Umwelt- und Konsumentenschützer in den USA sind empört. Der «Zusatz 735» im neuen Haushaltsgesetz sieht vor, dass Unternehmen künftig auch gegen den Willen der Gerichte genmanipuliertes Saatgut anpflanzen dürfen.
«Die Senatorin versteht den Ärger», steht zu Ostern auf der Homepage von Barbara Mikulski, «aber ihre erste Pflicht war es, die weitere Funktionsfähigkeit der Regierung sicherzustellen». Die demokratische Vorsitzende des Haushaltsausschusses im US-Senat reagiert so auf einen Sturm der Entrüstung von Umwelt- und Konsumentenschützern. Diese wüten über einen Zusatz, der tief in dem Ende März in Kraft getretenen Haushaltsgesetz vergraben ist, sprechen von einem «Monsanto-Schutz-Gesetz» und sammeln immer noch Unterschriften dagegen – obwohl Präsident Barack Obama es bereits unterschrieben hat.
«Zusatz 735» gibt den Unternehmen im Geschäft mit genmanipuliertem Saatgut – von Monsanto über Bayer, Syngenta bis hin zu DuPont – eine nie dagewesene Handlungsfreiheit. Künftig können Gerichte, die Zweifel an der Umwelt-oder Gesundheitsverträglichkeit neuer genmanipulierter Produkte haben, deren Aussaat, Anbau, Vertrieb und Verkauf nicht mehr verhindern.
«Die verklausulierte Sprache von Zusatz 735 autorisiert den Landwirtschaftsminister, den Anbau neuer genmanipulierter Produkte zu genehmigen – selbst dann, wenn Gerichtsverfahren dagegen laufen“, erklärt Dave Murphy, von der Gruppe
Food Democracy Now. Er nennt den Zusatz eine «Aushöhlung des Rechtes auf juristische Prüfung» und einen «klaren Verstoss gegen die Gewaltenteilung».
Im Senat anonym eingebracht
Für die Agroindustrie bedeutet der Zusatz, dass sich ihr Lobbying Jahre gelohnt hat. Noch 2010 musste Monsanto den Einsatz von genmanipulierten Zuckerrüben wegen einer Klage des Center for Food Safety stoppen.
Der Weg des umstrittenen «Zusatzes 735» in das Haushaltsgesetz wirft ein Schlaglicht auf das gesetzgeberische Verfahren in Washington. Der Zusatz taucht zum ersten Mal überhaupt erst in der vierten Version (von insgesamt sechs Versionen) des Gesetzes auf. Er ist versteckt zwischen Haushaltsplänen für das US-Militär, den Handel und die Justiz. Und er ist im Senat anonym eingebracht worden.
Hinter dem Zusatz steht ein Senator aus dem Bundesstaat Missouri, wo nicht nur 100 000 landwirtschaftliche Betriebe ansässig sind, sondern sich auch der Hauptsitz von Monsanto befindet. Senator Roy Blunt hat für jede Kampagne Geld von dem Agrokonzern bekommen.
Nach Informationen von der Organisation Open Secrets erhielt er 2012 erneut 10 000 Dollar direkt von Monsanto, plus indirekte Zahlungen an sein politisches Aktionskommittee (PAC). Er ist damit einer der elf am grosszügigsten von Monsanto ausgestatteten Kongress-Abgeordneten.
Seit 2008 hat Monsanto seine finanziellen Zuwendungen an US-Abgeordnete mehr als verdoppelt. Gegenwärtig zahlt der Konzern fast drei Mal so viel an Republikaner als an Demokraten.
Gesetz bis im Sommer gültig
Es ist nicht das erste Mal, dass ein nachträglich eingeflickter Zusatz in einem – eigentlich nicht mit dem Thema befassten – Gesetz einer ganzen Branche Verfolgungsfreiheit garantiert. Schon im Jahr 2005 gelang den Schusswaffenherstellern ein vergleichbarer Coup. Seither ist es nicht mehr möglich, die Hersteller und Verkäufer von legal erworbenen Waffen rechtlich zu belangen.
In Washington war im März die Drohung ausgegeben worden, ohne Haushaltsgesetz würde die Regierungsarbeit in sämtlichen Bereichen – inklusive im Militär – zusammenbrechen. Nachdem die Abgeordneten das Haushaltsgesetz unter diesem Druck angenommen hatten, sahen viele die parteiübergreifende Abstimmung als Beleg dafür, dass der Kongress doch funktionsfähig sei.
Für Umwelt- und Konsumentenschützer bleibt der kleine Trost, dass das Haushaltsgesetz nur bis zum Sommer gilt. Bis dahin wollen sie versuchen, zu verhindern, dass der «Monsanto-Schutz» auch in Folgegesetze übernommen wird. Senatorin Mikulski hat ihnen zu Ostern ihre Unterstützung zugesagt: Weil sie selbst den Zusatz auch nicht unterstütze. Und weil sie für Nahrungsmittelsicherheit kämpfe.