Nach dem Nein zu «Wohnen für alle» gingen in der Basler SP die Wogen hoch. Dabei besteht das Problem laut Mieterverband Basel vor allem darin, dass die Regierung dem Markt grundsätzlich freie Hand lässt.
Das Nein zu «Wohnen für alle» sass der Basler SP in den Knochen – besonders die Bemerkung ihres Regierungsrats Hans-Peter Wessels, der auf Facebook das Nein als «Vertrauensbeweis für die Strategie zur Wohnraumförderung der Basler Regierung» wertete. Parteifreunde äusserten sich aufgebracht, Juso-Vizepräsidentin Lavinia Fasciati bezeichnete die Äusserung gegenüber der TagesWoche als schlicht respektlos, worauf sich Wessels entschuldigte.
Die Kernfrage, welche Art von Wohnraum es in Basel braucht, beantwortet die Regierung mit einer einfachen Antwort: «Grundsätzlich entscheidet dies der Markt.» So formulierte es auch Regula Küng, Leiterin der Basler Fachstelle für Wohnraumentwicklung, am Montag im Interview mit der «Basler Zeitung».
Kritik an Wohnraumfördergesetz
Dabei führt Küng auch an, dass der Kanton vor allem «etwas in der Förderung von gemeinnützigem und damit preisgünstigem Wohnangebot» unternehme, so Küng im Interview: «Zudem hat der Kanton mit dem Wohnraumfördergesetz die Möglichkeit bekommen, besonders benachteiligten Menschen, die auf dem Wohnmarkt immer den Kürzeren ziehen, ein Angebot bereitzustellen.»
Und genau gegen dieses noch junge Wohnraumfördergesetz regt sich Widerstand. Das Gesetz ist seit einem halben Jahr in Kraft und wurde als Gegenvorschlag der Regierung zu einer Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands Basel angenommen (MV Basel). Dieser kritisiert die Wohnraumförderung der Basler Regierung allerdings immer noch scharf.
«Natürlich ist es schade, dass ‹Wohnen für alle› nicht angenommen wurde», sagt Patrizia Bernasconi, Co-Geschäftsführerin des MV Basel. «Die federführende SP hat die Initiative auch nicht gut vermittelt: Viel zu oft war von Wohngenossenschaften die Rede. Die Stiftung hätte aber andere Betätigungsfelder gehabt: zum Beispiel Liegenschaften zu erwerben, und sie so der Spekulation zu entziehen.»
Der Markt spielt frei in Basel
Genau hier setze das Problem der Basler Wohnraumförderung an: «Die Regierung überlässt den Basler Wohnraum grundsätzlich dem Markt.» Statt Wohnungsbau nach sozialen Kriterien zu forcieren, etwa gezielt günstigen Wohnraum für sozial Schwächergestellte zu schaffen, habe der Markt freie Hand.
Das widerspreche auch dem Erhalt von günstigem Wohnraum, der zugunsten höherer Renditen ersetzt würde, sagt Bernasconi. Dem Mieterverband seien Fälle bekannt, in denen eine so genannte «sanfte Sanierung» scheiterte, weil die Bank dem Liegenschaftsbesitzer nur einen Kredit für eine umfassende Sanierung gestatten wollte. Darauf sei die Kündigung aller Mietparteien erfolgt. «Auch das ist eine Folge des freien Marktes», so Bernasconi.
Die Politik der Basler Wohnraumförderung fusst hauptsächlich auf der Arbeit dreier Departemente, die von rotgrünen Regierungsräten geführt werden:
- Das Präsidialdepartement von Guy Morin (Grüne) koordiniert mit der Fachstelle von Regula Küng die Wohnraumentwicklung.
- Das Bau- und Verkehrsdepartement von Hans-Peter Wessels (SP) plant vornehmlich und ermöglicht zum Beispiel Arealentwicklungen wie Volta Ost oder die Erlenmatt.
- Das Finanzdepartement von Eva Herzog (SP) beherbergt mit Immobilien Basel-Stadt (IBS) das breite staatliche Immobilien-Portfolio. Allerdings arbeitet IBS nach marktwirtschaftlichen Kriterien: Der Betrieb bewirtschaftet das Finanz- und Verwaltungsvermögen des Kantons und damit der Stadt. Das heisst, dass auch IBS Rendite-Ziele erreichen muss.
Gesetz ist kein Ersatz für Wohnraumpolitik
Das sei schon strukturell problematisch, so BastA!-Politikerin Bernasconi, deren Mieterverband zu den schärfsten Kritikern von Immobilien Basel-Stadt gehört. Dabei sollte der Kanton – geht es nach dem Mieterverband – stärkere Leitplanken im sozialen Wohnungsbau setzen: Förderung der Kostenmiete und Erhalt von günstigem Wohnraum. Darüber hinaus seien raumplanerische Massnahmen, etwa spezielle Bebauungspläne, die einen spezifischen Anteil an bezahlbarem Wohnraum verlangen, nötig.
«Das Wohnraumfördergesetz des Kantons ist aus unserer Sicht lediglich ein Investorenfördergesetz», so Bernasconi. Es ersetze keine soziale Wohnungspolitik, wobei Bernasconi diesbezüglich den Stellenwert von Wohngenossenschaften in der Debatte relativiert: «Auch beim Abstimmungskampf für ‹Wohnen für alle› wäre daher besser das Wort Kostenmiete als Genossenschaften gefallen.»
Genossenschaften oft konservativ bei Wohnungsvergabe
Genossenschaften würden zwar Wohnraum zur Kostenmiete anbieten, gerade ältere Genossenschaften seien aber aufgrund ihrer Struktur eher konservativ in der Wohnungsvergabe, was sozial Schwächergestellten selten zugute käme.
Mit dem Nein zu «Wohnen für alle» ist der Widerstand gegen die Basler Wohnraumpolitik daher noch lange nicht beerdigt. Der Mieterverband wird selbst noch mehrere Initiativen zur Abstimmung bringen. Das Ziel: Günstiger Wohnraum soll günstig bleiben.
Ein sportliches Programm. Denn laut BaZ rechnet auch der Kanton damit, dass wegen der aktuellen Leerstandsquote gerade bei Wohnungswechseln die Mieten teurer werden könnten.
Artikelgeschichte
Nachträglich entstandenen Fehlbezug entfernt: Die Kernfrage, welche Art von Wohnraum es in Basel braucht, beantwortet die Regierung mit einer einfachen Antwort (und nicht Lavinia Fasciati, wie bei der Produktion eingefügt wurde).