Mehr Munition für die beste Armee der Welt

Kriegsvorbereitung ist zu wichtig, um sie den Militärs zu überlassen: Anmerkungen und Fragen zur Armeebotschaft 2017.

Rekruten der Territorial Infanterie RS in Belchen nach dem 40km Marsch im Ziel in Muemliswil, aufgenommen im Maerz 2000. (KEYSTONE/Martin Ruetschi)

(Bild: KEYSTONE/Martin Ruetschi)

Kriegsvorbereitung ist zu wichtig, um sie den Militärs zu überlassen: Anmerkungen und Fragen zur Armeebotschaft 2017.

Die militärische Landesverteidigung ist – wie andere Politikbereiche – ewigen Kontroversen ausgesetzt. Dabei gibt es da die Meinung, man sollte sich in diesem Feld besonders einig sein, weil es in besonderem Mass um die nationale Existenz geht.

Eine Konfliktlinie verläuft zwischen Militaristen und Pazifisten. Wesentlich häufiger und nicht weniger vehement geführt wird allerdings der Disput zwischen unterschiedlichen Anhängerschaften einer guten und starken Armee.

Kürzlich hat sich die Gruppe «Giardino» in der Person ihres Präsidenten wieder gemeldet. Diese Gruppe ist ein 2010 gegründeter und von über 1000 Mitgliedern getragener Verein, der nach eigener Formulierung die Zerstörung der Milizarmee und der Schweizer Wehrkultur aufhalten und die Glaubwürdigkeit der Landesverteidigung wiederherstellen will.

Im Ernstfall wäre die Munition schon nach wenigen Tagen aufgebraucht.

Das Eingeständnis der in der vergangenen Woche vom Bundesrat veröffentlichten Armeebotschaft 2017, dass die heutigen Munitionsvorräte zu klein und im Ernstfall bereits nach wenigen Tagen aufgebraucht wären, lieferte einen willkommenen Anlass für neue Empörung.

«Giardino»-Präsident Willi Vollenweider, parteiloser Zuger Kantonsrat, packte die grossen Kaliber aus: Riesen-Saustall, ein Strafverfahren sei fällig, es gehe um Landesverrat. Schon sein Vorgänger, der inzwischen verstorbene Hermann Suter, hatte im Sommer 2013 für landesweites Aufsehen gesorgt mit der Erklärung, man solle alle Bundesräte (mit Ausnahme des Verteidigungsministers) «mit heissem Käse verschiessen».

Der Maurer Ueli blieb von diesem Bannwort verschont, wohl weil er in seiner Befehlsausgabe vom Dezember 2008 erklärt hatte, dass die Schweizer Armee die «beste Armee der Welt» werden soll. Inzwischen hat sich allerdings herausgestellt, dass sie auf dem «Feuerkraft-Index» erst auf Platz 37 auftaucht, hinter Malaysia und Argentinien, knapp vor Norwegen …

Es geht wieder bergauf mit der Armee

Wenn aus Maurers Programm – trotz Weltklasseniveau des «Kommandos Spezialkräfte» –  bisher nichts geworden ist, liegt das vielleicht am Spargehabe des Gesamtbundesrats und/oder am Parlament. Gemäss der vor ein paar Tagen veröffentlichten Armeebotschaft 2017 darf es mit der Armee jetzt aber wieder bergauf gehen.

Den scheinbar skandalösen Abschnitt zur Munitionsbeschaffung und den dafür vorgesehenen Posten von 225 Millionen Franken kann man auch ohne Aufregung zur Kenntnis nehmen als Absichtserklärung für eine Gegenbewegung zu der seit der Jahrtausendwende schrittweise vorgenommenen Senkung der Einsatzbereitschaft.

Jetzt soll mit der Beschaffung sogleich (2018) begonnen und nicht weiter zugewartet werden. Ziel ist es, dass im Ernstfall innerhalb von zehn Tagen bis zu 35’000 Armeeangehörige aufgeboten und rechtzeitig mit der nötigen Munition versorgt werden können.

Auf der anderen Seite des Politspektrums hält die immer noch existierende Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) die Munitionsausgaben für überflüssig und verweist auf einen Bericht über Munitionsbestände im Wert von über drei Milliarden Franken. Geht es einfach darum, das Geld zu verballern, das wegen der Sistierung des Kaufs von Boden-Luft-Raketen frei geworden ist?

Erdkampffähige Flugzeuge

Maurers Nachfolger Guy Parmelin argumentiert unter Berufung auf die Kategorien Glaubwürdigkeit und Verantwortung. Zur Abschreckung potenzieller Angreifer braucht es auch genügend Munitionsvorräte. Und vor allem soll vermieden werden, dass Armeeangehörige ohne ausreichend Munition in den Einsatz geschickt würden.

Einigermassen unbestritten ist, dass die Kampfflugzeuge F/A-18 für 450 Millionen Franken nachgerüstet werden müssen, weil diese nach dem Volks-Nein zum Gripen länger in der Luft bleiben müssen (bis 2030 statt 2025).

