Männer-Lobbyist Markus Theunert zur CVP-Initiative: «Ich dachte, dass wir als Gesellschaft weiter sind»

Der Männer-Lobbyist Markus Theunert findet, die Initiative gegen die Heiratsstrafe verstosse gegen den Gleichstellungsartikel in der Verfassung. Die CVP baue damit bewusst eine Hürde für die Homo-Ehe auf.

Markus Theunert, Männerlobbyist: «Ich will so oder so nicht heiraten. Mich ärgert höchstens, dass die Gemeinschaft mehr zahlen muss, wenn die Initiative angenommen wird.»

(Bild: Fabian Unternährer)

Der Männer-Lobbyist Markus Theunert findet, die Initiative gegen die Heiratsstrafe verstosse gegen den Gleichstellungsartikel in der Verfassung. Die CVP baue damit bewusst eine Hürde für die Homo-Ehe auf.

Die CVP will per Volksinitiative die sogenannte Heiratsstrafe abschaffen. Gemeint ist damit die steuerliche Benachteiligung von bestimmten Ehepaaren. Am 28. Februar stimmen wir darüber ab.

Betroffen sind insbesondere verheiratete Doppelverdiener ohne Kinder – schätzungsweise 80’000 Paare in der Schweiz. Diese zahlen mehr Steuern als unverheiratete Paare in der gleichen Lebenslage. Die Unterschiede variieren von Kanton zu Kanton. Die grössten Unterschiede bestehen jedoch bei der Bundessteuer. Das zeigt eine Auswertung des «Tages-Anzeigers».

Was die Initiative neben den steuertechnischen Details bedeutet, erklärt der Basler Markus Theunert, der als Männerbeauftragter beim Kanton Zürich arbeitete und die Organisation männer.ch leitet. 

Herr Theunert, sind Sie verheiratet?

Nein.

Weil Sie so weniger Steuern zahlen?

Nein. Das haben wir gar nicht durchgerechnet. Es war vielmehr ein bewusster Entscheid gegen die Idee der Versorgungsgemeinschaft und für das Modell einer Solidargemeinschaft.

Inwiefern?

Die Idee der Ehe ist die: Ein Teil sorgt für die ausserhäusliche Sicherheit, der andere für die innerhäusliche. Sicherheit ist der Ursprung der Ehe, nicht die Liebe. Die Ehe schafft eine Wirtschaftsgemeinschaft, die zum Beispiel verhindern soll, dass der Mann abspringt, wenn die Frau ein Kind gebärt. Die Frau musste historisch gesehen für diese Sicherheit einen hohen Preis bezahlen: ihre Unterordnung. Bis in die 1980er-Jahre besassen Männer das Recht, ihren Gattinnen eine Erwerbstätigkeit zu verbieten. Noch heute gibt es etliche Überbleibsel dieser patriarchalen Tradition, beispielsweise das  Steuersystem. Und genau diesen patriarchalen Geist will die CVP jetzt zementieren, indem die «Wirtschaftsgemeinschaft» von «Frau und Mann» in die Verfassung geschrieben werden soll.

«Man könnte das Problem sehr einfach lösen, indem man sagt: Jeder sorgt für sich selbst und wird auch individuell besteuert.»

 

Was ist falsch daran, wenn zwei Menschen in einer Wirtschaftsgemeinschaft zusammenleben?

Es ist nicht falsch. Es ist einfach das falsche System, um die Gleichbehandlung von Frau und Mann herzustellen.

Warum?

Das System Ehe geht von einer traditionellen Arbeitsteilung aus, statt von lebenslanger Erwerbskontinuität beider Ehepartner. In der Folge fehlen die Anreize, dass beide Elternteile vergleichbar viel Erwerbsarbeit leisten. Es ist kein Zufall, dass die gleichstellungspolitisch fortschrittlichsten Länder die tiefsten Eheraten haben. In Finnland haben mehr als die Hälfte aller Neugeborenen unverheiratete Eltern, in der Schweiz nur eins von fünf.

