Mit solcher Werbung verscherbelt der ÖV sein Image

Werbung, die keine Rücksicht auf das Umfeld nimmt, in dem sie auftritt, ärgert bloss. Die Werbetrams sind eine Zumutung für den Fahrgast – und schaden dem Image des öffentlichen Verkehrs.

(Bild: Samuel Eugster)

Werbung, die keine Rücksicht auf das Umfeld nimmt, in dem sie auftritt, ärgert bloss. Die Werbetrams sind eine Zumutung für den Fahrgast – und schaden dem Image des öffentlichen Verkehrs.

Sind Sie auch schon mal in ein rotblaues FCB-Trämli gestiegen? Plötzlich wird man als FCB-Fan behandelt. Ich muss mir als FCB-Fan vorkommen, obwohl ich noch nie das Joggeli betreten und auch am TV noch nie bei einem Match mitgefiebert habe. Dieser etwas spezielle Fanclub-Stil schluckt mich, ich fühle mich deplaziert.

Oder das Feuerwehr-Trämli, das wie von einer nächtlichen Spray-Attacke befallen in den urbanen Raum einfährt. Auch wenn ich der Arbeit der Feuerwehr meine volle Wertschätzung entgegenbringe, ja der mir persönlich bekannte Feuerwehrmann sehr sympatisch ist, was soll ich damit? Muss ich denn an dieser Feuerwehrübung mitmachen, ob ich will oder nicht? Nein, das denn doch nicht, der Motorwagen an der Spitze des Tramzugs winkt mir angenehm grün zu. Dort kann ich unbehelligt einsteigen.

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Wenn aber das IWB-Trämli vor mir hält, ein Gelenktram neuerer Produktion mit durchgehendem Fahrgastraum, hab ich keine Wahl. Vorn ist das Fahrzeug der Marke IWB blendend weiss, der übrige Wagen blau mit einer irren schwarzen Linie (Horizont- oder Fieberkurve?) durchzogen. Entweder ich warte auf das nächste – hoffentlich grün – oder ich steige ein in diesen IWB Werbe- oder Lehrkörper, werde mit Sprüchen an den Wänden und auf Plakätchen bombardiert, die mich im Moment wirklich nicht interessieren. Ich fühle mich genötigt. Obwohl ich eigentlich die Energiestrategie der IWB voll unterstützen könnte.

Das verschandelte Stadtbild

Noch schlimmer kommt’s, wenn ich mit den seltsamen Botschaften an den Fenstern eines ebenfalls steril weissen Trams konfrontiert bin. Will da eine Pharmafirma ihren schlechten Ruf wegen Umweltverschmutzung und unfairem Handel loswerden? Ich schaue in die Landschaft und lese in Grossbuchstaben: DAS KLIMA SCHÜ… (Mein Gott, mach ich gerne, aber lieber ohne sie. Kann ich einer Firma denn trauen, die den Mund so voll nimmt?) Sie vermiesen mir die Aussicht und verschandeln das Stadtbild. Sie missbrauchen mich als ihren Werbeträger. Das ärgert.

Mag sein, dass sich die meisten Leute gar nicht bewusst sind, wie lächerlich sich das ausnimmt, wenn ihr Gesicht in einer dummen roten Blase oder unter einem Fussball erscheint.

Und es kommt noch besser: «BESSER WERBEN» lese ich auf dem Dachrand eines einfahrenden Trämli und auf der obersten Zeile des nächsten ebenfalls, immer wieder: «BESSER WERBEN.» Die Werber werben für sich selbst. Nur sollten sie es besser tun. Werbung, die keine Rücksicht auf das Umfeld nimmt, in dem sie auftritt, entzückt nicht, sondern ärgert. Mag sein, dass sich die meisten Leute gar nicht bewusst sind, wie lächerlich sich das ausnimmt, wenn ihr Gesicht in einer dummen roten Blase oder unter einem Fussball erscheint. Vielen ist gar nicht bewusst, was die Werbung mit ihnen macht, wie sie mit ihnen spielt. Corporate Identity. Auch so ein Werbespruch. Um wessen Identität geht es?

Kostbares wird zu Abfall gemacht

Nicht nur um die Identität eines jeden Fahrgastes, sondern auch um die Identität der Stadt. Man schaue sich das doch mal genau an: AUSSTEIGEN UND SHOPPEN unter dem historischen Dach des ehemaligen Leonhardklosters. Zückersüsser Augenaufschlag bei Schiesser. Das passt ja vielleicht, na? – Geteilte Autos vor Mittelalter- und vor Jugendstil-Architektur. Und auch das Design des durch die Anzeige entzweigeschnittenen Tramwagens ist kaputt. Da werden kostbare Dinge durch billige Werbung zu Abfall gemacht.

Besser Werben kann für den ÖV doch nicht heissen, das eigene Image verkaufen. Das ist viel zu teuer. Beste Werbung für die eigene Sache ist, das eigene Erscheinungsbild voll durchzuziehen und zu pflegen. So wirkt man glaubwürdig. So wird auch dem Stadtbild die angemessene Wertschätzung entgegengebracht. So spart man Kosten.

Es gibt Städte wie Grenoble, die das begriffen haben und Werbung im öffentlichen Raum schlicht verbieten. Man kann ihnen nur gratulieren.

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