König Pau Gasol I. eint Spanier und Katalanen

Spanien holt sich unter der Führung von Pau Gasol den EM-Titel. Der Katalane gilt im Land nun nicht nur als «Europas bester Basketballer der Geschichte», sondern ist – wenige Tage vor den schicksalhaften Wahlen in seiner Heimatregion über eine mögliche Abspaltung aus dem Königreich – zum Symbol für die Einheit von Spanien geworden.

ALCALA DE HENARES, SPAIN - JULY 15: Spanish basketball player Pau Gasol (R) receives the "Camino Real" award from King Felipe VI of Spain (L) at the Alcala de Henares University on July 15, 2015 in Alcala de Henares, Spain. (Photo by Carlos Alvarez/Getty Images)

(Bild: Carlos Alvarez)

Spanien holt sich unter der Führung von Pau Gasol den EM-Titel. Der Katalane gilt im Land nun nicht nur als «Europas bester Basketballer der Geschichte», sondern ist – wenige Tage vor den schicksalhaften Wahlen in seiner Heimatregion über eine mögliche Abspaltung aus dem Königreich – zum Symbol für die Einheit von Spanien geworden.

Arm in Arm standen sie im Konfettiregen, Felipe VI. und Pau I. – die Könige Spaniens. Von Berufs wegen der Erste, aus Berufung der Zweite. Seit Jahren hat die Sportnation nichts mehr so gefesselt wie Martyrium und Erlösung ihrer Basketballer bei der am Sonntag gewonnenen EM, angeführt vom «ausserirdischen» Pau Gasol, der alle Superlative erhielt, die sonst für Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo reserviert sind – und sogar noch mehr, denn er ist ja Spanier, im Prinzip zumindest. Gasol kommt aus Sant Boi de Llobregat, einem Vorort von Barcelona, Katalonien.

Auch deshalb fehlte das Foto von ihm und König Felipe am Montag auf kaum einem Zeitungstitel – es sandte ja eine symbolische Botschaft. Am Sonntag sollen die Katalanen bei den Regionalwahlen darüber entscheiden, ob sie den Weg einer Abspaltung aus Felipes Königreich einschlagen. Ob Barcelona oder Madrid – hört man die Politiker und liest die Leitartikel, dann scheint die gegenseitige Missgunst auf dem Höhepunkt angekommen. Im Fussball wurde Barcelonas Verteidiger Gerard Piqué bei den letzten Heimspielen der Nationalelf auch deshalb ausgepfiffen, weil er sich nach dem Geschmack vieler Spanier allzu katalanisch gibt. Im Königreich von Pau hingegen war von diesen Spannungen für ein paar Tage nur wenig zu spüren.

Spanien als Guerilla-Truppe auf feindlichem Territorium

Es waren unvergessliche Tage für Spanien, die mit dem komfortablen 80:63-Finalsieg über Litauen zu Ende gingen. Der Krimi gegen Deutschland (77:76), der nach Niederlagen gegen Serbien und Italien das Vorrundenaus verhinderte, vor allem aber die «mythische Schlacht von Lille» («Marca») im Halbfinale vor der Basketball-Rekordkulisse von 27’000 Zuschauern in einem umfunktionierten Fussballstadion gegen Gastgeber Frankreich.

Ausgepfiffen seit dem ersten Spiel auf französischem Boden und ersatzgeschwächt ohne Marc Gasol, Juan Carlos Navarro und Ricky Rubio fühlte sich Spanien als Guerilla-Truppe auf feindlichem Territorium. Wie Gasol mit 40 Punkten die favorisierten Gastgeber in die Knie zwang, wie er mit seinem letzten Dunking auch die Geister der gegen Frankreich vermasselten Heim-WM vom letzten Jahr vertrieb, wie er die Halle danach verliess, tänzelnd wie ein Boxer, nickend wie ein Rapper, mit stolzen Schlägen auf die eigene Brust – das werden sie ihm in Spanien nie vergessen.



Spain's Pau Gasol celebrates a basket during their EuroBasket 2015 semi-final game against France at the Pierre Mauroy stadium in Villeneuve d'Ascq, near Lille, France, September 17, 2015. REUTERS/Benoit Tessier

Nimm das Frankreich! Pau Gasol lief gegen Frankreich zur Hochform auf. (Bild: BENOIT TESSIER)

«Ich spüre Erfüllung, Glück und enormen Stolz», sagte er am Sonntag. Zuvor hatte er die Auszeichnung zum besten Spieler des Turniers entgegengenommen – unter den Pfiffen des französischen Publikums, das der Interpretation einiger Spieler der Heimmannschaft folgte, wonach Gasol auch dank der Bevorzugung durch die Schiedsrichter triumphiert habe. Dabei scheinen seine Zahlen nun wirklich über alle Zweifel erhaben. 25,6 Punkte im Schnitt, dazu 8,8 Rebounds und am Ende die neunte Medaille bei seinem elften internationalen Turnier. «Der beste europäische Basketballer der Geschichte», findet sein Trainer Sergio Scariolo.

Jetzt schon höher als Nadal

Auch bei der Siegesfeier auf der Plaza Callao in Madrid war Gasol der meistgefeierte Mann, viele Kommentatoren heben ihn jetzt noch über Rafael Nadal oder Miguel Indurain auf die Spitze des spanischen Sport-Pantheons. Obwohl auch er sich einmal für das Selbstbestimmungsrecht seiner Heimat aussprach, hat er anders als die katalanischen Fussballer nie polarisiert. Das mag daran liegen, dass seine NBA-Karriere – unter anderem zwei Meistertitel für die Los Angeles Lakers – die innerspanischen Streitigkeiten transzendiert, so wie der Basketball es trotz seiner grossen Popularität (44 Prozent TV-Marktanteil für das Finale) immer geschafft hat, der freundliche, kleine – und unpolitische – Bruder des Fussballs zu bleiben. Auch zeigte Gasol schon oft Engagement für Spanien: als Botschafter der gescheiterten Olympiabewerbung von Madrid etwa und natürlich mit seinen sommerlichen Auftritten in der Nationalelf.



Spain's basketball player Pau Gasol walks through a crowd holding mobile phones after his arrival for a celebration with fans the day after winning their EuroBasket 2015 final, during a ceremony in central Madrid, Spain, September 21, 2015. REUTERS/Andrea Comas

Dankbare Grösse: Der meistgefeierte Mann auf der Plaza Callao beim Bad in der Menge. (Bild: ANDREA COMAS)

Dass er auch jetzt im Alter von 35 Jahren und entgegen ursprünglicher Vermutungen wieder über den Atlantik kam, hatte einiges damit zu tun, dass bei dieser EM auch zwei Olympiatickets vergeben wurden. Und viel mit Scariolo, der nach dem WM-Debakel und einer langwierigen Bestandsaufnahme im Frühjahr zurückgeholt wurde. Der Italiener, der mit seiner steten Bräune immer ein bisschen teflonhaft wirkt, darf sich jetzt zugute halten, alle drei EM-Titel (2009, 2011, 2015) der spanischen Geschichte gecoacht zu haben. Im patriotischen Taumel der letzten Tage bekam er trotzdem weniger Würdigungen ab als so mancher Ersatzspieler.

Von denen standen zwei am Sonntagabend beim TV-Interview. Wem er den Titel widmen wolle, fragte die Reporterin den Katalanen Guillem Vives. Der zögerte. «Spanien, hombre!», empfahl ihm sein Madrider Kollege Willy Hernangómez. Vives entschied sich aber lieber für «alle». Wo im Fussball bereits debattiert wird, ob der FC Barcelona im Fall der Fälle noch in der spanischen Liga spielen kann, werden die nächsten Monate auch zeigen, ob es Spaniens goldener Basketball-Generation womöglich so ergeht, wie der letzten ähnlich dominanten europäischen Auswahl. Zwischen 1989 und 1991 gewann ein jugoslawisches Team mit Drazen Petrovic, Vlade Divac und Toni Kukoc zwei EM-Titel und eine WM. Es sollte nie wieder zusammen spielen.

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Die Highlights aus dem Spiel gegen Frankreich (mit 40 Punkten von Gasol):

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