Migranten im Wahlkampf: Wen wählen die Kurden?

Stimmberechtigte mit kurdischem Hintergrund sind in Basel ein politischer Faktor. Wen sie wählen – und warum die Wahlen in der Türkei dabei eine Rolle spielen könnten.

Etwa 400 Demonstranten nahmen am Mittwoch an der Demonstration teil, zum Gedenken an die Todesopfer von Ankara.

(Bild: Yen Duong)

Stimmberechtigte mit kurdischem Hintergrund sind in Basel ein politischer Faktor. Wen sie wählen – und warum die Wahlen in der Türkei dabei eine Rolle spielen könnten.

Wie gross die türkisch-kurdische Community in Basel ist, zeigte sich am Mittwoch eindrücklich im Dreirosenpark: Hunderte Kurden und Türken besammelten sich dort, um die Opfer der beiden Bombenanschläge in Ankara zu betrauern, bei denen letzten Samstag laut der pro-kurdischen Partei HDP 128 Menschen ums Leben kamen. Die Hintergründe sind noch nicht geklärt. Die Regierung verdächtigt die verbotene kurdische Partei PKK sowie den Islamischen Staat.

Unter den Demonstranten befanden sich – neben Sibel Arslan – auch weitere linke Nationalratskandidatinnen und -kandidaten wie Mirjam Ballmer, Sarah Wyss oder Beat Jans. SP, Grüne, BastA! und das Junge Grüne Bündnis hatten zur Demonstration aufgerufen, um den in der Türkei getöteten Menschen zu gedenken.

Solidarität und Wahlkampf

Nebst der Solidarität spielte beim Demonstrationsumzug wohl auch der Wahlkampf eine Rolle. Schätzungsweise 5000 kurdischstämmige Wähler leben in Basel – insbesondere die SP und BastA! dürfen auf diese Wählerschicht zählen.

Denn mit Sibel Arslan (BastA!) oder Mustafa Atici (SP) stehen zwei profilierte Kandidaten zur Wahl, die selbst einen kurdischen Hintergrund haben und Wähler aus der kurdischen Community mobilisieren können.



Nationalratskandidatin und BastA!-Grossrätin Sibel Arslan an der Demonstration am Mittwoch.

Nationalratskandidatin und BastA!-Grossrätin Sibel Arslan an der Demonstration am Mittwoch. (Bild: Yen Duong)

Wen die kurdischen Wähler von den beiden bevorzugen, bleibt offen. Eine Umfrage unter den Demonstranten ergab, dass sich viele nicht zwischen den beiden entscheiden können. «Ich wähle beide, da ich beide mag», sagte zum Beispiel ein 34-jähriger Gastronom. Ähnlich äussert sich auch eine weitere kurdische Wählerin: «Ich kann mich doch nicht zwischen ihnen entscheiden, sie gehören schliesslich beide zu uns.» Sie habe deshalb beide Namen zweimal auf den Wahlzettel geschrieben.

Für Arslan steht fest: «Ich werde sicher einige Stimmen von Wählerinnen und Wählern mit türkisch-kurdischem Hintergrund erhalten. Viele wissen, dass sie die Möglichkeit haben, mit ihrer Stimme etwas zu bewegen.» 

Zur hohen Zahl an eingebürgerten Kurden komme, dass diese Menschen oft politisch engagiert seien. «Die meisten haben die repressive Politik der türkischen Regierung an Leib und Leben erlebt.» Deshalb würden sie hier ihre demokratischen Rechte wahrnehmen – und auch wählen gehen.

Potenzial überschätzt

Über das Wahlverhalten der kurdischstämmigen Bevölkerung gibt es keine Zahlen. Welches Gewicht sie bei den Wahlen haben, lässt sich deshalb nur abschätzen.

Mustafa Atici glaubt, das Potenzial werde überschätzt: «Einige der Stimmberechtigten gehen nicht zur Wahl.» Das erfahre er auf Veranstaltungen von kurdisch-türkischen Vereinen, Hochzeiten und anderen Events, bei denen er in Kontakt mit dieser Gesellschaftsschicht stehe.

Mit zwei Wochen Verzögerung finden in der Türkei ebenfalls Wahlen statt. Arslan meint, das führe auch zu einer Mobilisierung für die nationalen Wahlen in der Schweiz. «Über Vereine und Verbände werden Wählerinnen und Wähler für die Wahlen in der Türkei mobilisiert. Gleichzeitig wird auch auf die Wahlen hier aufmerksam gemacht.» Alle – türkische Staatsangehörige, Doppelbürger und Schweizer Staatsangehörige – würden damit aufgerufen, sich politisch zu beteiligen.

Wahlen in der Türkei schaden SP

Atici glaubt nicht, dass er von solch einem Effekt profitieren könne. Im Gegenteil: Dass ausgerechnet jetzt in der Türkei Wahlen stattfinden – und auch Attentate wie vergangenen Samstag in Ankara verübt werden – schade ihm als SP-Politiker, da einige Wähler so nach rechts rücken würden.

«Normalerweise wählen Migranten in ihrer ehemaligen Heimat konservativ, im Ausland hingegen links-liberal. Durch die Entwicklungen in der Türkei könnte sich das verändern», sagt Atici.

Nächster Artikel