Messe kauft Lohndumpingkontrollen

Die Messe zahlt eine Viertel Million für die Lohndumping-Kontrollen der Auf- und Abbauarbeiten für die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld. Im Gegenzug verpflichten sich die Gewerkschaften, die Namen betroffener Uhrenfirmen unter dem Deckel zu halten.

FOTO: TAGESWOCHE/STEFAN BOHRER ORT: BASEL - 12.3.13: DIE AUFBAUARBEITEN FUER DIE BASEL WORLD HABEN BEGONNEN. (Bild: Stefan Bohrer)

Die Messe zahlt eine Viertel Million für die Lohndumping-Kontrollen der Auf- und Abbauarbeiten für die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld. Im Gegenzug verpflichten sich die Gewerkschaften, die Namen betroffener Uhrenfirmen unter dem Deckel zu halten.

Kaum ist die Baustelle des Messeneubaus vorbei, sieht es in der Halle schon wieder aus wie auf einer Baustelle. Überall hämmern, schrauben und sägen Arbeiter. Sie bauen bereits mehrstöckige Messestände auf. Auf den Palletten, voll gestopft mit Material, prangen die Logos der renommierten Schweizer Uhrenfirmen Rolex und Patek Philipp. Am 25. April öffnet die Baselworld ihre Tore und bis dahin werden schätzungsweise 20’000 Arbeiter dafür sorgen, dass sich jede Uhrenfirma im besten Licht zeigen kann.

Doch dieses Jahr ist alles anders. Viele haben eigens für die neue Halle von Herzog & de Meuron neue Stände entworfen und zum ersten Mal überhaupt sind alle Messebauer dem Gesamtarbeitsvertrag der Schreiner unterstellt. Und dieser kennt recht anständige Mindestlöhne. Ein Grund zur Sorge für die Messeleitung. Nicht auszudenken, welchen Imageschaden die Messe nehmen würde, wenn bekannt würde, dass eine renommierte Uhrenmarke ihren Stand von ausländischen Messebauern aufstellen lässt, die zu Dumpinglöhnen für die Edelmarken schuften.

Einzigartigkeit hat ihren Preis

Jetzt hat die Messe den Geldhahn aufgemacht: Bis zu 240’000 Franken zahlt sie für die Lohndumping-Kontrollen. Für Messestandbauer, die um ihren Lohn betrogen wurden, stellt sie gar bis zu einer Million Franken in einer Art Notfallfonds zur Verfügung. «Es ist einzigartig, dass ein Unternehmen unsere Kontrollen finanziert», sagte Gaston Schweizer, Präsident der Paritätischen Kommission für das Schreinergewerbe Basel-Stadt an einer Medienkonferenz.

Einzigartig sei auch das «Gentlemen-Agreement», wie Ueli Vischer, Verwaltungsratspräsident der Messe, die Vereinbarung zwischen Gewerkschaften, paritätischer Kommission und Messe bezeichnete: Die Messe lässt sich ihr Engagement zwar einiges kosten, kauft damit aber gleichzeitg eine Art Stillhalteabkommen: Die Gewerkschaften Unia und Syna verpflichten sich, Lohndumpingfälle nicht an die Öffentlichkeit zu bringen. Erst nach Ende der Baselworld wollen die Vertragspartner gemeinsam über das Ergebnis der Kontrollen informieren.

Allerdings ist nur vorgesehen, über die Zahl entdeckter Fälle zu informieren und nicht Namen betroffener Aussteller zu nennen. Nur bei «gravierender Missstände» könnten die Vertragspartner während der Kontrollen über Einzelfälle informieren. Hans-Ulrich Scheidegger, Zentralsekretär der Unia, sagte, es sei nicht selbstversändlich, dass die Messe sich an den Kontrollkosten beteilige. Deshalb sei die Gewerkschaft auch bereit, «gewisse Kompromisse» einzugehen und nicht jeden Lohndumping-Fall an die Öffentlichkeit zu bringen.

Lohndumping im grossen Stil erwartet

Damit geht der Wunsch des Basler Volkswirtschaftsdirektors Christoph Brutschin in Erfüllung. An einer Krisensitzung Ende Dezember mit Messeverwaltungsrat Ueli Vischer und Vertretern der zentralen paritätischen Kommission des Schreinergewerbes hatte er gesagt, mediale Sperrfeuer wegen vermuteter Verstösse seien für die Baselworld wenig hilfreich.

Dabei erwarten Kontrolleure ausgerechnet beim Auf- und Abbau der Uhren- und Schmuckmesse Verstösse im gros­sen Stil, wie Marco Christ, Leiter der Baustellenkontrolle Basko, bereits vor zwei Monaten gegenüber der TagesWoche bestätigte: «Ich gehe davon aus, dass wir auch dieses Jahr wieder auf Arbeiter stos­sen werden, die für weniger als zehn Euro Stände aufbauen.» Bei der letztjährigen Baselworld, als der GAV der Schreiner noch nicht galt, erhob die Basko eine Stichprobe. Von 13 kontrollierten Firmen unterschritten vier die «orts- und branchenüblichen Lohnbedingungen erheblich».

Insgesamt rechnen die Verantwortlichen mit rund 20’000 so genannten Entsandten, die in den nächsten Wochen die Stände für die Baselworld aufbauen werden. Die Baustellenkontrolle Basko soll dabei rund zwanzig Prozent der selbständigen Messestandbauer kontrollieren, also prüfen, ob es sich um Scheinselbständige handelt, denn Selbständige müssen sich nicht an den Gesamtarbeitsvertrag halten. Von rund 1200 Messestandbauer-Firmen wiederum, soll ein Fünftel der Firmen (nicht ein Fünftel der Angestellten) kontrolliert werden. Für all jene Schmuck- und Uhrenmarken, die bis anhin ihre Stände von ausländischen Billigarbeitern aufbauen liessen, verdreifachten sich die Kosten, wenn sie sich an den Gesamtarbeitsvertrag halten müssen – und zwar auf einen Schlag, zitierte die TagesWoche bereits letzten Sommer Branchenkenner.

Kontrolliert werden weniger als zehn Prozent

Insgesamt dürften es sich um gut tausend Kontrollen handeln. Das entspricht bei geschätzten 20’000 Arbeitern einem einstelligen Prozentsatz. Dabei müsste gemäss Entsendeverordnung eigentlich die Hälfte kontrolliert werden. Doch bereits im Vorfeld hatte das Seco vor dem Grossanlass kapituliert. Aufgrund der personellen Kapazitäten sei es gar nicht möglich, 50 Prozent zu kontrollieren. Der Kanton Basel-Stadt und die Baustellenkontrolle könnten ihren Apparat nicht auf dieses Ausnahmeereignis ausrichten.

Wenn die Baselworld ihre Tore wieder geschlossen hat, soll eine Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner unter dem Vorsitz von Professor Heinrich Koller, dem ehemaligen Leiter des Bundesamtes für Justiz, eine «dauerhafte Lösung» für die Baselworld ausarbeiten.

20’000 Arbeiter bauen die Baselworld auf
Seit dem 4. März bauen Messestandbauer erste Stände für die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld auf. Rund 1400 Firmen werden ihre Marken präsentieren. Angeliefert wird das Material mit 7000 Sattelschleppern und 3000 Lieferwagen. Im Einsatz stehen rund 20000 Arbeiter. Am 25. April wird die Baselworld ihre Tore öffnen. Sie dauert bis am 2. Mai.

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