Die Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik will ihre über die ganze Stadt verteilten Stationen in einem Neubau auf dem Gelände der Universitären Psychiatrischen Klinik zusammenführen. So spart sie Betriebskosten von jährlich einer Million Franken – auf Kosten kranker Kinder, warnt ein Kinderpsychiater.
«Ich spinne doch nicht.» Das bekommt der Kinder- und Jugendpsychiater Christoph Strebel oft zu hören, wenn er einem Jugendlichen einen Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik (KJPK) empfiehlt. Jetzt befürchtet der Psychiater, dass er diesen Satz noch viel öfter hören muss, denn die Kinder- und Jugendpsychiatrische Abteilung der Universitären Psychiatrischen Klinik (UPK) plant einen Neubau: Auf dem Gelände der UPK, dort, wo Erwachsene behandelt werden.
Und genau darin liegt das Problem. Denn schon heute muss Kinderpsychiater Strebel viele Register ziehen, um Eltern von einer notwendigen Klinikeinweisung zu überzeugen. «Wir Kinderpsychiater kämpfen tagtäglich gegen die Stigmatisierung psychisch kranker Kinder. Ich weiss nicht, wie wir Eltern und Jugendliche noch zusätzlich motivieren könnten, um ausgerechnet dorthin zu gehen», sagt er. Die psychisch kranken Kinder und Jugendlichen würden an den Stadtrand abgeschoben. Mit dem Neubau würden psychisch Kranke ghettoisiert.
Heute ist die KJPK auf insgesamt acht Stationen über die ganze Stadt verteilt. Sie behandelt Kinder ambulant oder stationär etwa mit Angststörungen, Depressionen, Zwängen oder verwahrloste Jugendliche. Die bestehenden Einrichtungen liegen viel zentraler als das Gelände der UPK.
«Der geplante Neubau kommt an einen Unort»
In der Klinik der KJPK müssen Kinder und Jugendliche häufig länger bleiben. Umso wichtiger ist es deshalb, dass sie sich wohl fühlen. Für Psychiater Strebel aber ist klar: «Der geplante Neubau kommt an einen Unort neben der Kehrichtverbrennungsanlage und einem Casino. Dort würde niemand freiwillig wohnen.»
Kommt dazu, dass Jugendliche, die in einer Krise stecken und stärker suchtgefährdet sind und auf dem Gelände der UPK trotz geplanter baulicher Massnahmen auf drogensüchtige Erwachsene treffen werden. «Jugendliche Straftäter steckt man auch nicht in den Erwachsenenknast, weil man sie vor diesem Milieu fernhalten will», sagt Strebel. Für den ehemaligen Präsidenten der Kinderpsychiater Basel ist deshalb klar: «Wir müssen das Neubau-Projekt stoppen. Es muss erneut intensiv nach einem geeigneten Gelände gesucht werden.»
Doch das wird nicht so einfach. Der Basler Regierungsrat hat sich bereits im Jahr 2010 für den Neubau auf dem UPK-Gelände ausgesprochen. Der Architekturwettbewerb für den rund dreissig Millionen Franken teuren Neubau läuft seit Anfang Dezember. Die Gesundheitsdirektion schätzt, dass sich dank Synergien, vereinfachten Prozessen und gemeinsamer Infrastruktur jährlich eine Million Franken Betriebskosten einsparen lassen.
«Keine Sparvorlage»
Klinikleiter Klaus Schmeck betont, der Neubau sei dennoch keine Sparvorlage. «Unser Ziel war nicht, die Kosten zu optimieren, sondern das Angebot», sagt der Professor. Ein zentraler Standort sei eine grosse Chance für die KJPK statt acht verschiedene, auf die sich hundert Mitarbeiter aufteilen. Bei einem modernen Behandlungskonzept würden die Grenzen verwischen zwischen ambulanter Behandlung, Tagesklinik und Klinikaufenthalt. Das geht jedoch nur an einem zentralen Standort.
Der Neubau sei am nördlichen Rande des UPK-Geländes geplant und nicht mitten auf dem Campus. Die KJPK werde architektonisch vom restlichen Gelände abgetrennt, mit eigenem Eingang und eigener Adresse an der Friedrich Miescher-Strasse.
Kinder müssen sich wohl fühlen
Zuvor prüfte die Klinikleitung etliche bestehende Standorte, wurde jedoch nicht fündig. «Eine kindgerechte Liegenschaft zu finden, ist äusserst schwierig», sagt Schmeck. Gerade weil Kinder und Jugendliche meist über Wochen oder Monate in der Klinik bleiben, sei auch die Umgebung wichtig. «Kinder müssen auch draussen spielen können.» Der Aufenthalt in der Klinik werde eher dem alltäglichen Leben ähneln, mit familienähnlichen Gruppen, als einem Spitalaufenthalt. «Es ist entscheidend, dass sich Kinder und Jugendliche in der Klinik wohl fühlen und sowohl Geborgenheit, als auch Freiheit erleben.»
Die Stigmatisierung psychisch kranker Menschen sei ein gesellschaftliches Problem, das man nicht damit lösen könne, in dem man die jugendlichen von den erwachsenen Patienten fern halte.
Das Gelände sei gar nicht so weit weg vom Zentrum, sondern etwa vom Bahnhof mit dem Bus in weniger als zehn Minuten erreichbar. Trotzdem: Wahrgenommen werde der Standort als Stadtrand. Eine breit abgestützte Projektgruppe befasse sich deshalb mit der Frage, mit welchen Massnahmen diese Wahrnehmung verändert werden könnte.
Kompromiss: Neubau beim Kinderspital
Der Präsident der medizinischen Gesellschaft Basel und DSP-Grossrat Felix W. Eymann schlägt jetzt vor, dass Kinderpsychiater und Klinikleitung an einem runden Tisch nach einer Lösung suchen. Er hat Verständnis für die Klinik, die alles unter einen Hut bringen will, aber auch für Psychiater und Patienten, die nicht an den Stadtrand abgeschoben werden wollen. Als Kompromiss aufdrängen würde sich für Eymann ein Neubau beim neuen Kinderspital. Dort hat es Platz, der Standort ist zentral und die Stigmatisierung würde wegfallen. Eltern könnten mit ihren Kindern einfach zur Behandlung ins Kinderspital – egal ob das Kind körperlich oder psychische Beschwerden hat.