Kulturvertrags-Kündigung bedeutet eine existenzielle Bedrohung für das Basler Kulturangebot

Baselland will den Kulturvertrag mit Basel-Stadt kündigen und die Beiträge an Zentrumsinstitutionen halbieren. Die betroffenen 16 Institutionen werden damit in ihrer Existenz bedroht.

Die Existenz des Jungen Theaters Basel hängt ganz vom Kulturvertrag der beiden Basel ab: Szenenbild aus «Tschick», 2012.

(Bild: Uwe Heinrich)

Baselland will den Kulturvertrag mit Basel-Stadt kündigen und die Beiträge an Zentrumsinstitutionen halbieren. Die betroffenen 16 Institutionen werden damit in ihrer Existenz bedroht.

Wer noch darauf gehofft hat, dass es sich vielleicht nur um eine vage Idee handelt, wird enttäuscht. An einer gemeinsamen Sitzung mit der baselstädtischen Regierung bestätigte die Baselbieter Exekutive ihre Absicht, den Kulturvertrag aus dem Jahr 1997 zu kündigen beziehungsweise die darin festgelegten Beiträge an kulturelle Zentrumsinstitutionen in Basel-Stadt von heute knapp 10 auf 5 Millionen Franken zu halbieren.

Das Theater Basel ist eine dieser Institutionen – die gewichtigste und meistdiskutierte, aber bei Weitem nicht die einzige, die am Tropf des Kulturvertrags beider Basel hängt. 16 sind es insgesamt, die das ganze Spektrum der performativen Künste abdecken: vom Basler Marionettentheater über das Sinfonieorchester Basel bis zum Haus der elektronischen Künste. Einige davon werden ausschliesslich aus diesen Baselbieter Beiträgen alimentiert.

Institution Kulturvertrag (2014) Basel-Stadt (2015)
Basler Madrigalisten 200’000  
Bird’s Eye Jazz Club 35’000 60’000
IGNM Basel 20’000  
Junges Theater Basel 350’000  
Kaserne Basel 750’000 2’103’535
Basler Marionettentheater 90’000  
Musikwerkstatt Basel 150’000 200’000
Basel Sinfonietta 400’000 334’000
Kammerorchester Basel 265’000 505’000
Ensemble Phoenix 50’000 130’000
Rockförderverein Region Basel 220’000 390’000
Sinfonieorchester Basel 1’700’000 13’335453
Theater Basel 4’500’000 35’024767
Vorstadt Theater Basel 240’000 240’000
Haus der elektronischen Künste 100’000 220’000
Gare du Nord 440’000  
    (zuzüglich Projektbeträge)

«Das geht an die Substanz der Kulturlandschaft»

Das Junge Theater Basel ist eine dieser Institutionen. Die international renommierte Bühne von und für Jugendliche finanziert sich hauptsächlich aus dem Beitrag von 350’000 Franken, die es aus der Kulturvertragspauschale erhält. «Wenn man uns die Hälfte der Beiträge streicht, dann bricht die Grundsubventionierung quasi weg», sagt Theaterleiter Uwe Heinrich.

Heinrich möchte das Schicksal seiner Institution aber nicht als abgesondertes Beispiel hervorheben. «Betroffen sind 16 Institutionen, die alle einen wichtigen Beitrag leisten. Es geht also an die Substanz der Kulturlandschaft Basel schlechthin», sagt er.

Der ehemalige Baselbieter Bildungs- und Kulturdirektor Peter Schmid, der als Präsident der Trägerschaft des Gare du Nord zu den in ihrer Existenz Betroffenen gehört, bestätigt: «Wir wollen uns nicht auseinanderdividieren lassen.»

Baselland lässt die Betroffenen im Ungewissen

Der Gare du Nord befindet sich in einer ausgesprochen unglücklichen Situation. Bis vor zwei Jahren wurde die angesehene Institution für Neue Musik quasi als Baselbieter Kulturexklave auf Stadtboden noch separat von Baselland subventioniert, bis sie in den Kulturvertrag verschoben und damit zur städtischen Institution wurde. «Baselland wurde damit finanziell entlastet, dieses Entgegenkommen hat für uns nun aber existenzielle Folgen», sagt Schmid.

Bis anhin haben sich die betroffenen Institutionen, die nach Aussage von Uwe Heinrich im Austausch stehen, allerdings ausgesprochen still verhalten. Heinrich rechtfertigt diese Zurückhaltung mit der Tatsache, dass die Betroffenen bislang lediglich aus den Medien von den geplanten Kürzungen vernommen haben. Weder die Baselbieter noch die städtische Regierung seien – trotz mehrerer Anfragen – bislang mit direkten Informationen an die Institutionen herangetreten. «Die Strategie des Baselbiets scheint im Moment darin zu bestehen, mit gar niemandem zu sprechen», sagt Schmid.

