Vergangenes Jahr profilierte sich FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann noch mit seinem China-Abkommen. Jetzt ramponieren Steuertricks in Millionenhöhe seiner ehemaligen Firma «Ammann Group» und Korruption seines Departements sein Ansehen.
«Schockiert» oder «verwundert» reagieren in Bern Volksvertreter von links bis rechts angesichts der neusten Enthüllungen über den freisinnigen Bundesrat Johann Niklaus Schneider-Ammann. Sie fordern eine Strafuntersuchung der Bundesanwaltschaft – die Jungsozialisten gar den Rücktritt des Schweizer Wirtschaftsministers. Das wundert umsomehr, als Schneider Ammann nach seiner Wahl Ende 2010 wohl lange als passiver und schwacher Bundesrat eingeschätzt worden war – vergangenes Jahr dann aber mit seiner Wirtschafts-Aussenpolitik stark an Profil gewinnen konnte. Vor allem dank einem Freihandelsabkommen mit China.
Und nun dies: Mehr als 250 Millionen Franken habe Schneider-Ammann, damals noch FDP-Nationalrat, als Chef der Baumaschinenfirma Ammann Group in Langenthal bis 2009 in eine Briefkastenfirma namens «Jerfin» im Steuerparadies Jersey (GB) verschoben – und damit dem Schweizer und Berner Fiskus entzogen. So habe die Firma Millionen an Steuern «eingespart».
Mehr noch: Als der Konzernchef und freisinnige Politiker 2009 – ein Jahr vor seiner Wahl in den Bundesrat – satte 263,5 Millionen Franken von der nunmehr aufgelösten Jerfin Limited in die Schweiz zurück transferierte, kam dieses Riesenvermögen nicht etwa in seine Firma in Langenthal. In Absprache mit den Berner Steuerbehörden gründete er in Bern eigens eine Firma namens Afinsa AG, an welche die Viertel-Milliarde überwiesen wurde. Der Grund für dieses Konstrukt: Dank der neuen Firma sparte der spätere Bundesrat, der seinen Konzern 2010 seinen Kindern übergeben hat, auch hier die Hälft der Steuern – es geht wieder um Millionen.
Reputation nachhaltig ramponiert
Gegenüber der «Rundschau» vom Schweizer Fernsehen SRF, welche die Sache enthüllt hatte, verteidigte sich Bundesrat Schneider-Ammann schriftlich: «Die Finanzgesellschaften dienten dazu, die finanzielle Unabhängigkeit der Amman-Gruppe langfristig sicherzustellen.» Die zuständigen Steuerverwaltungen und Prüfgesellschaften seien «jederzeit vollständig informiert gewesen».
So oder so ist Schneider-Ammanns Reputation mit der TV-Enthüllung arg ramponiert worden. Und auch die Berner Steuerbehörden stehen im schiefen Licht. Während nämlich jeder Lehrling der Amman-Gruppe mit seinem Lohnausweis den letzten Rappen versteuern muss, halfen die Steuerfunktionäre dem Inhaber und Chef des Konzerns, Millionen durch Tricks und Schlupflöcher am Fiskus vorbei zu schleusen.
Mehrere Untersuchungen laufen
Nach der TV-Enthüllung wollen die Berner Steuerbehörden den «Fall» jetzt plötzlich «nochmals genau untersuchen». Bundesrat Schneider-Amman schreibt dem Schweizer Fernsehen, vor dessen Kameras er nicht Red und Antwort stehen mochte: «Alle Gesetze wurden eingehalten!»
Bei seinen Steuertricks als früherer Konzernchef mag das der Fall gewesen sein. Beim Korruptions-Skandal in seinem Wirtschaftsdepartement, den «Der Bund» nur Stunden nach der inkriminierenden «Rundschau» enthüllt hat, sieht sich der Schweizer Wirtschaftsminister hingegen mit strafrechtlich relevanten Vorfällen konfrontiert. Da geht es um die Annahme von Geschenken im Wert von zehntausenden von Franken bei der Vergabe von IT-Aufträgen – teils gar um Betrug. Departementschef Schneider hat selber eine administrative Untersuchung durch einen externen Fachmann angeordnet.
Schneider-Ammann «nicht aus dem Schneider»
Fachleute der zuständigen Bundesstellen warnen derweil: Korruption sei zwar ein Offizialdelikt, weshalb die Strafbehörden in diesem Falle sowieso «tätig» werden müssten. Doch wäre auch Schneider-Ammanns Departement gut beraten, «sofort Anzeige zu erstatten» – und die nötigen Massnahmen, wie etwa die Sicherstellung der Akten zu ergreifen. Sonst könnte das Departement leicht in den Verdacht der Begünstigung geraten.
Gleichermassen bleibe die Steuertrick-Affäre der Firma Ammann für Schneider-Ammann ebenso heikel, wie für die involvierten Berner Steuerfunktionäre. Da bestehe nämlich der Verdacht auf «ungetreue Amtsführung». Ein hoher Justiz-Funktionär witzelt unverhohlen: In beiden Fällen sei «der Schneider Ammann noch lange nicht aus dem Schneider».