Mexiko schuldet den USA viel Wasser und hat selber nicht genug

Der Wasserkonflikt zwischen den USA und Mexiko spitzt sich zu. Laut einem Bericht der Tageszeitung Washington Post schuldet Mexiko den USA knapp 500 Milliarden Liter Wasser.

Der Lake Abilene in Texas Mitte August. Der Grundwasserspiegel sinkt, viele Seen im Süden der USA sind derzeit fast ausgetrocknet. (Bild: Joy Lewis, Keystone)

Der Wasserkonflikt zwischen den USA und Mexiko spitzt sich zu. Laut einem Bericht der Tageszeitung Washington Post schuldet Mexiko den USA knapp 500 Milliarden Liter Wasser.

Bereits Anfang 2013 hatte der Bundesstaat Texas das Nachbarland um Wasser gebeten, um seine Ernten zu schützen. Seitdem hat sich die Situation weiter verschärft.

Im Jahr 1944 schlossen die USA und Mexiko ein Abkommen über die Wassernutzung in der Grenzregion. Damit sollten die Auseinandersetzungen um Wasser zwischen beiden Staaten beendet werden. Das Vertragswerk hat sich bewährt. Seit einiger Zeit aber wird der gesamte Südwesten der USA von einer historischen Dürre heimgesucht – und stellt beide Seiten auf eine harte Probe. Die anhaltende Trockenperiode gilt als eine der schwersten der letzten fünf Jahrhunderte. In Kalifornien ist – durch die Nachfrage von Landwirten, Hausbesitzern und Kommunen – der Grundwasserspiegel dramatisch gesunken; viele Brunnen sind einfach ausgetrocknet.

Extreme Trockenheit und Wasserschulden

Arizona hat ebenfalls mit ausgetrockneten Flüssen und Wasserspeichern zu kämpfen. So verzeichnet der Lake Mead, ein Reservoir des Rio Colorado, den geringsten Wasserstand seit 1938. Die beiden grössten Städte des Bundesstaates, Phoenix und Tucson, könnten gezwungen sein, Wasserlieferungen zu beschneiden. Und in der texanischen Stadt von Wichita Falls veranlasste der Wassermangel die Behörden, Wasser aus Toiletten und Duschen zu behandeln, um es für die Trinkwasserversorgung zu verwenden.

Das von der extremen Trockenheit betroffene Gebiet erstreckt sich über ein gutes Dutzend Bundesstaaten und fast 600 Landkreise der USA – vom südlichen Texas bis in die nördlichen Rocky Mountains. Die Trockenheit betrifft Felder und Weideland, auf dem ein Drittel der Rinderbestände der Vereinigten Staaten zu Hause ist sowie die Hälfte seiner Obst-, Gemüse- und Winterweizenproduktion. Die Preise für Lebensmittel steigen bereits. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Die meisten Wissenschaftler glauben, dass die globale Erwärmung die bereits trockene Region in diesem Jahrhundert noch trockener machen wird.

Die Dürre im Südwesten der USA hat nun auch den Disput ums Wasser zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko angeheizt. Dem Wasserabkommen zufolge sind die USA verpflichtet, an Mexiko Wasser aus dem Colorado-Fluss abzutreten, während Mexiko den USA Wasser aus dem Rio Grande und dessen Nebenflüssen bereitstellt. In den vergangenen Jahren aber ist Mexiko hinter seine Verpflichtungen zurückgefallen und schuldet den USA 468’700’000’000 Liter Wasser (oder 380’000 acre-feet, eine US-amerikanische Volumen-Masseinheit, 1 acre-foot = 1233,48183754752 Kubikmeter). Das entspricht in etwa dem Jahresverbrauch von 1,5 Millionen Texanern im Lower Rio Grande Valley, rechnet die «Washington Post» vor.

Wasserabgabe: bei Dürre ein Teufelskreis

Im Mittelpunkt des Streits steht der Amistad-Staudamm (Amistad = Freundschaft), ein grenzübergreifendes Wasserreservoir. Im Jahr 1969 fertig gestellt wird der Damm von beiden Ländern gemeinsam verwaltet. Von den 16 Schleusen werden jeweils acht von Mexiko und acht von den USA instand gehalten. Jedes Land betreibt zudem ein Wasserkraftwerk an dem Staudamm; die Wasserstände und Abflüsse werden von Technikern aus beiden Ländern gemeinsam berechnet und koordiniert.

