Leben wie Gott in Frankreich ist nicht immer gesund

Rebberge, Restaurants und ein Weinmuseum – eine Reise durch den französischen Jura ist ein Fest der Sinne.

Alles, was wir von einer französischen Kleinstadt erwarten: Arbois.

(Bild: Alexander Marzahn)

Rebberge, Restaurants und ein Weinmuseum – eine Reise durch den französischen Jura ist ein Fest der Sinne.

Der Jura endet nicht an der Schweizer Grenze. Er geht dort erst richtig los. Nach dem Grenzübertritt bei Yverdon/Vallorbe schlängelt sich die Strasse einsam zwischen Nadelwäldern und Hochlandwiesen in Richtung Westen, vorbei an rot gescheckten Jura-Kühen, welche die Rohmilch für den Morbier oder den würzigen Comté liefern.

Mit dem Claim «Jura – L’inattendu» weckt die lokale Tourismusbehörde Entdeckerlust, und schon kühlen wir unsere Füsse am unbebauten Ufer des frisch entdeckten Lac de Saint-Point. Frankreichs drittgrösster Natursee wird vom jungen Doubs gespiesen; der kleine Sommerkurort Malbuisson kann sich – anders als unsere späteren Reiseziele – zwar nicht mit dem Label «Die schönsten Dörfer Frankreichs» schmücken, doch der Geheimtipp für Wander-, Angel- und Tretboot-Freunde eignet sich perfekt für einen Zwischenhalt.

Eine Autostunde später sind wir am Ziel: Umgeben von hundert Meter hohen Jurafelsen, duckt sich Baume-les-Messieurs in seinen sattgrünen Talkessel. Die alte Benediktinerabtei mit stattlichem Annex wirkt wehrhaft und robust, zugleich mildert ein mediterraner Touch den rauen Charme des jurassischen Bauerndorfs.

Zu Recht gehört der Ort zum Kanon der «schönsten Dörfer»: Die herrliche Naturkulisse sowie der Kontrast von ruraler Einfachheit und klerikaler Prachtentfaltung machen den Reiz des Ortes aus.

Gelber Wein

Die nächste Dorfschönheit mit Prädikat liegt nur zwölf Kilometer entfernt. Doch welche Überraschung: Das Tal öffnet sich, und wo eben noch Tannen die Luft würzten («Sapin» gibts hier auch als Sirup), ziehen sich nun ausgedehnte Rebberge über sanft geschwungene Hügel.

Schon seit den Römern wird hier Wein angebaut, allerdings hat die unersättliche Reblaus nach 1865 die Anbauflächen um 90 Prozent reduziert. Davon unbeeindruckt, thront beinahe toskanisch auf einem Felsvorsprung das Winzerdorf Château-Chalon mit engen Gassen, tollem Fernblick und grosser Vergangenheit: Auf den kleinen Parzellen rund um die Siedlung liegen die Ursprünge des Vin Jaune, ein an Sherry erinnernder Weisswein, der bis zu 50 Jahre haltbar ist. Gelber Wein? Jura, l’inattendu!

Wir stossen mit einem erdigen Chardonnay in einem der zahlreichen Caveaus auf die resistenten Rebsorten an, bevor uns die «Route des Vins Jura» gegen Norden ins malerische Arbois führt, das Herz der Weinbauregion und 1936 der erste Träger eines AOC-Schutzsiegels in Frankreich. Arbois hat alles, was wir von einer französischen Kleinstadt erwarten: Die romanische Kirche, den belebten Place de la Liberté mit Bistrot, Boulangerie und Agence immobilière, ein blumenbekränztes Kriegsdenkmal und Parkplätze im Überfluss …



Arbois

Allgegenwärtig: Die Rebe und ihr Saft. (Bild: Alexander Marzahn)

Die alten Gemäuer des Stadtschlosses beherbergen ein modernes Weinmuseum, wo wir uns für die Millionenfrage bei Günther Jauch die fünf Rebsorten des jurassischen Weinbaus einprägen – Chardonnay, Pinot noir, Poulsard, Savagnin und Trousseau. Auch Arbois hält eine schöne Überraschung für uns bereit: Einer der besten Chocolatiers von Frankreich hat hier seinen Sitz, das Maison Hirsinger. Seit 1900 verführt das Familienunternehmen mit Kreationen der gehobenen Art den Gaumen. Heute führt die vierte Generation die Manufaktur, zu der auch ein nostalgisches Museum gehört.

Auf der Heimfahrt via Besançon, den Kofferraum voller Wein und Schokolade, müssen wir zugeben: Leben wie Gott in Frankreich ist nicht immer gesund. Doch für ein Wochenende voller Überraschungen sagen wir: Tant pis!

  • Essen: Mit herrlichem Weitblick im P’tit Castel in Château-Chalon, 14 Rue de la Roche.
  • Schlafen: Le Relais de la Perle – stilvolles BnB in einem ehemaligen Winzerhaus mit mediterranem Garten. DZ rund 100 Euro. 184, Route de Voiteur, 39210 Le Vernois.
  • Degustieren: In jedem Dorf, an jeder Strassenecke, in jeder Verfassung.
  • Naschen: Maison Hirsinger, Place de la Liberté. Individuelle Führungen nur via Arbois Tourismue.

 

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