Diskussionen gab es um die Frage, ob diese Maschinen zu «Bombern» umgebaut werden sollen. Fachleute tun dies als unzutreffende Laienbezeichnung ab und betonen, dass es sich lediglich um Lenkwaffen gegen Bodenziele handle. Damit würde die in den 1990er-Jahren mit der Ausmusterung des Hunter verloren gegangene Erdkampffähigkeit wiedererlangt.

Gut haben wir Experten, die uns erklären: Auch eine Defensivarmee muss angreifen können.

Die Laien fragen sich natürlich, welche Bodenziele schweizerische Flieger haben könnten. Ob da eigenes Terrain beschossen werden soll? Doch die Antwort des Nichtlaien lautet: Zum Schutz der eigenen Kräfte innerhalb der Grenze müsse selbst eine Defensivarmee, wie die schweizerische eine ist, den Gegner angreifen können, bevor dieser das eigene Territorium erreicht. So erklärte es der ehemalige Luftwaffenkommandant Markus Gygax in der «Zentralschweiz am Sonntag» vom 26. Februar 2017. 

Auf die nächste Laienfrage nach der Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios, da man doch von befreundeten Nachbarn umgeben sei, bleibt der Militärexperte verständlicherweise vage und spricht lediglich von «Umfeld» und der Friedenseuphorie nach dem Fall der Berliner Mauer vor bald 30 Jahren.

Gemäss der Botschaft 2017 beschränkt sich der Rüstungsbedarf nicht auf Munition und Flugzeuge. Auch das Funkaufklärungs- und Sendesystem soll nachgerüstet und Informatikkomponenten für das Rechenzentrum des VBS sollen beschafft werden. Hinzu kommen das Immobilienprogramm des VBS und die Rahmenkredite für Armeematerial. Alles in allem für über zwei Milliarden Franken. Beruhigend wird beigefügt, wie viel davon in die Schweizer Volkswirtschaft zurückfliesse.

Es braucht Spezialkenntnisse

Es gibt den Spruch, dass Krieg etwas zu Ernsthaftes sei, um es den Generälen zu überlassen. Wenn das ein Wort zur erwünschten Kriegsvermeidung ist, dann muss ihm allerdings entgegnet werden, dass Zivilisten und Politiker zuweilen die feurigeren Kriegsgurgeln sind und dass es unter Militärs auch besonnene Menschen gibt. Dennoch kann man den Spruch gelten lassen und leicht abwandelnd sagen, auch Kriegsvorbereitung sei zu wichtig, als dass man sie den Militärs überlassen könne.

Landesverteidigung liegt wie Bildungs-, Sozial- und Verkehrspolitik in der Zuständigkeit der Politik, manchmal sogar der direkten Demokratie. Die Meinungsbildung dazu kann – wenn es um grössere Fragen geht und nicht nur darum, ob ein Veganer im Militärdienst ein Spezialregime beanspruchen darf – nicht aufgrund der Alltagserfahrung erfolgen. Es braucht Spezialkenntnisse.

In den Diskussionen um die Kosten der militärischen Landesverteidigung stellen sich einige Fragen:

  • Soll der eigene Luftraum vor allem mit der Luftwaffe, oder soll er im Wesentlichen vom Boden aus (mit dem momentan gestoppten Bodluv) gesichert werden?
  • Was könnte man bei vermehrter Kooperation mit anderen Armeen einsparen? Und was müsste man gerade wegen einer allfälligen Kooperationsnotwendigkeit als Eigenleistung verstärken?
  • Soll die Armee, die früher über eine halbe Million Soldaten umfasste und inzwischen auf 140’000 Sollbestand geschmolzen ist, weiter reduziert werden?
  • In welchen Grössenordnungen stehen Berufssoldaten und Milizsoldaten zueinander und in welchem Mass wird die allgemeine Wehrpflicht noch hochgehalten?
  • Ist es unter dem Aspekt der Verwendung von Human Capital und materiellen Betriebskosten richtig, dass Armeebestände für Schwingfeste und Ski-WM eingesetzt werden?
  • Ist es nicht verschwenderisch, wenn Zivildienstler, die in Schulen und Altersheimen Dienst leisten, wie man kürzlich in der Presse hat lesen können, mit Kampfstiefeln ausgestattet werden? (Das sind zwar Peanuts, sie nähren aber den Verdacht, dass auch bei grösseren Ausgabenposten unnötig Geld ausgegeben wird.)

Über die Armeebotschaft 2017 müssen nicht wir Basisbürger- und bürgerinnen befinden. Das tut die Volksvertretung für uns. Und innerhalb dieser gibt es die Spezialisten, die in den Kommissionen sitzen. Über die eben veröffentlichte Botschaft werden die Räte in den nächsten Sessionen debattieren.

Nach dem Idealmodell der Demokratie sollten wir auch in diesem Bereich mit diesen in einem aufmerksamen Austausch stehen, indem wir Fragen stellen und uns Antworten geben lassen.

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