Das gilt auch für die TagesWoche. Konkrete Fragen an die verantwortliche Regierungsrätin Monica Gschwind blieben unbeantwortet. Das Generalsekretariat der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion verwies lediglich auf das gemeinsame Communiqué der beiden Basler Regierungen, das auf später vertröstet.

Ein reduzierter Kulturvertrag liegt für Basel-Stadt nicht drin

Auch die Basler Regierung musste lange auf detailliertere Informationen aus Liestal warten. Am Dienstagabend haben sich die beiden Regierungen nun zu einer gemeinsamen Sitzung getroffen. Zu einem Informationsaustausch und nicht zu Verhandlungen, wie der Basler Regierungspräsident Guy Morin auf Anfrage präzisiert.

An der Sitzung hat die Baselbieter Regierung bestätigt, dass sie den Kulturvertrag kündigen und den darin fixierten Betrag, der sich nach einem Prozentsatz der Steuereinnahmen natürlicher Personen richtet, halbieren möchte. Rechtlich kann Baselland den Kulturvertrag frühestens auf Ende 2016 kündigen. Und das Theater Basel kann sich zumindest darauf verlassen, dass die Baselbieter Beiträge bis Ende der Spielzeit 2016/2017 garantiert sind.

Für Basel-Stadt ist dieser Vorschlag aber grundsätzlich nicht akzeptabel: «Ein reduzierter Kulturvertrag liegt für Basel-Stadt nicht drin», sagt Morin. «Es kann nicht sein, dass wir die Diskussion über eine stärkere Beteiligung von Baselland am Theater Basel, die wir jetzt schon seit acht Jahren führen, perpetuieren und nun auf alle Kulturinstitutionen ausweiten, die Beiträge aus Liestal erhalten.»

Lastenausgleich nach Zürcher und St. Galler Modell

Guy Morin erwartet als Ersatz für den Kulturvertrag einen interkantonalen Lastenausgleichsvertrag für Einrichtungen von überregionaler Bedeutung, wie er zwischen Zürich und verschiedenen Innerschweizer Kantonen und zwischen St. Gallen und Ostschweizer Kantonen bereits existiert. Solche Ausgleichsvereinbarungen sind im Grundsatz im Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich definiert.

Als Eckpunkte für die bundesrechtlich festgeschriebene «Pflicht zur Zusammenarbeit» dienen die «effektive Beanspruchung dieser Leistungen», «der Umfang der Mitsprache- und Mitwirkungsrechte sowie damit verbundene erhebliche Standortvorteile und -nachteile», wie es in Artikel 12 des Gesetzes heisst. «Wenn wir dieses Modell ernsthaft umsetzen würden, dann müsste das Baselbiet wohl mehr bezahlen als heute», sagt Morin.

Das ist aber Zukunftsmusik. Im Vordergrund steht erst einmal die Kündigung des Vertrags und die bedrohliche Situation, die auf die betroffenen Institutionen zukommt. Das sieht auch Morin so, der aber von seiner Warte aus wenig beruhigende Worte aussprechen kann. «Es kann nicht die Lösung sein, dass der Kanton Basel-Stadt einspringt, wenn Baselland die Beiträge kürzt», sagt Morin.

Planungsunsicherheit für das Theater Basel

Das gilt auch für das Theater Basel, das noch immer daran zu zehren hat, dass das Baselbiet 2011 in einer Volksabstimmung eine Verdoppelung der Subventionen mit hauchdünnem Mehr abgelehnt hat. «Eine Halbierung der Beiträge auf 2,25 Millionen Franken ist auch für das Theater existenzbedrohend, wenn man bedenkt, dass die Subventionen seit der Ära Schindhelm um 7,1 Millionen Franken zurückgefahren wurden», sagt Verwaltungsratspräsident Samuel Holzach.

Holzach stört sich ganz allgemein am Umstand, dass die Kultur im Verhältnis massiv stärker abgestraft wird als andere Bereiche. Für das Theater, das unter der Direktion von Andreas Beck im Oktober in eine neue Ära startet, entsteht nun eine massive Planungsunsicherheit. «Wir müssen in Teilbereichen zwei Spielzeiten im Voraus planen können», sagt Holzach. Auf Eigenkapital und Reserven könne das Haus nicht zurückgreifen.

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