Kopenhagen, die «hyggeligste» Stadt der Welt

Für das dänische Adjektiv «hyggelig» gibt es keine deutsche Übersetzung. Beschreiben lässt sich der Begriff mit Merkmalen wie gemütlich, vertraut, angenehm und warmherzig. All das trifft auf die Atmosphäre in Kopenhagen zu. Sie ist auf jeden Fall eine Reise wert.

Von wegen steife Nordländer: Eine Trampolinstation am Hafen von Kopenhagen.

(Bild: P. Vlahos)

Für das dänische Adjektiv «hyggelig» gibt es keine deutsche Übersetzung. Beschreiben lässt sich der Begriff mit Merkmalen wie gemütlich, vertraut, angenehm und warmherzig. All das trifft auf die Atmosphäre in Kopenhagen zu. Sie ist auf jeden Fall eine Reise wert.

Bei der Einreise nach Kopenhagen werden Ankommende als erstes von fahnenwedelnden Dänen am Flughafen begrüsst. Dabei handelt es sich nicht etwa um nordländischen Kampfpatriotismus, sondern um eine «hyggelig»-herzige Tradition, mit der Dänen ihre heimkehrenden Freunde und Verwandten begrüssen. Gemütlich, vertraut, angenehm und warmherzig sind Umschreibungen des dänischen Koseworts hyggelig, für das es auf Deutsch keine direkte Übersetzung gibt. Die Hygge zieht sich in Kopenhagen aber spürbar durch alle Bereiche, die man an einem einzelnen Wochenende durchleben kann. 

Eine Stadt auf Rädern

Wer in Kopenhagen nicht zum Brunch ging, war nicht in Kopenhagen. Zu empfehlen ist dabei das «Laundromat Café» im Trendquartier Nørrebro. Zur allgemeinen Hygge der Stadt tragen die Schutzmauern aus Babys in Kinderwägen rund um die einzelnen Restaurants bei. Richtig gelesen: In Dänemark werden Säuglinge selbst im Winter unbeaufsichtigt draussen gelassen. In der skandinavischen Heimat sorgt dies zwar für ein akustisch angenehmeres Rendezvous, heimste aber der dänischen Schauspielerin Annette Sorensen in einem berühmten Fall eine Verhaftung in New York ein.



Im «Laundromat» werden köstliche Brunches neben alten Waschmaschinen serviert.

Im «Laundromat» werden köstliche Brunches neben alten Waschmaschinen serviert. (Bild: P. Vlahos)

Viel besser als mit Kinderwagen lässt es sich auf den vollends ausgebauten Fahrradbahnen fortbewegen. Diese verlaufen nicht nur neben den gewöhnlichen Strassen, sondern zweigen auch als Abkürzungen durch einzelne Quartiere ab, sodass jedes andere Vehikel beinahe überflüssig erscheint. Der Zoologe Desmond Morris meinte einmal, dass grosse Städte für Menschen so ungeeignet wie Zoos für Tiere seien. Wer allerdings an den vielen städtischen Seen, Kanälen, Hafengebieten und schönen Promenaden in Kopenhagen rumkurvt, fühlt sich «artgerecht gehalten» und wird dabei das Gefühl nicht los, dass ein paar sehr intelligente Menschen hinter dieser Stadtplanung steckten.

«You are now leaving the European Union»

Als ich mich vor der Reise nach Kopenhagen-Tipps erkundigte, wurden mir jedes Mal je nach Aussprache drei bis fünf Silben bedeutungsschwanger zugeräuspert: Christiania; ein Bruch mit der dänischen Hygge par excellence. Das Gebiet diente früher als Militärbasis, ist seit 1971 eine alternative Wohnsiedliung. War diese auf beeindruckende Weise gegründete «Freistadt» Gegenstand vieler Kontroversen, so scheint sie mittlerweile eher das Dasein einer Touristenattraktion zu fristen. Nur fahren die Scharen an Besuchern ihre Selfie Sticks vor dem Eingang ein letztes Mal aus. Denn in Christiania ist das Fotografieren verboten. «Relax, it’s an adventure!» sprechen sich die anglophonen Besucher noch zu, ehe es in die «Pusher-Street» geht.



Noch ein letztes Erinnerungsfoto, bevor es in den Hanf-Vergnügungspark geht.

Noch ein letztes Erinnerungsfoto, bevor es in den Hanf-Vergnügungspark geht. (Bild: P. Vlahos)

Dort ist der Verkauf von Hanf und Haschisch von der Stadt geduldet. Anders als der Name andeutet, stehen darin nicht etwa verkaufsbuhlende Pusher, sondern eine geordnete Reihe an Marktständen, die zu fairen, geregelten Preisen ihre Waren anbieten. Viele Händler tragen entweder Sturmmasken, oder hüllen ihre Verkaufsfenster mit Tarndecken. Der Verkauf ist schliesslich nach wie vor illegal. Apropos: Wer sich vor der Reise nicht nur im hiesigen Drogenmilieu, sondern auch im dänischen Film weiterbilden möchte, dem sei die Pusher-Trilogie mit Mads Mikkelsen wärmstens empfohlen.

Das wirklich interessante an Christiania ist allerdings nicht das praktikable, öffentliche Kiffen, sondern die Anatomie einer autonomen Gemeinde. Das Herzstück der Freistadt bildet ein grosser Baumarkt, in dem Holz, Schläuche, Wannen, Rahmen und Herde abgesetzt werden, die die improvisierten Bauten überhaupt erst ermöglichen. Jedoch verfügt selbst Christiania über ein eigenes Baureglement: Neubauten werden jeweils im Plenum genehmigt.

Anschauen: Wer andere (oder gegebenenfalls zusätzliche) Sinnesreize als im Marihuana-Markt sucht, findet im Louisiana Museum of Modern Art beeindruckende zeitgenössische Ausstellungen. Ein absolutes Muss für jeden, der sich auch nur passiv für Kunst interessiert. Meine persönlichen Lieblingsentdeckungen: Die «kinetischen Reliefs» von Jesús Rafael Soto und Werke des dänischen Avant-Gardisten Asger Jorn.



Der Louisiana Skulpturenpark mit Meeresblick

Der Louisiana Skulpturenpark mit Meeresblick (Bild: P. Vlahos)

Abhängen: Bofællesskab ist der Begriff für dänische Hauswohngemeinschaften. Die architektonische Ideologie der Haus-WGs wurde vor allem in den 1960er/1970er-Jahren von dänischen Familiengruppierungen vorangetrieben, die ihre Bedürfnisse nicht in den städtischen Wohnmöglichkeiten befriedigt sahen und kleine Communities bildeten. Heute sorgen diese Häuser für einen reichen Fundus an Airbnb Übernachtungsmöglichkeiten.

Anbeissen: Im «Pussy Galore» gibt es wunderbare Burger und andere Speisen. 
Kopenhagen gilt als verhältnismässig teure Reisedestination. Das zentral gelegene Lokal «Kaffix» am Sortedams-See untergräbt dabei den Marktzwang, indem es sämtliche Salate, Kaffees und Sandwiches für zwölf Kronen (CHF 1.75) verkauft. 

Abwandern: Die Hügel rund um die sternenförmige Kastell-Festung.

Nächster Artikel