Mexiko bestreitet seine Verpflichtungen nicht, verweist aber auf die eigene Wasserknappheit. «Wir haben eine anhaltende Dürre seit 1994 bis heute. Das macht es für Mexiko schwierig, Wasser abzugeben. Es fällt weniger Regen als in der Vergangenheit», sagt Ignacio Peña Treviño, Mexikos Vertreter in der bi-nationalen International Boundary and Water Commission (IBWC).

Die einzigen Gründe, die Mexiko eine Verzögerung seiner Verpflichtungen erlauben, wären laut Abkommen Schäden am Damm, eine Naturkatastrophe oder eine eigene «aussergewöhnliche Dürre». In den vergangenen Jahren ist eine solche Situation zweimal eingetreten: Die Zeit ohne Niederschlag zwischen 2002 und 2007 sowie das schwere Erdbeben im Norden Mexikos im Jahr 2010. Daraufhin revidierten beide Länder im November 2012 den Rio Colorado betreffenden Teil des Wasserabkommens von 1944.

In einer Zusatzakte, die zunächst für fünf Jahre gültig ist, wird die Versorgung von 200’000 Bewohnern Kaliforniens, Nevadas und Arizonas sichergestellt, indem die Wasserbehörden dieser Bundesstaaten ermächtigt werden, zusätzliches Wasser von Mexiko zu kaufen. Mit den Geldern wiederum sollen die durch das Erdbeben hervorgerufenen Schäden an hydraulischen Anlagen behoben werden. Mexiko wiederum erhält zusätzliches Wasser aus dem Rio Colorado zur Versorgung seiner bevölkerungsreichen Städte im Nordwesten des Landes sowie das Recht, einen Teil der Reserven des Lake Mead zu nutzen.

USA beschweren sich nicht zum ersten Mal

Allerdings bezweifeln die US-Behörden, dass die heutige Situation in Mexiko mit der vor zwei, drei Jahren vergleichbar ist. Sie halten den Verweis auf eine anhaltende Dürre auf mexikanischer Seite für übertrieben. «Es hat keine Art von signifikanter Dürre seit März 2012 gegeben. Diese Ausrede ist nicht stichhaltig», so Carlos Rubinstein, der Vorsitzende des Texas Water Development Board (TWBD) gegenüber der «Washington Post».

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die USA über die Art und Weise beschweren, wie der südliche Nachbar mit seinen Vertragsverpflichtungen umgeht. Zwischen 1992 und 2002 belief sich die «Wasserschuld» Mexikos auf 1850 Millionen Kubikmeter Wasser, also fast die vierfache Menge, um die es derzeit geht. Erst im Jahr 2005 beglich Mexiko seine Verpflichtungen. Die Verzögerung verursachte Verluste in Millionenhöhe für die texanischen Landwirte, zumal sie mit dem Beginn der schweren Dürre im Jahr 2002 zusammenfiel. Auch dieses Mal sind die Ernten in Texas ernsthaft bedroht, vor allem der Anbau von Zitrusfrüchten.

Bereits zu Beginn des vergangenen Jahres hatten Abgeordnete und Vertreter der Wasserbehörden des Bundesstaates Texas deshalb Appelle an die mexikanische Regierung gerichtet, seinen Verpflichtungen nachzukommen und Wasser zu liefern.

Wasser-Streit dehnt sich aus

Die Unzufriedenheit aber beschränkt sich nicht auf die mexikanischen Behörden allein; auch der US-Regierung wird vorgeworfen, nicht genügend Druck auf das Nachbarland auszuüben. Der Gouverneur von Texas, Rick Perry, schrieb an Präsident Barack Obama und bat ihn sowie Aussenminister John Kerry, diplomatischen Druck auszuüben, um Mexiko zu zwingen, Wasser zur Verfügung zu stellen. Obama habe die Frage bei einem Treffen mit Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto während seines Mexiko-Besuchs später im selben Jahr angesprochen, heisst es. Peña Nieto wiederum versprach, sich um die Lösung des Wasserproblems kümmern zu wollen.

Aber auch unter den US-Bundesstaaten selbst gibt es Streit ums Wasser. In einer Klage, die ein texanischer Landkreis auf den Weg gebracht hatte wegen der Blockade des Verkaufs von Wasserreserven aus dem Red River, entschied der US Supreme Court zuletzt zugunsten Oklahomas. Eine weitere texanische Klage gegen New Mexico ist noch hängig.

Ein baldiges Ende der Wasserauseinandersetzungen ist nicht in Sicht. Zu den extremen klimatischen Bedingungen kommen nämlich noch andere. Gerade in der mexikanischen Grenzregion mit ihren Maquiladoras ist die Bevölkerung in den vergangenen Jahren stark angewachsen – und damit auch der Wasserbedarf.

Nächster Artikel