Klimainitiative kommt kaum vors Volk

Das Parlament empfiehlt dem Volk, die grüne Klimainitiative abzulehnen, nachdem das CO2-Gesetz unter Dach ist. Doch das Volksbegehren kommt kaum vors Volk. Denn die Initianten werden am 19. März wohl den Rückzug beschliessen.

Ob CO2-Gesetz oder Klimaschutz-Initiative: Ziel ist die Reduktion der Treibhausgase (Bild: REUTERS/Denis Balibouse)

Das Parlament empfiehlt dem Volk, die grüne Klimainitiative abzulehnen, nachdem das CO2-Gesetz unter Dach ist. Doch das Volksbegehren kommt kaum vors Volk. Denn die Initianten werden am 19. März wohl den Rückzug beschliessen.

Wie stark soll die Schweiz ihre Klimagase bis 2020 reduzieren? Diese Frage beschäftigt die Schweizer Politik seit dem 29. Februar 2008. Damals reichte eine Allianz aus linksgrünen Parteien und Umweltorganisationen ihre Volksinitiative «für ein gesundes Klima» (Klimainitiative) ein. Diese verlangt, dass die Schweiz ihre Treibhausgase im Inland um 30 Prozent unter das Niveau von 1990 senkt. Es handelt sich – wie bei der Alpeninitiative – um eine Ziel-Initiative, die keine konkreten Massnahmen vorschreibt.

CO2-Gesetz als Gegenvorschlag

Unter dem Druck des Volksbegehrens beschlossen Bundesrat und Parlament, das alte CO2-Gesetz zu revidieren, und dieses der Initiative als indirekten Gegenvorschlag gegenüber zu stellen. Nach zähen Verhandlungen stimmte das Parlament im Dezember 2011 dem neuen CO2-Gesetz zu. Dieses stellt einen Kompromiss dar zwischen den Forderungen von Wirtschafts- und Umweltverbänden: Es verlangt, dass die Schweiz ihre inländischen Klimagase bis 2020 um mindestens 20 Prozent vermindert. Das ist weniger, als die Initiative vorschreibt, aber mehr, als die Wirtschaftsverbände zugestanden. So forderte Economiesuisse, dass die Hälfte der 20-prozentigen Reduktion im Ausland erfolgen darf (Kauf von ausländischen Emissionszertifikaten).

Allerdings enthält das Gesetz einige Löcher, die das Erreichen des Inlandziels in Frage stellen. So will Umweltministerin Doris Leuthard in der Ausführungsverordnung die Emissionen von neuen Gaskraftwerken ausklammern und Industriebetrieben ermöglichen, einen Teil ihrer Reduktionsverpflichtungen mit dem Kauf von europäischen Emissionszertifikaten zu erfüllen. Nach diesen Zusagen verzichteten  die Wirtschaftsverbände auf ihr angekündigtes Referendum. Weil niemand sonst das Referendum ergriff, kann das CO2-Gesetz nach Ablauf der Referendumsfrist im April 2012 in Kraft treten.

Volksabstimmung oder Rückzug?

Offen bleibt nur noch das Schicksal der Klimainitiative: Der Nationalrat hatte schon im Dezember beschlossen, diese Initiative dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen. Dieser Empfehlung folgte gestern auch der Ständerat; dies mit 24 gegen 13 (linksgrüne) Stimmen. Mit dem CO2-Gesetz habe die Schweiz ihre klimapolitischen Hausaufgaben gemacht, argumentierte Doris Leuthard vor der Kleinen Parlamentskammer.Die Volksabstimmung über die Klimainitiative könnte damit noch im laufenden Jahr stattfinden. Doch dazu wird es kaum kommen.

Am 19. März trifft sich das 17-köpfige Initiativkomitee in Bern und wird entscheiden, ob es die Initiative aufrecht erhalten oder zurück ziehen soll. «Der Rückzug ist eine Option», sagt Christoph Dietler, Geschäftsleiter des Vereins Klimainitiative. Genaueres will niemand sagen. Aufgrund der Zusammensetzung des Initiativkomitees sowie aus inhaltlichen Erwägungen lässt sich aber voraussagen: Die Mehrheit des Initiativkomitee wird mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit für einen Rückzug stimmen.

Risiken des Volksentscheids
Für einen Rückzug sprechen folgende Gründe: Sagt das Volk Nein zur Klimainitiative, würde das die Schweizer Klimapolitik schwächen. Selbst ein Volks-Ja, das eine teure Abstimmungskampagne erforderte, könnte kurzfristig wenig ändern. Die Bundesverfassung schriebe zwar eine 30prozentige Reduktion der Treibhausgase im Inland vor, doch Verfassungsziele allein bewirken wenig. Bundesrat und Parlament müssten danach strengere Massnahmen im erneut zu revidierenden CO2-Gesetz festschreiben.
Das kann weitere Jahre dauern. Zudem ist fraglich, ob das Ziel der Initiative tatsächlich strenger ist. Denn falls andere Länder mitziehen, gibt schon das bestehende CO2-Gesetz dem Bundesrat die Möglichkeit, das Reduktionsziel zu erhöhen auf maximal 40 Prozent, wobei 25 Prozent der Reduktionen im Inland erfolgen müssten (der Rest mit Massnahmen im Ausland).
Ein weiteres Indiz für den Rückzug der Initiative lieferte der Verein Klimainitiative, das Beratungs- und Ausführungsorgan des Initiativkomitees, schon im letzten Dezember mit folgender wohlwollender Würdigung: «Das CO2-Gesetz ist ein klimapolitischer Kompromiss und kohärent ausgestaltet.»

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