Im Herbst entscheidet das Stimmvolk über das Thema Wohnen. Der Basler Mieterverband will seine Initiative nicht zurückziehen. Enttäuscht ist er nicht nur vom Gegenvorschlag, sondern auch von den Sozialdemokraten.
Vertretern des Mieterverbandes Basel-Stadt beim Reden zuzuhören, ist immer wieder eine interessante Angelegenheit. Es gibt nur wenige Verbände in Basel, die sich derart polemisch ausdrücken. Als «Ratte unter dem Dolendeckel», «Augenwischerei», «Tragödie» und «Mogelpackung» etwa bezeichneten sie den vom Grossen Rat verabschiedeten Gegenvorschlag zu ihrer Initiative «Bezahlbares und sicheres Wohnen für alle» am Donnerstag vor den Medien. Für den Verband steht ein Rückzug der Initiative, die unter anderem Sonderzonen für günstige Wohnungen verlangt, «unter keinen Umständen» zur Debatte. Voraussichtlich im September wird deshalb das Stimmvolk über das Wohnraumfördergesetz und das Volksbegehren entscheiden müssen.
«Das Wohnraumfördergesetz hat keine Substanz. Es ist alles nur Schein», sagte Patrizia Bernasconi, Geschäftsleiterin Mieterverbandes und BastA!-Grossrätin. Es würde nirgends im Gesetz stehen, dass Genossenschaften gegenüber den Privatinvestoren beim Wohnungsbau bevorzugt würden. «Zudem ist der Geist von Logis Bâle im Wohnraumfördergesetz immer noch vorhanden – auch wenn die Regierung sagt, sie wolle Wohnraum für alle». Vor allem zu schaffen macht dem Verband die geplante Lockerung des Abbruchgesetzes.
SP-Fraktion als «Geisseln»
Laut BastA!-Grossrätin Heidi Mück werden Genossenschaften als «Allheilmittel» und als «Garant für günstige Wohnungen» verkauft. «Es gibt aber auch viele Menschen, die nicht in einer Genossenschaft leben wollen, weil ihnen das Modell nicht passt», sagte sie. Besonders viel Kritik musste die SP-Fraktion einstecken, die am Mittwoch den Gegenvorschlag der Regierung unterstützte. «Ich bin enttäuscht, dass die SP für den Kompromiss über Leichen geht – das ist entlarvend», so Mück.
Noch deutlicher wurde Beat Leuthardt, Leiter der Rechtsabteilung und Kampagnenchef. So sei eine Mehrheit der SP-Fraktion «als Geiseln genommen» worden, und die Sozialdemokraten hätten sich im Parlament mieterfeindlich gezeigt. «Ich glaube, dass die Basis der SP anders denkt.» SP-Grossrat Jürg Meyer, der Vorstandsmitglied des Verbandes ist und am Mediengespräch ebenfalls anwesend war, konnte die Kritik an seine Leute nachvollziehen. Er habe sich nicht «gut gefühlt» bei der Position seiner Fraktion, sagte Meyer.
Und Beat Leuthardt nannte schon mal das Wort, das man in den nächsten Monaten im Abstimmungskampf noch ein paar Mal hören wird: «Wohnraubgesetz». Man werde dieses «Wohnraubgesetz» mit allen Kräften bekämpfen.
Der Gewerbeverband Basel-Stadt ist gemäss Mitteilung irritiert, in welch «despektierlicher Art und Weise» der Mieterverband den im Parlament sehr breit abgestützten Kompromiss zum neuen Wohnraumfördergesetz abtut (siehe Hintergrund zum Artikel). Auch der Gewerbeverband hätte sich vom neuen Wohnraumfördergesetz eine Stärkung der privaten Wohnbauträger erhofft – beispielsweise die vollständige Aufhebung des Gesetzes über Abbruch und Zweckentfremdung. Trotzdem unterstütze man den Kompromiss, heisst es weiter.
Nicht nur das Wohnraumfördergesetz hält den Mieterverband auf Trab. Auch die Massenkündigung am Burgweg beschäftigt den Verband derzeit intensiv. Betroffen sind Mieter und Mieterinnen von 45 Wohnungen sowie von 30 Ateliers und Mansarden im Wettstein-Quartier. Ihre Mietverträge hat die Basellandschaftliche Pensionskasse auf Ende September 2013 gekündigt. Sie will die hundertjährigen Liegenschaften sanieren. «Dieses Thema plagt uns extrem», sagte Beat Leuthardt kurz am Mediengespräch. Der Verband habe im Januar Einsprache gegen das Baugesuch eingereicht, die gutgeheissen wurde. Nun wurde das Gesuch von der Pensionskasse überarbeitet und erneut beim Bauinspektorat eingereicht. Leuthardt will nicht locker lassen: «Wir werden wieder Einsprache erheben.»