Krankenkassen in der Pflicht

Jährlich erkranken in der Schweiz rund 250 Kinder und Jugendliche neu an Krebs. Doch eine Rehabilitationsklinik für Kinder, junge Leute und ihre Familien gibt es hierzulande nicht. Die Kinderkrebshilfe Schweiz fordert von den Krankenkassen, sich an den Kosten der Rehabilitation zu beteiligen.

Sport, Therapie und Austausch: Ein Angebot wie jenes in der Rehaklinik Katharinenhöhe fehlt in der Schweiz. (Bild: Wolf Südbeck-Baur)

Jährlich erkranken in der Schweiz rund 250 Kinder und Jugendliche neu an Krebs. Doch eine Rehabilitationsklinik für Kinder, junge Leute und ihre Familien gibt es hierzulande nicht. Die Kinderkrebshilfe Schweiz fordert von den Krankenkassen, sich an den Kosten der Rehabilitation zu beteiligen.

«4:0 für die Schweiz!» Mit einem Lächeln auf den Lippen verkündet Sportlehrer Alex Evertsbusch den Treffer, den der Basler Benjamin Lüthi soeben erzielt hat. Dieses Fussballspiel ist etwas Besonderes für die neun jungen Leute auf dem von dichten Tannen umgegebenen Platz. Alle sind um die 20 Jahre alt, alle sind krebskrank und fast alle sind zum ersten Mal für vier Wochen zur Nachsorge auf der Katharinenhöhe, der Rehabilitationsklinik für junge Menschen und ihre Familien. Wie an einer Tankstelle können sie in dieser Klinik auf den Höhen des Schwarzwalds etwa eine halbe Autostunde südlich von Freiburg neue Kräfte und Perspektiven sammeln.

In der Schweiz gibt es in Sachen Nachsorge zu Krebsbehandlungen für Jugendliche und Familien mit krebskranken Kindern keine vergleichbare Reha-Klinik. Darum ermöglicht ihnen die Kinderkrebshilfe Schweiz immer wieder Erholungsaufenthalte in Reha-Kliniken wie etwa der Katharinenhöhe. Birgitta Setz, Geschäftsleiterin der Kinderkrebshilfe Schweiz, fordert denn auch, «dass sich die Krankenkassen an den Kosten von Reha-Klinik-Aufenthalten im Ausland beteiligen sollen.» Denn für Setz ist klar, dass rund 250 Kinder und Jugendliche, die in der Schweiz pro Jahr neu an Krebs erkranken, keine ausreichende Basis sind, um auch hierzulande ein solches Reha-Zentrum trotz allfälligen Bedarfs finanziell tragbar zu bauen.

Basler Chefarzt lobt das Angebot

Professor Alain di Gallo, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik in Basel, stösst in das gleiche Horn. Nach seinen Angaben müssten die Tagessätze für eine Reha-Klinik wie die Katharinenhöhe in der Schweiz deutlich höher sein. Daher ist der Basler Kinderpsychiater überzeugt: «Die Schweizer Krankenkassen müssten sich bei der Katharinenhöhe einkaufen.» Di Gallo, der die Arbeit der Katharinenhöhe  gut kennt, lobt deren Angebot: «Die Katharinenhöhe leistet unglaublich tolle Arbeit.» Fast alle Familien und junge Leute profitierten enorm, die sich zur Krebs-Nachsorge auf der Katharinenhöhe anmelden. «Wenn jemand sagt, da möchte ich unbedingt hin», ermutigt der Basler Professor betroffene Familien, «haben wir bisher fast immer einen Weg gefunden, den Aufenthalt zu finanzieren.»

Das Grundanliegen der richtungsweisenden Reha-Klinik im Schwarzwald umreisst Geschäftsführer Stephan Maier so: Sie gibt «Chancen, körperlich wieder fit zu werden.» Die Katharinenhöhe «will mit ihrem Angebot Motivation und Willenskraft der jungen Menschen stärken», und – Maier hebt die Hand zur Betonung der pionierhaften Besonderheit der Klinik– «wir wollen Räume öffnen, in denen Erfahrungen und Gedanken mit gleichaltrigen Betroffenen ausgetauscht werden können.»

Therapie und Austausch

Dass dieses Anliegen eingelöst wird, bestätigt der Basler Medizinstudent Benjamin Lüthi. Er ist angenehm überrascht und ausgesprochen froh über den Aufenthalt in der Reha-Klinik Katharinenhöhe. Der 20-Jährige, der im Mai 2011 einen Krebs-Rückfall hatte, findet die Therapiegruppe mit den Altersgenossen «absolut genial». «Gerade im Sport», erzählt der Basler mit dem rotblauen Trikot des FCB weiter, «können Mitmenschen ohne Krebserkrankung nicht nachvollziehen, was es heisst, wenn man müde ist und eigentlich nicht mehr mag.» Auf der Katharinenhöhe hingegen haben alle die gleichen Probleme. «Da kann man Dinge machen, bei denen man sich nicht wie in der Schule an den anderen orientieren muss.»

Was die Zeit in dieser Reha-Klinik so wertvoll mache, sei «das Verständnis für die Lebenssituation mit ihren Einschränkungen, das die Atmosphäre und den Alltag auf der Katharinenhöhe wie selbstverständlich prägt.» Unschätzbar wichtig sei zudem der Kontakt und Erfahrungsaustausch mit Gleichaltrigen und ein Betreuerstab, der Raum und Rahmen dafür schafft, sagt Benjamin Lüthi.

75 Prozent werden geheilt

Pionierhaft am Reha-Konzept ist der Einbezug der ganzen Familie. Denn betroffen von der Krebs- oder auch schweren Herzerkrankung sind nicht nur das Kind, sondern in psychosozialer Weise auch die Geschwister und die Eltern. Mit den verbesserten Heilungschancen dank optimierter Chemotherapie, Bestrahlung und Knochenmarktransplantation ist die Bedeutung der Nachbehandlung seit den 80er Jahren wesentlich gewachsen. «Kindliche Krebserkrankungen haben sich in 75 Prozent der Fälle zu heilbaren Krankheiten entwickelt», bestätigt Professor Felix Niggli, Kinderkrebs-Spezialist an der Uniklinik in Zürich.

Dabei können sie auf jeden Fall auf die Unterstützung der Kinderkrebshilfe Schweiz zählen. Sie hat im Fall von Benjamin Lüthi die Kosten bei einem Tagessatz von 178 Euro für die vierwöchige Nachsorge in der Katharinenhöhe vollumfänglich übernommen. Laut Kinderpsychiater di Gallo helfen zudem auch die Stiftung für krebskranke Kinder beider Basel und/oder der Sozialdienst der Kinderkliniken bei der Suche nach Geldern.

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