Die 20-jährige Mikaela Shiffrin läuft mehr und mehr der 31-jährigen Ski-Diva Lindsey Vonn den Rang ab. In Lake Louise duellieren sich die beiden ungleichen US-Landsfrauen nun erstmals auch auf der Super-G-Piste.
Dass Lake Louise immer noch Lake Louise heisst, grenzt eigentlich fast an ein Wunder. Lindsey Vonn hätte schon längst die Umbenennung der Wintersporthochburg in der kanadischen Provinz Alberta beantragen können: in «Lake Lindsey». Nach all dem, was die 31-Jährige an diesem Ort inzwischen schon geleistet und gewonnen hat.
Fast ein Viertel ihrer insgesamt 67 Weltcupsiege hat Lindsey Vonn auf ihrer Lieblingspiste in ihrer zweiten Heimat gefeiert. 15 Siege (Abfahrt und Super-G) an einem Ort – das ist vor ihr noch keinem anderen Skiläufer gelungen.
Normalerweise müsste sich jetzt alles um sie drehen, wo doch nun von Freitag bis Sonntag der Frauen-Weltcup wieder in Lake Louise Station macht. Normalerweise müsste sie die Scheinwerfer und das Rampenlicht auf sich ziehen, so wie es eigentlich in den vergangenen Jahren immer der Fall war, wenn die Ski-Diva aus Minnesota auf einer Skipiste aufgetaucht ist.
Doch nun ist plötzlich alles ganz anders. Seit Mikaela Shiffrin ausgezogen ist, um die Skiwelt auf den Kopf zu stellen und für neue Massstäbe und Superlative zu sorgen, wird es um Lindsey Vonn zusehends ruhiger.
Der Respekt vor den Gegnerinnen
Ist da gerade ein Jungstar dabei, der erfolgreichsten Läuferin der Weltcupgeschichte (67 Siege) den Rang abzulaufen? Werden die Skifans gerade Zeugen einer Wachablösung? Und führt in den kommenden Jahren im Frauen-Skisport überhaupt noch ein Weg an Mikaela Shiffrin vorbei?
Die Karriere dieser US-Amerikanerin, vor allem aber die Performance der 20-Jährigen, die eigentlich erst am Anfang ihrer Laufbahn steht, fasziniert die Massen. Wer darf sich in diesem Alter auch schon Olympiasiegerin, Doppelweltmeisterin (jeweils im Slalom) und dreifache Slalom-Gesamtweltcup-Siegerin nennen? Wer war in so jungen Jahren denn schon so dominant wie eben jetzt Mikaela Shiffrin?
Bei den jüngsten Slalomrennen in Aspen hatte sie die Konkurrenz dermassen in Grund und Schneeboden gefahren, dass sie es im Ziel nicht einmal mehr wagte, ausgelassen zu jubeln – aus Respekt vor den Gegnerinnen, die sich angesichts der Zeitrückstände wie Anfängerinnen vorkommen mussten.
Tatsächlich hat wohl keine Läuferin im Weltcup in diesem Jahr so viele Pistenkilometer in den Beinen wie die überehrgeizige US-Amerikanerin. Nach der vergangenen Saison, als viele Kolleginnen bereits im wohlverdienten Urlaub waren, hatte Mikaela Shiffrin noch Sonderschichten eingelegt und es so auf 20 zusätzliche Schneetage gebracht.
Die Trainingsmethoden sind dabei mitunter ungewöhnlich. So verschlägt es die 20-Jährige gerne in die Snow-Funparks ihrer Heimat, wo sie das Fahren über Bodenwellen oder auch das Springen über Kanten perfektioniert hat. «Es ist schon sensationell, wie geschmeidig sie über Wellen fährt», lobt auch ÖSV-Coach Kriechbaum.
Mikaela Shiffrin selbst ist das ganze Gerede von Superlativen, Rekorden und dem Gesamtweltcup fast schon ein wenig zu viel des Guten. Sie weigert sich auch immer noch beharrlich, die grosse Kristallkugel als Saisonziel auszugeben. Dabei liegt sie in der Gesamtwertung bereits 85 Punkte voran und hat schon 280 Zähler mehr auf dem Konto als ihre Widersacherin Lindsey Vonn.
«Der Gesamtweltcup ist ein Traum», sagt die 20-Jährige, «ich fokussiere mich auf den Gewinn der kleinen Kugeln im Slalom und Riesentorlauf.»
Vonn macht Schlagzeilen dank Tiger Woods
Und noch etwas hat sie im Visier: einen Vergleich mit den Männern im Slalom. Die One-Woman-Show von Aspen hat in Shiffrin die Lust geweckt, sich einmal mit den Slalomspezialisten zu messen. «Das wäre richtig cool, wenn ich mich mit den Männern vergleichen könnte. Am liebsten gleich in Schladming», gesteht die 20-Jährige.
Zumindest in dieser Hinsicht ist Mikaela Shiffrin ihrer Rivalin Lindsey Vonn sehr ähnlich. Auch die 31-Jährige hegt seit jeher den Wunsch, eine Herren-Abfahrt zu bestreiten. Im Idealfall auf ihrer Lieblingspiste in Lake Louise.
Vonn schaffte es vor den Rennen in Lake Louise dann übrigens doch noch einmal in die Schlagzeilen. Allerdings ging es dabei nicht wirklich ums Skifahren. In einem CNN-Interview gestand die 31-Jährige, die sich vor einigen Monaten von Golfstar Tiger Woods getrennt hatte: «Ich liebe Tiger noch immer.»