Die Perle des Sinai verliert an Glanz. Seit dem Anschlag auf ein Passagierflugzeug Ende Oktober bleiben Russen und Engländer aus. Ägypten hat ein Vertrauensproblem.
Vor dem Eingang zum Strassentunnel unter dem Suez-Kanal suchen Soldaten mit Sprengstoffhunden sämtliche Gepäckstücke der Busbenutzer ab. Alle Ausweise werden penibel kontrolliert. Für drei junge Schwarzafrikaner ist die Reise hier zu Ende. Die Polizei führt sie ab, vermutet sie wollten über den Sinai illegal in Israel einreisen.
Die Kontrollen auf dem Sinai sind auch auf dem Landweg engmaschig. Seit Ende Oktober eine russische Chartermaschine auf ihrem Weg von Sharm al-Sheikh kurz nach dem Start auf dem Sinai mit 224 Menschen an Bord durch eine Bombe zum Absturz gebracht wurde, wurden die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal verschärft.
Mit jedem weiteren Tag werden die Folgen für den Tourismusort deutlicher. Bei 30 Grad Luft- und 26 Grad Wassertemperatur herrscht eigentlich ideales Badewetter. Aber am Strand sind nur wenige Liegen besetzt. Die Glasbodenschiffe fahren fast leer zu den Korallenriffen. Ein Kosmetikstudio versucht mit halbierten Preisen Kundinnen für Schönheitsbehandlungen zu gewinnen. In den Einkaufsstrassen und Bazaren sitzen Trauben von Verkäufern gelangweilt vor den Geschäften und vertreiben sich die Zeit mit ihren Smartphones.
Das Geschäft ist tot
Die Flaniermeile ist in den Abendstunden schon fast gespenstisch leer. Kaum ein Gast verirrt sich in eines der Kaffees oder Restaurants, die in guten Zeiten brechend voll sind. «Die letzten Monate waren gar nicht so schlecht. Wir hatten Kunden aus verschiedenen Ländern, neben Russen und Engländern auch Araber und Ägypter», sagt Shadi an seinem Verkaufsstand für Exkursionen zu Land und zu Wasser. Aber jetzt sei das Geschäft total tot und niemand wisse, wie es weitergeht.
Verkäufer langweilen sich vor ihren Geschäften. (Bild: Astrid Frefel)
Die neusten Meldungen aus Russland – Russen und Briten machen zwei Drittel des Geschäftes in Sharm aus – verheissen nichts Gutes. Demnach sollen die Flüge von Russland bis Ende März 2016 ausgesetzt bleiben. «Die betroffenen Firmen haben dicht gemacht und ihre Angestellten in den Urlaub geschickt. Auch die ersten Hotels wurden geschlossen», weiss Ayman in einem Reisebüro, das auf russische Kundschaft spezialisiert ist.
Von den Engländern wird angenommen, dass die Flüge bald wieder aufgenommen werden. Von ihnen gibt es noch keine Stornierungen für das Weihnachtsgeschäft, die Spitzensaison in Sharm al-Sheikh.
Abwärtsspirale seit 2011
Seit der Revolution vom Frühjahr 2011 hat sich der ägyptische Tourismus nie mehr richtig erholt. Im Rekordjahr 2010 kamen fast 15 Millionen Touristen ins Land. Die Branche sorgte für jeden siebten Arbeitsplatz. Im letzten Jahr waren es noch zehn Millionen. Dazwischen gab es ein ständiges Auf und Ab, parallel zu den politischen Unruhen im Land, mehrmals auch verbunden mit Reisewarnungen, vor allem von europäischen Ländern.
Der Badetourismus, der 85 Prozent des Geschäftes ausmacht, hat sich noch am besten geschlagen, während der Kulturtourismus und die Nil-Kreuzfahrten völlig am Boden liegen. Die Einkünfte aus den Sehenswürdigkeiten wie Pyramiden, Tempel oder Museen sind um 95 Prozent eingebrochen. Derzeit verkehren auf dem Nil 40 Kreuzfahrtschiffe, 260 liegen vor Anker. Die Überkapazitäten drücken auf die Preise.
Auch an den Badeorten wurde die Auslastung in den letzten Jahren mit Preissenkungen erkauft. «Die Einführung der All-inclusive-Angebote hat unser Business kaputt gemacht. In den letzten Jahren kam vorwiegend billige Kundschaft, die kein Geld für Wüstensafaris oder Tauchkurse ausgibt», beklagt sich Ayman.
Luxushotels bieten Zimmer, die 150 bis 200 Dollar pro Nacht einbringen sollten, für 45 Dollar an.
Die Preisspirale nach unten hat aber auch zur Folge, dass die Qualität der Dienstleistungen und der Hotels schlechter geworden ist. Es fehlt das Geld für Investitionen und die Ausbildung der Mitarbeiter. «Die Zimmer hätten dringend eine Renovation nötig», sagt ein Schweizer Stammgast vor einem bekannten Fünfsternhotel. Der Preiskampf ist unerbittlich. Luxushotels in Sharm al-Sheikh bieten derzeit Zimmer, die eigentlich 150 bis 200 Dollar pro Nacht einbringen sollten, für 45 Dollar an.
Mit dieser Wintersaison hätte der Aufschwung beginnen sollen. In den letzten Monaten ist eine gewisse Stabilität eingekehrt, die Reservationszahlen zeigten nach oben. «Die Touristen aus Westeuropa sind aber zurückhaltend geblieben», sagt der Besitzer einer internationalen Hotelkette. Offizielle Reisewarnungen gibt es derzeit kaum. Die Schweizer Edelweiss fliegt ganz normal nach Sharm al-Sheikh, nachdem eine Sicherheitsfirma den Flughafen überprüft hat.
Enttäuscht über fehlende Solidarität
Die Tourismusanbieter versuchen, zur Schadensbegrenzung andere ägyptische Destinationen wie Hurghada oder Marsa Alam anzupreisen. Werbeaktionen richten sich zudem speziell an Ägypter und Araber. Viele Ägypter haben spontan reagiert und Reisen in den Südsinai gebucht. Sie können helfen, dass die Auslastung von Hotels besser wird und damit weniger Angestellte entlassen werden, aber sie bringen keine Devisen, die Ägypten so dringend benötigt. Insgesamt rechnet der Hotelbesitzer, dass die Flugzeugkatastrophe einen Einbruch von etwa 30 Prozent für die kommende Saison nach sich ziehen werde.
Gähnende Leere: Hotelanlage in Sharm al-Sheik. (Bild: Astrid Frefel)
Ägypten ist im Winter konkurrenzlos, weil es nah an Europa liegt und relativ günstig ist, darum bleibt die Hoffnung, dass die Nachfrage langfristig wieder steigt. In diesen Tagen sind viele Betroffene aber enttäuscht über die mangelnde Solidarität. Aktionen wie nach den Terroranschlägen in Tunesien mit «Je suis Bardo» oder jetzt in Frankreich gab es nach dem Anschlag auf das Flugzeug nicht, dafür aber Warnungen und Flugverbote.
«Wir zeigen uns solidarisch mit den unschuldigen Franzosen, die grosse Pyramide war in den Farben der französischen Trikolore beleuchtet. Auch wir sind unschuldig», sagt Ayman. Ägypten hat ganz klar ein Imageproblem und es mangelt an Vertrauen. Auch diesmal habe die Regierung wieder schlecht reagiert; keine Transparenz, nur Verneinungen und Besserwisserei anstatt Versäumnisse einzugestehen und zu versprechen, es in Zukunft besser zu machen, resümiert der Hotelfachmann.