Wie könnte der Staat denn Anreize schaffen, damit Mann und Frau ähnlich viel arbeiten?

Aus meiner Sicht muss gelten: Jeder einzelne Mensch hat die Verpflichtung, für sein Einkommen zu sorgen, und zwar unabhängig davon, ob er verheiratet ist oder nicht. In der Folge ist es völlig logisch, dass das Einkommen jeder Person einzeln versteuert werden muss. Alles andere führt per se zu Ungerechtigkeiten. Dann fängt nämlich die ganze Erbsenzählerei an. Wer ist dank der Ehe bevorzugt, wer benachteiligt? Steuerlich? Bei der Sozialversicherung? Dieses Problem könnte man sehr einfach lösen, indem man sagt: In unserer Gesellschaft gilt der Grundsatz, dass jeder Mensch für sich selbst sorgt und auch individuell besteuert wird. Das ist eigentlich ein sehr liberaler Grundsatz. Deswegen staune ich darüber, in welche Richtung die Diskussionen über die Heiratsstrafe laufen. Ich dachte, dass wir als Gesellschaft weiter sind.

 




«Man kann die steuerlichen Unterschiede sicher abfedern – das bleibt aber letztlich reine Kosmetik.» (Bild: Fabian Unternährer)

Sie sagen: Eine Wirtschaftsgemeinschaft führt zu Ungleichbehandlung, da die Frau keinen Anreiz hat, zu arbeiten. Wer in der Wirtschaftsgemeinschaft arbeitet, ist jedoch nicht festgelegt. Genauso gut könnte die Frau Vollzeit arbeiten und der Mann zu Hause bleiben.

Ja, klar. Nur passiert das in lediglich ein bis zwei Prozent der Haushalte in der Schweiz.

Was nicht am System Ehe liegt, sondern an anderen Faktoren, wie etwa Kinderbetreuungs-Angeboten oder mangelnder Elternzeit.

Stimmt. Die Ehe ist nur eine Folge des herrschenden Systems, das Geschlechterdifferenzen fördert und an der Norm der heterosexuellen bürgerlichen Kernfamilie festhält, auch wenn die Realität sich schon viel weiter entwickelt hat.

Warum ist die Initiative gegen die Heiratsstrafe denn falsch? Sie mindert die Ungleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren, was seit über 30 Jahren ein politisches Anliegen ist.

Man kann die Unterschiede sicher abfedern, etwa indem man die Steuerprogression anpasst. Dagegen habe ich nichts. Es bleibt aber letztlich reine Kosmetik. Wenn man die Unterschiede in der Besteuerung verheirateter und unverheirateter Menschen wirklich verhindern will, muss man jede Person individuell besteuern. Das wäre die einfachste Lösung. Die Initiative, wie sie nun vorliegt, ist meiner Einschätzung nach nicht mit unserer Verfassung in Einklang zu bringen.

Verfassungswidrig? Das müssen Sie erklären.

Artikel 8 der Bundesverfassung fordert die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau in allen Lebensbereichen. Der Bund ist verpflichtet, diese zu fördern. Die CVP-Initiative läuft dem diametral entgegen, da die enge Definition von «Mann und Frau» als «Wirtschaftsgemeinschaft» keine Gleichstellung fördert, sondern im Gegenteil das überholte traditionelle Rollenmodell in die Verfassung schreibt. Mit der engen Definition von Wirtschaftsgemeinschaft von Mann und Frau versucht die CVP, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Man hätte diese Begriffe im Initiativtext einfach weglassen können: «Ehepaare dürfen nicht diskriminiert werden.» Das hätte genügt. Fertig. Dann hätte der Gesetzgeber nach einer Annahme die jeweils geltende Definition von Ehe verwenden können. Dass die CVP diese enge Definition festschreiben will, ist eine ideologisch begründete Schlaumeierei.

