Seine Chemikalien dienten im Vietnamkrieg als Waffe. Nun beliefert der amerikanische Chemiekonzern Monsanto die vietnamesische Agrarindustrie – mit Stoffen, die denen von damals ähneln.
Der grösste Hersteller von Agent Orange war der amerikanische Chemiekonzern Monsanto. Man könnte sich gut vorstellen, dass Vietnam nichts mehr mit einem Unternehmen zu tun haben möchte, das so viel Unglück ins Land gebracht hat. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Vietnam bewilligte 2014 die Einfuhr von gentechnisch verändertem Monsanto-Mais-Saatgut mit der Bezeichnung GA 21. Derart veränderte Mais-Sorten bedingen giftige Agrarchemie. Darunter Glyphosat, ein Hauptbestandteil einiger Breitbandherbizide. Es ist auch im Monsanto-Herbizid-Bestseller Roundup drin. Da der Monsanto-Mais zwingend Roundup braucht, ist das Herbizid auch in Vietnam im Einsatz.
Die USA setzten das Gift in Kolumbien, Afghanistan und andern Ländern auch als Chemiekampfstoff ein. Es wurde auf Drogenanbaugebiete versprüht. Kritiker sagen, Glyphosat sei das Agent Orange unserer Zeit. Die chronische Zufuhr von Glyphosat mache Mensch und Tier krank und schädige das Erbgut.
Forscher der Universität Leipzig entdeckten Glyphosat auch schon im Urin von Kühen. Die Kritiker befürchten, dass diese Chemikalie in Vietnam eine Wiederholung der Tragödie bringen könnte.
Aggressive Werbung
Wissenschaftler aus Neuseeland und Mexiko entdeckten, dass Glyphosat eine Rolle bei den Antibiotika-Resistenzen spielt. Und im März 2015 kamen Krebsforscher aus elf Ländern in einer WHO-Studie zum Schluss, dass Glyphosat wahrscheinlich Krebs erzeugt.
Auch in der Schweiz sind heute rund 120 Herbizidprodukte zugelassen, die Glyphosat enthalten. Jährlich werden hierzulande 300 Tonnen davon versprüht, in der Landwirtschaft und in privaten Gärten.
In den USA wurde kürzlich gentechnisch veränderter Mais zugelassen, der gegen das dioxinhaltige Unkrautvertilgungsmittel 2,4-D resistent ist. Auch Agent Orange enthielt 2,4-D. «Es ist zu befürchten, dass mit dem Anbau von 2,4-D-resistenten Pflanzen der Einsatz dieser Chemikalie massiv zunimmt. Mit schwerwiegenden Folgen für die Umwelt, Mensch und Tier.» Dies sagt die Gentechnik-Expertin Angelika Hilbeck, Leiterin der Forschungsgruppe zu Umweltbiosicherheit und Agrarökologie an der ETH Zürich.
Monsanto betreibt heute aggressive Werbung in Vietnam und lockt Agrarstudenten mit Stipendien. Wie ist es zu erklären, dass Vietnam ausgerechnet jener Firma den roten Teppich auslegt, mit deren Produkt die US-Armee einst das Land vergiftete?
Auf dem Boden der Unwissenheit hat Monsanto freie Bahn.
Nguyen Le ist einer der wenigen Journalisten in Vietnam, die zum Thema recherchieren. Er heisst mit richtigem Namen anders, aus Angst vor Repressalien will er anonym bleiben. Auf die Frage, weshalb Vietnam Monsanto willkommen heisst, meint er: «Ironisch gesagt: Vietnamesen sind halt gut im Vergeben. Im Ernst: Ich befragte dazu unsere Leser. Jene, die wussten, was Monsanto angerichtet hat, scheinen einfach vergessen zu wollen. Was vorbei ist, ist vorbei. Das scheint allgemein der Tenor zu sein.»
Die Mehrheit der Leser jedoch habe keine Ahnung, dass Monsanto Hauptproduzent von Agent Orange war. Dazu komme, dass es in Vietnam, im Gegensatz zu Europa, keine wahrnehmbare Opposition gegen genveränderte Organismen gebe.
Vietnam könnte mit der Klimaerwärmung einen sehr grossen Teil des fruchtbaren Bodens verlieren, vor allem im Mekong-Delta und an den Küsten Zentralvietnams. Viele glauben deshalb, dass mit gentechnisch veränderten Pflanzen mit ihren höheren Erträgen die Verluste von fruchtbaren Böden kompensiert werden können.
Auf dem Boden der Unwissenheit habe Monsanto hier freie Bahn, sagt der Journalist. «Es gibt zwar eine Handvoll Wissenschaftler, die Alarm schlagen. Doch leider stossen sie auf taube Ohren.»
Vietnam sollte Monsanto nicht von dieser Unwissenheit profitieren lassen, meint Nguyen Le und weiter: «Monsanto kann schon zurückkommen; doch dann sollten die Menschen darüber informiert werden, dass diese Firma Agent Orange herstellte und dass das Unternehmen weltweit in der Kritik steht. Leider aber informieren weder unsere Medien noch die Verantwortlichen darüber.»
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