Das Begräbnis des ermordeten libanesischen Geheimdienstchefs wurde am Sonntag in Beirut zu einer Demonstration gegen den syrischen Einfluss und für einen Rücktritt der Regierung.
Mit Bussen kamen die Trauergäste aus dem ganzen Land am Sonntag nach Beirut. Viele trugen die Fahne der syrischen Revolution mit sich. Oppositionsführer Saad Hariri hatte alle Libanesen aufgefordert, in ihrer Wut nicht Strassen zu blockieren, sondern am Begräbnis für den am Freitag ermordeten Geheimdienstchef Wissam Hassan teilzunehmen. Das Begräbnis auf dem Märtyrer-Platz war Trauerfeier und politische Demonstration in einem. Schon der Ort hatte eine grosse Symbolkraft. Hassan wurde dort begraben, wo auch der 2005 in einem Bombenanschlag ermordete Ex-Premier Rafik Hariri liegt, und die Gebete fanden in der mächtigen Moschee statt, die zu Hariris Ehren gebaut wurde. Allerdings kamen weniger Menschen, als die Opposition erwartet hatte.
Wichtiger Zeuge beseitigt
Der 47-jährige Geheimdienstchef, der am Freitag im Stadtteil Ashrafieh zusammen mit sieben weiteren Personen Opfer einer Autobombenexplosion wurde, wusste, dass er gefährlich lebt. Seine Familie, die Frau und zwei Söhne im Teenager-Alter, hatte er zur Sicherheit bereits nach Frankreich gebracht. Schnell waren Syrien und mit Assad liierte Libanesen als Schuldige ausgemacht. Nicht für einen Moment bestehe der Zweifel, dass der Mord auf das Konto des Assad-Systems und der Hizbollah gehe, kommentierte etwa die panarabische Tageszeitung Sharq al-Awsat.
Sogar der libanesische Regierungschef Najib Mikati, der einer Regierung von Hizbollah und deren Verbündeten vorsteht, deutete einen syrischen Einfluss an, als er erklärte, Hassans Tod stehe vermutlich im Zusammenhang mit seinen Ermittlungen gegen den früheren Informationsminister Michel Samaha. Dieser, ein enger syrischer Vertrauter, wurde im August verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, zusammen mit dem syrischen Geheimdienst ein Komplott geschmiedet zu haben, um mit verschiedenen Attentaten konfessionelle Spannungen im Libanon zu schüren und das Land ins Chaos zu stürzen. Hassan war auch an vorderster Front in die Aufklärung des Hariri-Attentats und der weiteren politischen Morde involviert. Mit ihm sei deshalb ein wichtiger Zeuge beseitigt worden, der in einem internationalen Gerichtverfahren gegen das syrische Regime hätte aussagen können, bemerkte der ehemalige syrische Vizepräsident Abdul Halim Khaddam.
Bewaffnete Scharmützel
Der Mord an Hassan ist der Höhepunkt der sich stetig verschärfenden Spannungen im Libanon, die durch das Überschwappen des syrischen Bürgerkrieges verursacht werden. Offiziell hat die Mikati-Regierung zwar versucht, sich aus dem Syrien-Krieg herauszuhalten, aber die verschiedenen religiösen und ethnischen Gemeinschaften im Libanon haben aus ihrer Haltung nie einen Hehl gemacht und mit Samahas Verhaftung war eine Eskalation vorprogrammiert. Vor allem in der nördlichen Metropole Tripolis kam es immer wieder zu blutigen Gefechten zwischen der sunnitischen Mehrheit, die die syrische Revolution unterstützt, und einer schiitisch-alawitischen Minderheit, die Assad folgt. Trotz einer verstärkten Militärpräsenz gab auch am Sonntag wieder mindestens vier Verletzte durch Scharfschützenfeuer. In den vergangenen Monaten gab es bereits mehrere Tote und über hundert Verletzte bei solchen Scharmützeln.
Führende libanesische Politiker aus verschiedenen Lagern haben zu friedlichen Protesten aufgerufen. Unter ihnen auch Christenführer Michel Aoun, dessen Partei auf den Regierungsbänken sitzt. Er erklärte am Sonntag, dieser Mord sei ein Anschlag auf alle Libanesen. Hassan dürfe nicht von einzelnen Gruppen zu ihrem Märtyrer erklärt werden.
Angst vor Machtvakuum
Die Demonstranten an den Trauerfeierlichkeiten hatten vor allem zwei Forderungen. Sie protestierten gegen die syrische Einmischung im Zedernstaat, der auch nach dem Rückzug der syrischen Armee im Jahr 2005 in vielen Bereichen ungebrochen ist und sie verlangten einen Rücktritt von Regierungschef Mikati. Ihre Forderungen wollen sie mit einem Sit-in und einem Zeltlager unterstreichen.
Hassan sei ein Opfer seiner erfolgreichen Arbeit im Fall Samaha geworden, erklärte Präsident Michel Suleiman am Sonntag im Rahmen der militärischen Ehrungen. Einen Rücktritt der Mikati-Regierung, Mikati ist selbst Sunnit, hat der Präsident bisher abgelehnt. Er will trotz der Schwächung der Regierung durch dieses Mordkomplott ein völliges Machvakuum möglichst verhindern. Mikati selbst hat schon angedeutet, es sei der Moment gekommen, um eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden.