Mietzinse kennen nur einen Weg – nach oben

Die Mieten steigen, obwohl sie parallel zu den Hypothekarzinsen sinken müssten. Eine Alternative wäre, Wohneigentum zu erwerben. Doch das ist vielen zu teuer – daran würde auch ein Ja zur Bauspar-Initiative nichts ändern.

Als drittgrösste Schweizer Stadt hat Basel-Stadt vergleichsweise moderate Mieten. (Bild: Michael Birchmeier)

Die Mieten steigen, obwohl sie parallel zu den Hypothekarzinsen sinken müssten. Eine Alternative wäre, Wohneigentum zu erwerben. Doch das ist vielen zu teuer – daran würde auch ein Ja zur Bauspar-Initiative nichts ändern.

Die Hypothekarzinsen sinken seit etlichen Jahren, die Mieten für die meisten Haushalte nicht. Eine Mietwohnung kostet heute monatlich gut und gerne ein Drittel mehr als vor 20 Jahren. Wer hingegen vor 20 Jahren Wohneigentum kaufte, zahlt heute ­weniger als ein Viertel der damaligen Hypothekarzinsen.

Daraus ergeben sich zwei Fragen. Erstens: Warum sinken die Mieten nicht im Gleichschritt mit den Hypothekenzinsen? Und: Wäre es nicht gescheiter, die Menschen würden in den eigenen vier Wänden leben, damit sie direkt von sinkenden Hypozinsen profitieren können?

Verdoppelung seit 1983

Wie sich die Mieten im Verhältnis zu den Hypothekarzinsen entwickeln, zeigt ein Vergleich über die letzten 30 Jahre. Die Hypozinsen schwankten von rund sechs Prozent (1983) über mehr als sieben Prozent (1992) auf weniger als zwei Prozent (2012). Die Mietzinse haben sich seit 1983 mehr als ver­doppelt. Am stärksten stiegen sie von 1983 bis 1994 (plus 70 Prozent); zwischen 1995 und 2008 nahmen sie nochmals um rund 20 Prozent zu.

Dass sie auch seither nicht gesunken sind, ergibt sich aus Umfragen, nach denen zwei Drittel aller Schweizer Haushalte in den letzten fünf Jahren keine Mietzinsreduktion bekommen haben, obwohl sich der Hypothekenzins fast halbierte. Im Gegenteil: In diesen Jahren legten die Mieten nochmals um fast zehn Prozent zu.

Eigentlich sähe das Gesetz eine Anpassung der Mieten an die Entwicklung des Hypothekarzinses vor. Der vierteljährlich erhobene Referenzzinssatz (ein Durchschnitt der offerierten Hypothekenzinsen, jeweils gerundet auf das nächste Viertelprozent) ist dabei das Mass aller Dinge. Dieser wurde per 1. Juni von 2,5 auf 2,25 Prozent zurückgenommen, was theoretisch allein zu ­einer Mietzinssenkung von 2,9 Prozent führen müsste. Berücksichtigt man die verschiedenen in den letzten Jahren erfolgten Zinssenkungen, die zu einem grossen Teil nicht an die Mieter weiter gegeben wurden, könnte die Mietzinsreduktion gegen 20 Prozent ausmachen.

Mieter haben schlechte Karten

Diese Rechnung wird theoretisch bleiben, denn Mietzinsreduktionen lassen sich kaum durchsetzen. Erstens gibt es zu viele Schlupflöcher. So können die Vermieter die Teuerung geltend machen, die auch in den Mieten zu 40 Prozent ausgeglichen werden darf; sie ­können wertsteigernde Investitionen gel­tend machen, die als Zusatzkosten in Rechnung gestellt werden. Und sie berufen sich zuweilen auch auf quartierübliche Mieten, falls diese höher liegen.

Dass der rechnerisch klare Zusammenhang zwischen Referenzzinssatz und Miete eins zu eins zum Tragen kommt, ist sehr selten. Denn zweitens gilt: Mietzinssenkungen müssen von den Mietern eingefordert und zuweilen erkämpft werden – mit eingeschrie­benem Brief, mit dem Gang zur Schlichtungsstelle und im Extremfall mit ­einem ordentlichen Prozess. Der Mieterverband rät zu diesem konsequenten Verhalten, der Hauseigentümerverband hält ein solches Vorgehen für kontraproduktiv. Der einzelne Mieter hat gegenüber dem Vermieter meistens die schlechteren Karten, er wird seine Forderungen also weder durchsetzen können noch wollen.

Besser hat es, wer Wohneigentum besitzt: Dann pro­fitiert man direkt von Hypothekarzins­senkungen, leidet allerdings auch unmittelbar, wenn diese steigen. Um dieses Risiko zu mildern, finanzieren sich die meisten Wohneigentümer heute mit Festhypotheken, bei denen der Zins während einer bestimmten Zeit stabil bleibt.

