Der Kanton Bern steigt mit einem Grossprojekt in den Kampf um knappes Bundesgeld: In einer ersten Etappe sollen mit Kosten von 870 Millionen ein neuer Bahnhof für die Regionalbahn RBS und neue Publikumsanlagen für den Gesamtbahnhof gebaut werden. Baudirektorin Barbara Egger sieht ein hartes Ringen und verspricht «Lobbying auf höchste Ebene».
Nach jahrelangem Schlingerkurs hat sich die vom Kanton Bern geführte Projektgruppe «Zukunft Bahnhof Bern» (ZBB) quasi kurzfristig für ein konkretes zweistufiges Ausbauprojekt entschieden. Gebaut werden sollen in einer ersten Etappe 2016-2025 unter der bestehenden SBB-Geleisehalle ein neuer Bahnhof für die Meterspurbahn Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) – als Ersatz für den bestehenden querliegenden Tiefbahnhof mit ebenfalls vier Geleisen, der heute an der Kapazitätsgrenze läuft. Und ein neuer West-Zugang zum Bahnhof zwischen der heutigen Unterführung und der 2005 als Lösung in hoher Zeitnot erstelle Holz-«Welle» bei der Schanzenbrücke. Für den RBS-Bahnhof werden Kosten von 520 Millionen, für die neuen Publikumszugänge Kosten von 350 Millionen Franken veranschlagt.
Die zweite nach 2025 zu realisierende Etappe ist gegenüber den Plänen von 2008 radikal verändert. Für den Normalspurbetrieb der SBB und der von der BLS geführten Berner-S-Bahn ist kein Tiefbahnhof mehr vorgesehen. Die SBB wollen ihren Normalspurbahnhof jetzt auf dem heutigen Geleiseniveau im Hügel unter dem Universitätshauptgebäude um vier Geleise erweitern.
Insgesamt Projekte für 20 Milliarden angemeldet
Die Berner Projektentscheide kommen in letzter Minute: 2013 fallen wichtige Entscheide über die landesweite Finanzierung von Bahninfrastrukturprojekten durch den Bund. Beim seit 2006 bestehenden Infrastrukturfond für Agglomerationen (IF) wird der Bundesrat im Frühsommer seine Vorschläge vorlegen, welche Projekte der Bund für die zweite Generation ab 2015 unterstützt soll. Anschliessend wird das Parlament entscheiden. Landesweit sind Projekte mit Gesamtkosten von 20 Milliarden angemeldet. Der Bund zahlt grundsätzlich die Hälfte der Projektkosten. Vorgesehen sind Bundesausgaben von insgesamt 1,9 Milliarden. Die Unterstützungsgelder des Bundes sind damit um das Fünffache «überzeichnet».
An der Medienkonferenz vom Dienstag machte die Berner Baudirektorin Barbara Egger (SP) klar, dass das Berner Bahnhof-Projekt ohne Bundesgeld nicht realisierbar sei. Die prekäre Finanzlage des Kantons dürfe aber nicht dazu führen, dass Bern seine Infrastruktur den Entwicklungen nicht mehr anpassen könne. Der Kanton Bern habe für seinen Beitrag an die erste Etappe des Bahnhofausbaus 300 Millionen den Finanzplan gestellt. Egger sieht einem harten Verteilkampf entgegen. Konkret nennt sie als Konkurrenzprojekt die Pläne für einen Durchgangs-Tiefbahnhofs Luzern.
Barbara Egger setzt auf kraftvolles Lobbyying in Bundesbern. Zu diesem Zweck seien «strategische Führungsgremien» am Werk. Bisher sei Zürich vom Bund besonders grosszügig gefördert worden, jetzt erwarte sie «Solidarität» mit dem zweitgrössten Kanton, dem zweitgrössten Bahnknoten des Landes und mit der Bundeshauptstadt. Sie habe «auf höchster Ebene» gute Kontakte, sagte Barbara Egger. Darf man vermuten, dass sie da Verkehrsministerin Doris Leuthard meint?