In Luxor wird eine Replica des Grabes von Tutankhamun eröffnet. Sie wurde mit einer Lizenz der Universität Basel erstellt und ist ein Beitrag zur Rettung des Tals der Könige und ein Schritt zu nachhaltigem Tourismus. Für die nächste Phase wird noch Geld gesucht.
Einmal ohne schlechtes Gewissen in aller Ruhe jede Zeichnung bestaunen; zum Beispiel die Affen, die die Tore zur Unterwelt öffnen. Ohne Hektik die Botschaften der verschiedenen Bilder in der engen Grabkammer des Tutankhamun entziffern. Sich nicht als schädlicher Eindringling fühlen. Das ist jetzt möglich. Am Eingang zum Tal der Könige in Luxor, einen Steinwurf vom Haus von Howard Carter entfernt, der 1922 das Tut-Grab entdeckt hatte, ist jetzt eine detailgetreue Nachbildung eröffnet worden.
Das sei ein Meilenstein für die Rettung des Tals der Könige. Nach über 20 Jahren habe sich dieser Traum erfüllt, sogar die verschwundene Wand sei zu wieder zu sehen, erklärt Theodor Abt, der Präsident, der in Zürich ansässigen «Gesellschaft der Freunde der Ägyptischen Königsgräber», im Gespräch. Prof. Abt und der bekannte Basler Ägyptologe Prof. Erik Hornung sind so etwas wie die geistigen Väter dieses Projektes. Lange Jahre schlug ihnen viel Skepsis entgegen. Die Touristen wollten keine Fälschung sehen, hatte der ehemalige ägyptische Kulturminister Farouk Hosni einmal gewarnt.
Zerfall in 15 Jahren denkbar
Tatsächlich schreitet die Zerstörung der Königsgräber von Luxor, die zu den eindrücklichsten Zeugen einer der grössten Zivilisationen der Menschheit gehören, in erschreckendem Tempo fort. Und es gibt noch keine Technologie, um die schädlichen Einflüsse des Massentourismus – wie Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen und Staub – zu verhindern.
Bis zu 1000 Menschen haben in Spitzenzeiten täglich das Tut-Grab besucht, das wie alle Gräber eigentlich nie für Besucher bestimmt war. In zehn bis 15 Jahren könnte es ganz zerfallen. Auch Renovationen haben am einzigen Königsgrab, das unversehrt entdeckt wurde, Spuren hinterlassen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Tausende von Kunststoff-Einspritzungen haben dazu geführt, dass die Wände nicht mehr atmen können.
Exakte Farb- und Lichtverhältnisse
Mit den Jahren hat sich das Bewusstsein verändert und die Stimmen, die nachhaltigen Tourismus fordern, sind lauter geworden. Ende 2008 hatte die ägyptische Antikenbehörde schliesslich mit der Universität Basel einen Lizenz-Vertrag geschlossen, um Faksimile von den drei wichtigsten Königsgräbern zu erstellen.
Die Arbeiten wurden der Madrider Factum Arte übertragen, die auch den Löwenanteil der Kosten von einer halben Million Euro getragen hat. Die erste Phase umfasst das Tut-Grab. In der zweiten Phase sollen Pharao Seti I und Königin Nefertari folgen. Erste Erfahrungen waren mit dem Grab von Thutmosis III gesammelt worden, dessen Ausstellung rund um die Welt – auch in Basel – mehr als drei Millionen Menschen gesehen haben.
«Unser kulturelles Erbe ist ein Subjekt von dem wir lernen können. Es ist nicht ein fixes Objekt, das angebetet werden soll», sagt Projektleiter Adam Lowe, als er an der Replica letzte Hand anlegt. Lowe, der Besitzer von Factum Arte, will die Biographie des Kunstwerkes erzählen. Anhand von einzelnen Pinselstrichen kann er verschiedene Eingriffe erklären. Das Verhältnis zwischen Originalität und Authentizität sei ein komplexes, betont er.
«Bis zu 1000 Menschen haben in Spitzenzeiten täglich das Tut-Grab besucht, das eigentlich nie für Besucher bestimmt war.»
Im Jahr 2009 ist das Tut-Grab mit von Factum Arte eigens entwickelten Scannern digitalisiert worden. Auf einen Quadratmeter entfallen 100 Millionen Messpunkte, mit denen die Grabkammer dann im Massstab 1:1 wieder moduliert werden konnte. Darüber kommen farbige Panels, die in mehreren Schichten gedruckt werden und die genauen Farben und Lichtverhältnisse des Originals widergeben. Auch der Sarkophag und sein Deckel wurden detailgetreu nachgemacht. Die von Carter herausgerissene Südwand, um den Grabschatz heraus zu holen, ist jetzt in schwarz-weiss anhand der Fotos von Harry Burton nachgebildet worden.
Seit 2009 gibt es bereits weitere Schäden. Lowe zeigt in der Replica auf ein schwarzes Bildfragment, von dem er kürzlich festgestellt hat, dass es im Originalgrab inzwischen fehlt. Dort soll in wenigen Monaten neuerlich eine grosse Renovation erfolgen.
Neuer Glanz für Seti I
Im Vorraum der Grabkammer wurde ein kleines Museum eingerichtet. Hier soll wie mit dem ganzen Projekt beim Publikum das Interesse am Schutz dieser Kulturgüter geweckt werden. Die Replica soll ein neues Antiken-Management ermöglichen und vor allem die schädlichen Rennovationen eindämmen, betont Prof. Abt. Dass dieses Vorgehen von den Besuchern akzeptiert wird, hat Factum Arte bereits an mehreren Beispielen, etwa mit dem Gemälde der Hochzeit von Kana in Venedig erlebt. Die Faksimile der Königsgräber sei aber das erste Projekt dieser Grösse, sagt Lowe.
Die nächste Phase kann in Angriff genommen werden, sobald die Finanzierung sichergestellt ist. Dabei geht es vor allem darum, das Know-how an Einheimische zu übertragen, damit sie in der Lage sind, diese Arbeiten in Zukunft in eigener Regie auszuführen. Als erstes soll deshalb ein Trainingszentrum auf der Westbank in Luxor eingerichtet werden. Mit Seti I und Nefertari könnten mit einer Replica zwei Gräber der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, die seit Jahren geschlossen sind. Von Seti I sind zudem rund 100 Fragmente über die ganze Welt verstreut. Prof. Hornung hat sie aufgespürt. Sie werden nie mehr zurückgegeben, könnten aber gescannt und so in die Replica eingefügt werden, um dieses grosse Grab in seinem alten Glanz wieder erfahrbar zu machen.