine Vielzahl an Mitarbeitern, die nur politische Dossiers behandeln und mit Parlamentariern in Kontakt stehen – nicht nur im Bundeshaus.»
Dabei vertreten Gewerkschaften eine breite Allgemeinheit, wohingegen einzelne Wirtschaftsverbände, wie etwa der Krankenkassen-Verband, ganz bestimmte Partikularinteressen vertreten, erklärt Münger – also nur für eine ganz kleine Gesellschaftsschicht eintreten. Das ist es wieder, Müngers Gewerkschafter-Gen. «Eine gewisse Portion Idealismus gehört als Gewerkschafter dazu.»