Derzeit sind zehnjährige Fest­hypotheken bereits ab 1,5 Prozent zu haben. Bei einem Kaufpreis von 800’000 Franken und einer Hypothek von 640’000 Franken (80 Prozent des Kaufpreises, maximale Belastung) resultiert daraus eine Zinsbelastung von rund 800 Franken im Monat – garantiert für die nächsten zehn Jahre. Auch wenn man die zusätzlichen Kosten eines Wohneigentümers in Rechnung stellt, können Mieter von solchen Konditionen nur träumen.

Familien haben zu wenig Mittel

Der Haken an dieser schönen Rechnung: Wer eine Wohnung erwerben will, muss 160 000 Franken Eigenkapital aufbringen – was längst nicht allen Arbeitnehmern möglich ist, schon gar nicht jungen Familien mit Kindern, die günstigen Wohnraum am dringendsten bräuchten.

Die Schweizer gehören zu den sparsamsten und reichsten Menschen der Welt. Nur ist das Resultat dieser Sparsamkeit, das angehäufte Vermögen, in der Schweiz so ungleich verteilt wie in keinem anderen Land – ausser Sin­gapur.

Nach einer Erhebung der Credit Suisse besitzt ein Prozent der Schweizer 99 Prozent des Gesamtvermögens. Rund 20 Prozent besitzen laut der Bundessteuerstatistik keinerlei steuerpflichtiges Vermögen. Das hängt vor ­allem damit zusammen, dass auch die Einkommen in der Schweiz so ungleich verteilt sind, dass grosse Teile der Bevölkerung, bis weit in den Mittelstand hinein, nicht genügend Geld ­ansparen können, um ausreichend ­Eigen­kapital für den Wohnungskauf anzuhäufen.

Zweite Säule ist bedingt hilfreich

Auch der Ausweg, das angesparte Alterskapital in der Pensionskasse für den Wohnungskauf anzuzapfen, ist nicht wirklich hilfreich. In jungen Jahren ist noch zu wenig angespart, im mittleren Alter wird es schwieriger, das entzogene PK-Geld wieder aufzustocken – was später zu einer tieferen Rente führt. Mithilfe der dritten Säule steuerbegünstigt zu sparen und dieses Geld dann in Wohneigentum zu investieren, ist wieder nur jenem Teil der Bevölkerung vorbehalten, der von seinem Einkommen überhaupt sparen kann.

Ähnliches gilt für die Initiative des Hauseigentümerverbandes zur Förderung des Wohneigentums durch Bausparen, die am 17. Juni zur Abstimmung kommt. Diese sieht vor, dass während zehn Jahren bis zu 10’000 Franken (Ehepaare 20’000 Franken) jährlich steuerbefreit angespart und dann ebenfalls steuerfrei in Wohneigentum investiert werden können.

Positiv an dieser Initiative ist, dass damit der Unfug gestoppt wird, die Pensionskasse für Wohneigentum zu plündern. Negativ ist neben dem Steuerausfall die Tatsache, dass damit wiederum nur eine kleine Schicht Besserverdienender beglückt wird. Diesen Leuten wird der Erwerb von Wohneigentum erleichtert – sie könnten sich den Traum von den eigenen vier Wänden aber auch ohne Steuer­erleichterungen finanzieren.

Prekärer ist die Lage für Normal- und unterdurchschnittlich Verdienende. Für sie liegt der Erwerb von ­Woh­n­eigentum ausser Reichweite: Sie können weder mit Bausparen noch mithilfe der dritten Säule Vermögen bilden. Für sie käme am ehesten eine Eigentumsform infrage, die in der jüngeren Zeit ein wenig an Bedeutung verloren hat: die Genossenschaft.

Genossenschaften fördern

Statt den Besserverdienenden Steuergeschenke zu verabreichen, könnten staatliche Stellen mit Subventionen das Eigenkapital der Genossenschafter anreichern. Sozial engagierte Banken könnten Genossenschaften mit Hypotheken zu Vorzugs­bedingungen ausstatten. Auch das ­«soziale Kapital», das etwa im Detailhandel ebenfalls genossenschaftlich strukturiert ist, könnte aus seinen ­Gewinnen andere genossenschaftliche Institutionen fördern.

Diese Form der Förderung ist nicht neu: So sind in der Vergangenheit die meisten Wohnbau­genossenschaften entstanden. In den meisten Genossenschaften sind die Mieten über längere Zeiten konstant ­geblieben – dank steigender Löhne re­lativ sogar gesunken. Und vor allem sind die Mietverhältnisse sicherer, denn die Mieter sind zugleich Miteigentümer.

Mit der Förderung das genossenschaftlichen Wohnungsbaus würde man das angestrebte Ziel, günstigen Wohnraum für junge Familien zu schaffen, besser erreichen als mit erleichtertem Bausparen. Die Strukturen dafür wären vorhanden, die gesetzlichen Grund­lagen zum grössten Teil auch. Man müsste nur noch wollen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 08.06.12

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