«Die CVP hat bewusst eine reaktionäre, Homosexuellen-feindliche Ehedefinition in den Initiativtext geschmuggelt.»

Dazu muss man sagen: Die CVP war im Parlament dazu bereit, auf die enge Definition zu verzichten. Die anderen Parteien lehnten dies jedoch ab.

Es ist nicht die Aufgabe der anderen Parteien, die CVP vor ihrer eigenen Dreistigkeit zu retten. Offensichtlich war das Belassen dieser Definition ein Manöver, um die ganze Initiative zum Absturz zu bringen. Ob das eine kluge Strategie ist, darüber kann man streiten. Man muss einfach ganz klar sehen: Die CVP hat bewusst eine reaktionäre, Homosexuellen-feindliche Ehedefinition in den Initiativtext geschmuggelt.

Die Initiative schliesst nicht aus, dass eine Ehe für Homosexuelle erlaubt sein soll. Der Ehe-Begriff könnte zu einem späteren Zeitpunkt auch ausgeweitet werden.

Klar. Aber wieso steht im Initiativtext «Lebensgemeinschaft von Mann und Frau»? Die CVP baut mit dieser Formulierung eine Hürde für die Homo-Ehe ein – mit dem deklarierten Ziel, eine Öffnung der Ehe zu verhindern. Diese Vermischung zweier Themen finde ich unlauter.

Hat die Ehe ausgedient?

Das traditionelle Modell – der Mann arbeitet, die Frau bleibt zu Hause – ist heute kaum mehr lebbar. Die Scheidungsrate liegt bei etwa 50 Prozent, und spätestens dann geht das nicht mehr auf. Die Ehe kann man modernisieren, oder man kann andere Formen finden. In der Schweiz läuft die Diskussion eher in die Richtung, neue Formen zu finden. Paare, die eine egalitäre Partnerschaft verfolgen, soll der Staat unterstützen, indem er Modelle zum Beispiel nach französischem Vorbild («Pacs») anbietet. So, wie die Ehe heute ist, ist sie nicht egalitär aufgebaut.

Wie sollte eine «Ehe light» denn aussehen?

Es geht nicht um eine «Ehe light», sondern um einen gesetzlichen Rahmen für egalitäre Beziehungs- und Familienmodelle, Solidargemeinschaften. Die Frage sollte sein, in welchem Rahmen die faire – das heisst hälftige – Teilung von Familien- und Erwerbsarbeit zwischen den Eltern am besten gelingen kann. Wenn man diese Frage nicht stellt, geht die Diskussion schnell in eine biologistische Richtung. Es heisst dann, Frauen sind für die Pflege von Kindern sowieso besser geeignet als Männer. Und das führt zu einem Zirkelschluss und bringt die Gleichbehandlung von Mann und Frau nicht voran.

Wenn die Initiative gegen die Heiratsstrafe angenommen wird, erwägen Sie dann, Ihre Lebensgefährtin zu heiraten?

Mir ist es egal, wie sehr ich in einer Ehe bestraft oder belohnt würde. Ich will so oder so nicht heiraten. Mich ärgert höchstens, dass die Gemeinschaft mehr zahlen muss, wenn die Initiative angenommen wird. Die gut verdienenden Ehepaare werden um etwa zwei Milliarden Franken entlasten, das muss an anderer Stelle kompensiert werden. Andere familienpolitische Projekte wie der Vaterschaftsurlaub hätten nach einer Annahme der Initiative einen ungleich schwereren Stand, da dafür das Geld fehlen würde.

Markus Theunert (42) ist Generalsekretär von männer.ch. Er studierte Psychologie und Soziologie in Basel und lebt seit einigen Jahren in Zürich. Dort wirkte er als Männerbeauftragter beim Kanton, hörte jedoch nach nur drei Wochen wieder auf, nachdem es Querelen über ein provokantes Positionspapier von männer.ch gab. Theunert hat eine Tochter und lebt mit seiner Lebensgefährtin im Konkubinat.

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